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Tückisches Virus

Die schwierige Suche nach einem HIV-Impfstoff

Rund 40 Jahre ist das HI-Virus nun bekannt, doch noch immer gibt es keinen Impfstoff, der vor einer Ansteckung schützt. Warum ist die Entwicklung so schwierig und was macht das Virus so tückisch?
Verena Schmidt
20.02.2023  09:00 Uhr

Im Januar gab der US-Pharmakonzern Johnson & Johnson gemeinsam mit seiner Pharmasparte Janssen bekannt, dass seine Vektor-basierte HIV-Vakzine in der entscheidenden klinischen Studienphase gescheitert sei. Die Enttäuschung ist groß, galt der Impfstoff doch als aussichtsreicher Kandidat, auf den viele Experten Hoffnungen setzten. Das US-amerikanische National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) teilte mit, dass die Studie mit 3900 Probanden, in der der Impfstoff getestet wurde, vorzeitig beendet worden sei. Sicherheitsprobleme habe es keine gegeben, allerdings sei die Zahl der HIV-Infektionen in der Placebo- und Verumgruppe in der Studie gleich hoch gewesen, der Impfstoff habe also nicht gewirkt.

In der 2019 gestarteten sogenannten Mosaico-Studie, an der sich auch die US-amerikanische Regierung beteiligt hatte, war ein Impfstoff-Regime bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), und Transgender-Personen getestet worden. Die Probanden waren zwischen 18 und 60 Jahre alt und wiesen ein erhöhtes HIV-Risiko auf. Sie hatten innerhalb eines Jahres vier Dosen eines Vektor-Impfstoffs erhalten.

Bei dem Vektor handelte es sich wie bei Janssens Coronaimpfstoff Jcovden® um ein Adenovirus Typ 26, also ein abgeschwächtes Erkältungsvirus. Dieses war so verändert worden, dass es einen Bauplan für Fragmente des HI-Virus in Zellen einschleusen kann. Im Anschluss daran produziert das körpereigene Immunsystem Antikörper gegen HIV. Die tetravalente Vakzine enthielt vier Vektoren, die ein Mosaik an HIV-Genen von verschiedenen Virussubtypen transportieren. Beim dritten und vierten Impftermin wurde den Probanden zusätzlich ein proteinbasierter Impfstoff verabreicht, der Virus-ähnliche Proteine und Aluminiumphosphat als Adjuvans enthielt.

Experten wie der Virologe Professor Dr. Hendrik Streeck von der Universität Bonn sehen die Forschung zu wirksamen HIV-Impfstoffen nach dem Stopp der Studie nun deutlich zurückgeworfen. Kein anderes Präparat hätte so gute Aussichten gehabt, sagte Streeck, der am Rande an der Studie beteiligt war, der Deutschen Presse-Agentur. Bereits 2021 war die Imbokodo-Studie gestoppt worden, eine Phase-2b-Studie mit jungen Frauen aus fünf Ländern südlich der Sahara, in der ein ähnliches Impfstoff-Regime getestet worden war. Auch hier war der Impfstoff zwar gut vertragen worden, zeigte aber nur eine Schutzwirkung von 25 Prozent.

Wie geht es nun weiter?

Die Entwicklung eines Impfstoffs gegen das HI-Virus scheint die Wissenschaftler vor große Herausforderungen zu stellen. Das hängt zum einen damit zusammen, dass das Virus in vielen verschiedenen Varianten vorkommt und sich sein Hüllprotein (Env) relativ schnell verändern kann. Nicht nur die weltweit zirkulierenden Virusstämme, die zu verschiedenen Subtypen zusammengefasst werden, sind sehr variabel. Die Subtypen unterscheiden sich laut der Fachzeitschrift »MMW - Fortschritte der Medizin« um circa 15 Prozent, die Viren innerhalb eines Subtyps um bis zu 8 Prozent und die Viren innerhalb eines Patienten um bis zu 1 Prozent.

Eine weitere Entwicklungshürde ist die besondere Oberfläche des Virus: Wichtige Erkennungsmerkmale der viralen Proteinhülle Env sind durch Zuckeranhänge, sogenannte Glykane, verdeckt. Das erschwert die Bindung von neutralisierenden Antikörpern.

In den vergangenen 25 Jahren wurden insgesamt zehn klinische Studien zur Wirksamkeit von Impfstoffkandidaten durchgeführt. Es zeigte sich bei fast allen keine oder nur eine geringe Wirksamkeit, die meisten Studien wurden vorzeitig beendet. Nach dem Stopp der Mosaico-Studie läuft aktuell nur noch die PrEPVacc-Studie im südlichen Afrika, in der zwei Kombinationsimpfungen gegen HIV untersucht werden. Die erste besteht aus einem DNA- und einem proteinbasierten Impfstoff, die zweite aus einem DNA-, einem Vektor- und einem proteinbasierten Impfstoff. Alle Studienteilnehmer erhalten parallel eine medikamentöse Präexpositionsprophylaxe (PrEP).

Inwieweit die HIV-Impfstoff-Entwicklung von der mRNA-Technologie profitieren wird, bleibt abzuwarten. Sowohl Biontech als auch Moderna arbeiten an mRNA-Vakzinen, diese befinden sich allerdings noch im frühen Entwicklungsstadium. Moderna konnte immerhin Ende des vergangenen Jahres einen ersten kleinen Erfolg vermelden: Der Impfstoffkandidat eOD-GT8 60mer induzierte in einer Phase-1-Studie bei 35 von 36 Studienteilnehmern eine Antikörperproduktion gegen das HI-Virus.

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