Die Uhr tickt |
Die zweimal jährliche Zeitumstellung bereitet vielen Menschen Schwierigkeiten, doch auch die Abschaffung von Winter- oder Sommerzeit könnte problematisch sein. / Foto: Fotolia/bluedesign
Die von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schon für April 2019 angekündigte Abschaffung des Wechsels zwischen Sommer- und Winterzeit lässt sich in der Europäischen Union so schnell nicht umsetzen. Anfang März entschied der Verkehrsausschuss des EU-Parlaments als federführender Ausschuss im Gesetzgebungsprozess nun über ein Kompromiss-Papier. Dabei wurde nun 2021 als Ende für die Zeitumstellung ins Auge gefasst. Die Vollversammlung des Parlaments wird voraussichtlich Ende März abschließend über die Frage abstimmen.
Hintergrund der Diskussionen über die Abschaffung der Sommer- und Winterzeit war eine nicht repräsentative Onlineumfrage der EU-Kommission im vergangenen Jahr: Mehr als 84 Prozent der 4,6 Millionen Teilnehmer plädierten für ein Ende der Zeitumstellung. Mitgemacht haben damit weniger als ein Prozent der EU-Bürger. Allein drei Millionen Antworten kamen aus Deutschland, die meisten plädierten für eine dauerhafte Sommerzeit.
Zwar wird auf EU-Ebene entschieden, ob es den Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit noch geben soll. Sollte dieser dann wegfallen, ist es aber Sache jedes einzelnen Landes zu entscheiden, welche Zeit dann dort tatsächlich gilt. Probleme macht die Koordinierung der einzelnen Länder. Denn dass es nur eine Zeit in Mitteleuropa geben soll, darin sind sich die EU-Länder einig. Zu vehement seien sonst die Auswirkungen auf Straßen-, Bahn-und Flugverkehr sowie Finanzmärkte.
Derzeit gibt es in Mitteleuropa eine große Zeitzone von Polen bis Spanien, zu der Deutschland und 16 weitere EU-Länder gehören. Sie soll zugunsten von Reisenden und dem Handel möglichst erhalten bleiben. Doch käme für alle 17 Staaten die Sommerzeit, hieße das für Spanien im Winter Dunkelheit bis kurz vor 10 Uhr. Einigte man sich auf Winterzeit, würde es in Warschau im Sommer schon um 3 Uhr hell. Die Zeitumstellung zweimal im Jahr dämpft bisher die Extreme.
Wissenschaftler begrüßen grundsätzlich die Abschaffung der zweimal jährlichen Zeitumstellung. Der künstliche Wechsel konterkariere die Chronobiologie des Organismus. Besonders die ersten drei Tage nach der Zeitumstellung bedeuten Stress für den Organismus. Das zeige sich an einem erhöhten Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle, heißt es vonseiten der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). Rund ein Viertel der Bevölkerung hat nach Schätzungen der Fachgesellschaft Probleme mit der Zeitumstellung, und zwar im Frühjahr deutlicher als im Herbst – weil eine Stunde Schlaf wegfällt.
Das Schlafdefizit ist auch der Grund, warum Schlafmediziner und Chronobiologen vor einer Einführung einer dauerhaften Sommerzeit warnen – wie es die meisten Deutschen präferieren. Die DGSM bevorzugt eine dauerhafte Winterzeit, die eigentliche Normalzeit. Denn diese entspreche den Verhältnissen, die unter Berücksichtigung der natürlichen Lichteinflüsse für den natürlichen Schlaf-wach-Rhythmus am günstigsten ist. Bei dauerhafter Sommerzeit würde es in den hiesigen Breiten im Winter erst gegen 9 Uhr und später hell. Und sei man im Winter am Morgen länger der Dunkelheit ausgesetzt, habe das negativen Einfluss auf Aufmerksamkeit und Konzentrationsvermögen.
Der Chronobiologe Professor Dr. Till Roenneberg vom Institut für Medizinische Psychologie der Universität München spricht gar von einem »Cloxit«, wenn die Uhren für immer in Sommerzeit ticken. »Man erhöht die Wahrscheinlichkeit für Diabetes, Depressionen, Schlaf- und Lernprobleme. Das heißt, wir Europäer würden dicker, dümmer und grantiger.«
In der Nacht vom 30. auf den 31. März 2019 wird die Uhr auf Sommerzeit von 2:00 auf 3:00 Uhr vorgestellt. Die Nacht wird also um eine Stunde verkürzt.