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Picky Eater

Die Nahrung ergänzen?

Die meisten Eltern kennen das, Kinder essen nur selten, was im Rahmen einer gesunden, ausgewogenen Ernährung empfohlen wird. Einen nachgewiesenen Nährstoffmangel haben dennoch die wenigsten. Etwas anders sieht es aus, wenn Kinder dauerhaft ein eingeschränktes Essverhalten zeigen.
Carina Steyer
01.11.2021  12:30 Uhr

Nicht nur Kinder, auch Erwachsene haben Vorlieben und Abneigungen einzelnen Nahrungsmitteln gegenüber. Einiges kann sich mit der Zeit ändern, anderes bleibt bestehen. Grundsätzlich gilt jedoch, das Gehirn ist in Bezug auf Geschmäcker lernfähig. Sie lassen sich antrainieren. Allerdings dauert das einige Zeit. Studien haben gezeigt, dass ein neues oder unbeliebtes Lebensmittel zwischen 8- bis 15-mal probiert werden muss, bevor es akzeptiert, toleriert und im besten Fall gemocht wird. Für Eltern bedeutet das, Ausdauer zeigen, vor allem, wenn die eigenen Kinder noch klein sind.

Die Skepsis gegenüber Nahrungsmitteln ist bei den 2- bis 6-Jährigen besonders groß. Gerade Lebensmittel mit einem hohen Bitterstoffanteil wie Salate, Oliven, Rosenkohl oder Brokkoli schmecken den meisten Kindern zu diesem Zeitpunkt nicht. Doch auch wenn Kinder grundsätzlich abwechslungsreich essen, kann es immer wieder mal Phasen geben, in denen sie ihre Essgewohnheiten ändern. Das kann die Nahrungsmenge, die Häufigkeit oder die Nahrungsmittelauswahl betreffen. Dann werden vielleicht tagelang nur noch blanke Nudeln, Wurst ohne Brot oder ausschließlich grüne Lebensmittel gegessen.  Grund zur Sorge besteht in den meisten Fällen nicht. Kinder haben ein sehr genaues Gespür, wieviel Nahrung und welche Nahrungsmittel sie brauchen. Oft gehen diese Phasen ebenso schnell vorbei wie sie begonnen haben.

Experten raten, geduldig zu bleiben. Eltern bieten auch unbeliebte Lebensmittel am besten einfach immer wieder mal an, auch wenn sie wiederholt abgelehnt werden.

Hilfe notwendig

Etwas anders gelagert ist der Fall bei den sogenannten Picky Eaters. Obwohl häufig auch wählerische und heikle Esser mit diesem Begriff bezeichnet werden, steht er eigentlich für eine Gruppe mit hoch selektivem Essverhalten. Oft werden nicht mehr als zwei bis drei ausgewählte Nahrungsmittel gegessen. Ausschlaggebend für die Auswahl kann die Konsistenz, die Geschmacksrichtung, die Farbe oder eine bestimmte Marke sein.

Picky Eater sind eine Herausforderung für die gesamte Familie. Auswärts essen, ganztägiger Schul- oder Kindergartenbesuch, Urlaub oder Klassenfahrten sind schwer bis gar nicht umsetzbar. Einige Kinder zeigen Ekelgefühle, wenn sie mit unbekannten Nahrungsmitteln konfrontiert werden. Dabei kann es genügen, wenn sie sehen wie andere diese essen. Andere verweigern das Berühren der Nahrung. Hier reichen allgemeine Ratschläge nicht aus. Kinder und Eltern brauchen professionelle Unterstützung, um die Ursache des Verhaltens zu finden, sie zu beseitigen oder den Umgang mit ihr zu lernen.

Selektives Essverhalten tritt häufig bei hochsensiblen Menschen auf, die Gerüche oder Geschmäcker verstärkt wahrnehmen. Auch Menschen im Autismusspektrum beschränken ihre Nahrungsmittelauswahl oft auf wenige Dinge. Betroffene Kinder sind meist normalgewichtig, da sie von ihren bevorzugten Lebensmitteln ausreichend essen. Rutschen Picky Eater aus ihren Wachstums- und Gewichtsperzentilen, werden Kinderärzte organische Ursachen abklären. Manchmal stecken hinter einem auffälligen Essverhalten Allergien oder eine Zöliakie, deren Symptome die Kinder instinktiv durch das Essen geeigneter Nahrungsmittel abmildern. In diesem Zusammenhang wird dann auch der Nährstoff- und Vitaminspiegel kontrolliert, Mängel werden ausgeglichen und der Verlauf wird beobachtet.

