Die Macht der Viren |
Die allererste Finanzkrise geht auch auf das Konto von Viren zurück. / Foto: Fotolia/tom
Nur ein geringer Teil der Viren ist humanpathogen. Wissenschaftler sind der Meinung, dass 99 Prozent der Viren für Menschen harmlos und sogar für das Ökosystem notwendig sind. Sie kommen weltweit vor und sind überall dort zu finden, wo es Leben gibt. Nicht nur menschliche und tierische Zellen, sondern auch die von Algen, Pilzen und höheren Pflanzen programmieren sie in ihrem Sinne um und zwingen sie, ihrem Kommando zu folgen. Sie lassen Organismen untergehen und an ihrer Stelle andere Arten gedeihen.
Überall, wo es Wasser gibt, gibt es auch Leben. Und wo Leben ist, sind Viren. Sie regulieren zum Beispiel die Populationen der einzelligen Algen im Meer und sorgen so für eine gesunde Mischung der Arten. So »blühen« in Abständen massenhafte Bestände von Algen im Meer. Diese Algenblüte aktiviert das in den Algen im Latenzstadium schlummernde Virengenom, woraufhin dessen Reproduktionsphase startet. Die Algen-DNA sorgt jetzt für die Produktion der einzelnen Virenbestandteile und ihre Zusammensetzung. Die neuen Virionen zerstören die Algenzellen, die Algen sterben ab und sinken zu Boden. Dort dienen sie anderen Meeresbewohnern als Nahrung. Ihr Kalkskelett bleibt erhalten und hat im Laufe der Jahrmillionen beispielsweise die bekannten Kreidefelsen auf der Insel Rügen gebildet. Immer überleben jedoch einige Algen, die sich wieder vermehren und neue Bestände aufbauen. Andere, schwächere Arten erhalten daneben neuen Raum für ihre Entwicklung.
Viren können aber auch den Algen durch den Einbau bestimmter Gene in deren DNA eine bessere Photosynthese und damit ein schnelleres Wachstum ermöglichen. In beiden Fällen liegt es an den Viren, ob die Algen vermehrt Kohlendioxid freisetzen wie im ersten Fall oder aber zur Bindung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre beitragen. Meeresbiologen fordern deshalb, das Zusammenwirken von Viren und Algen in der Klimaforschung zu berücksichtigen. Sie haben berechnet, dass Algen infolge von Virusinfektionen jährlich der Atmosphäre 300 bis 600 Millionen Tonnen Kohlenstoff entziehen und auf dem Meeresboden ablagern.
Doch auch für das Korallensterben machen Wissenschaftler die Viren verantwortlich. Korallen sind eng mit einzelligen Algen vergesellschaftet. Die Algen leben im Inneren der Weichtiere und gewinnen durch Photosynthese Energie zum Aufbau von Kohlenhydraten. Von diesen ernähren sich die Korallen und bieten den Algen im Gegenzug eine geschützte Behausung.
Als Folge des Klimawandels erhöht sich weltweit die Wassertemperatur, was auch für die Korallen Stress bedeutet. Damit werden sie anfällig für Virusinfektionen. Forscher haben beobachtet, dass mit dem vermehrten Auftreten von Viren auf Korallenbänken die Algen verschwinden und die Korallen vermutlich verhungern.