Selten unterversorgt

Bei gesunden Kindern ist ein Nährstoff- und Vitaminmangel selten, selbst wenn sie kein Gemüse essen, nichts Neues ausprobieren und immer nur das gleiche Essen verlangen. Das konnten mehrere großangelegte Studien bestätigen. In der German Representative Study of Toddler Alimentation (GRETA) haben Wissenschaftler die Nährstoffzufuhr von 391 Kleinkindern im Alter zwischen einem und drei Jahren analysiert. Dabei zeigte sich, dass bei den meisten Kindern die Versorgung im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung gewährleistet ist. Ausnahmen bildeten lediglich Vitamin D sowie Folsäure, Eisen und Jod. Die Ergebnisse der Ernährungsstudie (EsKiMo), die als Bestandteil der »Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS)« vom Robert Koch-Institut durchgeführt wurde, haben das noch einmal bestätigt. Auch hier gab es Ausnahmen nur bei der Versorgung mit Vitamin D und Folat. Bei den sechs- bis elfjährigen zusätzlich bei den Vitaminen A und E. 

Dennoch nimmt laut EsKiMo-Studie jedes zwölfte Kind zwischen sechs und elf Jahren und jeder fünfte Teenager zwischen zwölf und 17 Jahren ein Nahrungsergänzungsmittel ein. Ernährungsexperten sehen den Konsum durchaus kritisch. Denn die Versorgung mit den Vitaminen B1, B2, B6, B12, C und Niacin liegt im Rahmen der normalen Ernährung bei Heranwachsenden im Durchschnitt bereits über den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Dies liegt vor allem an dem weit verbreiteten Verzehr von Lebensmitteln wie Cornflakes und ähnlichem, die mit Vitaminen und Mineralstoffen angereichert sind, wie die Ernährungsprotokolle der DONALD-Studie (Dortmund Nutritional and Anthropometric Longitudinally Designed Study) des damaligen Forschungsinstituts für Kinderernährung (FKE) gezeigt haben.

Verbraucherzentrale warnt

Vor einer Überversorgung mit einzelnen Nährstoffen warnt auch die Verbraucherzentrale. Die Experten haben im Rahmen des Projekts »Klartext Nahrungsergänzung« 26 Nahrungsergänzungsmittel für Kinder unter die Lupe genommen. Ihr Ergebnis: 85 Prozent der Produkte lagen bei einem der Vitamine oder Mineralstoffe über dem Referenzwert der DGE für vier- bis siebenjährige. Mehr als die Hälfte der Produkte überschritten die vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vorgeschlagenen Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe oder sie lagen an ihrer Grenze. Dies sei besonders kritisch, da diese Höchstmengen nur für Personen ab 15 Jahren vorgesehen seien, urteilen die Experten. Zusätzlich enthielten die meisten Nahrungsergänzungsmittel für Kinder Nährstoffe, mit denen die Kinder bereits gut versorgt seien. Kritisch sehen die Verbraucherexperten zudem die kindgerechte Aufmachung in Form von Bonbons oder Gummibärchen. Hier drohe die Gefahr einer Verwechslung mit Süßigkeiten und dadurch ein übermäßig hoher Verzehr.

Begeisterung wecken

Eine generelle Vitaminsupplementierung mit Multivitaminpräparaten wird für gesunde Kinder weder von Kinderärzten noch von Ernährungsexperten empfohlen. Besser ist es, eine bedarfsgerechte Ernährung zu fördern. Da dies nicht immer einfach ist, gibt es zahlreiche Tipps und Tricks, um Kinder für abwechslungsreiche und gesunde Gerichte zu motivieren. Im einfachsten Fall reicht es, einen gemeinsamen Essensplan zu erstellen, in dem die Wünsche aller Familienmitglieder integriert werden. Je jünger Kinder sind, umso weniger kompromissbereit werden sie jedoch sein. Hier empfehlen Experten, Gemüse in unterschiedlichen Zubereitungsarten und in »versteckter« Form anzubieten. Dies gelingt zum Beispiel über Saucen, als Bratling oder in gesunden Muffins. Oft funktioniert auch das Regenbogenspiel: Bei jeder Mahlzeit darf das Kind die Speisen auf dem Tisch inspizieren. Entdeckt es eine Regenbogenfarbe und isst es das Lebensmittel, darf es in einer Malvorlage den entsprechenden Streifen ausmalen. Ist der Regenbogen am Ende einer Woche vollständig angemalt, gibt es eine kleine Belohnung.

Bei allen Bemühungen sollten Eltern jedoch nicht vergessen: Sie bestimmen das Angebot der Mahlzeit, die Kinder können frei wählen, was davon sie essen. Zwang oder Druck sind fehl am Platz. Sie stören lediglich das natürliche Hunger- und Sättigungsgefühl und können im schlimmsten Fall aus einer normalen Phase ein ausgewachsenes Problem machen.

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