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Pedikulozide

Ein Läuse-Update

Nach den großen Ferien bringen Kinder wieder vermehrt unerwünschte Gäste mit nach Hause. Bei Kopflausbefall sind Panik und Scham fehl am Platz, rasches Handeln ist gefragt. Was müssen PTA und Apotheker für das Beratungsgespräch wissen?
Elke Wolf
10.09.2019  09:00 Uhr

In der Tat steigt in Mitteleuropa die Zahl der Kinder, die Kopfläuse aus dem Kindergarten oder der Schule mit nach Hause bringen, nach den Sommerferien deutlich an. Mikrobiologen vermuten, dass sich Kinder während des Urlaubs die kleinen Krabbeltierchen einfangen, wenn sie mit anderen Kindern spielen oder auf engem Raum zusammenleben, wie in einem Ferienlager oder beim Camping. Zurück in Deutschland steckten sie dann Familienangehörige oder Kinder aus ihrer Spielgruppe oder in der Schule an, heißt es in einem aktuellen Ratgeber für Kinderärzte der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin.

Auch interessant: Weltweit werden mehr Mädchen als Jungen von der Pediculosis capitis heimgesucht. Sie haben üblicherweise längere Haare und legen auch ein anderes Verhalten an den Tag. Während sie gerne beim Spielen längere Zeit die Köpfe zusammenstecken, raufen Jungen lieber. So kommt es bei den Mädchen zu längeren und häufigeren Haar-zu-Haar-Kontakten. Diese braucht es, damit die Kopflaus ihren Wirt wechseln kann, denn sie kann weder fliegen noch springen. Laut dem DGKJ-Ratgeber werden Kinder meist zwischen dem neunten und zehnten Lebensjahr von Kopfläusen belästigt. Und: »Es gibt Hinweise dafür, dass die weit verbreitete Praxis von Selfies derzeit den Häufigkeitsgipfel in höhere Altersgruppen verschiebt«

Zweigleisige Therapie

Um dem Krabbeln auf dem Kopf ein Ende zu bereiten, sollten mechanische Methoden mittels Läusekamm (»feuchtes Auskämmen«) und antiparasitäre Mittel kombiniert werden, teilt das Robert-Koch-Institut (RKI) in einem Merkblatt mit.

Wie geht es? Beim feuchten Auskämmen wird auf das feuchte Haar eine Haarpflegespülung aufgetragen. Das lähmt die Parasiten für etwa eine halbe Stunde, so werden sie leichter beim Kämmen erfasst. Die Haare werden zunächst mit einem normalen Kamm in Strähnen gelegt, bevor sie mit einem speziellen Läusekamm (wie von mosquito®, NYDA®, Dimet®) systematisch ausgekämmt werden. Diese Kämme sind notwendig, da ihre wenig elastischen Zinken (aus Kunststoff oder Metall) nicht mehr als 0,2 Millimeter voneinander entfernt stehen und so Läuse und Nymphen gut erfassen können. Strähne für Strähne wird systematisch durchgekämmt. Dabei sollten die Eltern den Kamm so führen, dass er von der Kopfhaut aus fest zu den Haarspitzen heruntergezogen wird. Nach jedem Kämmen wird die Pflegespülung am besten auf einem weißen Handtuch oder Küchenkrepp ausgestrichen. So sieht man die erfassten Parasiten oder leere Eihüllen schwarz auf weiß. Die gefundenen Läuse müssen beseitigt werden.

Da nicht alle Kopflausmittel zuverlässig alle Eier abtöten und abhängig vom Präparat und dessen Anwendung Larven nach der Erstbehandlung nachschlüpfen können, muss innerhalb eines bestimmten Zeitfensters das Prozedere mit dem Kopflausmittel wiederholt werden (siehe Kasten).

Topisch besser physikalisch

Unter den topischen antiparasitären Mitteln lassen sich drei Wirkprinzipien unterscheiden: die physikalisch wirkenden Dimeticone, die neurotoxisch wirkenden Insektizide und die Pedikulozide auf pflanzlicher Basis.

Mittel der Wahl gegen Kopfläuse weltweit sind seit geraumer Zeit die Dimeticone, also farblose polymere Verbindungen aus Silicium und Sauerstoff. Da Dimeticone biochemisch inert sind und nach oraler Aufnahme oder Applikation auf die Haut nicht resorbiert werden, gelten sie als sicher untoxisch (wie Nyda® Pumpspray, Etopril®, Dimet 20, Jacutin Pedicul Fluid, Hedrin®).

Dimeticone haben gute Kriech- und Spreiteigenschaften und breiten sich rasch über kleinste Oberflächen aus. Sie kriechen über die Chitinhülle der Laus, dringen in das Atemwegssystem des Parasiten ein, verdrängen den Sauerstoff und führen innerhalb von Minuten zu einem akuten Sauerstoffmangel. Der Parasit erstickt innerhalb kürzester Zeit. Und noch effektiver: Für NYDA® und Jacutin® Pedicul Fluid ist in In-vitro-Studien eine hohe ovizide, also eiabtötende Wirkung belegt. Da diese Dimeticone nachweislich eine hohe Wirkung gegen Läuse und Eier haben, brauchen sie nur einmal angewendet werden, heißt im DGKJ-Ratgeber. Der rasche Wirkungseintritt und das physikalische Wirkprinzip machen eine Resistenzentwicklung unter den verschiedensten Parasitenpopulationen extrem unwahrscheinlich. Ganz im Gegensatz zu den ehemaligen Verordnungsklassikern gegen Kopfläuse, die Insektizide. Der massenhafte Einsatz dieser neurotoxisch wirkenden Pedikulozide hat weltweit zur Entwicklung resistenter Parasitenpopulationen geführt, was die Wirksamkeit extrem reduziert.

Zweite Wahl

Diese Antiläuse-Präparate auf der Basis von Organophosphaten wie Malathion, Pyrethrum als Extrakt der Chrysanthemenblüte oder Permethrin (wie Infectopedicul®, Biomo-Pedicul® Lösung, Permethrin-biomo® Lösung) und Allethrin  als synthetische Pyrethroide stehen heute nur noch in zweiter Reihe der Therapieoptionen, da wirksame und sicher untoxische Alternativen zur Verfügung stehen. Seit Kurzem ist Permethrin bei Schwangeren mit Kopflausbefall nur noch als Reservemittel auf Anweisung des Arztes einzusetzen. Bis 11. September müssen Zulassungsinhaber die verschärften Anwendungshinweise in den Fachinformationen umgesetzt haben. Hintergrund ist ein mögliches kanzerogenes Risiko für das ungeborene Kind. Permethrin steht unter Verdacht, bei Kindern, die im Mutterleib mit dieser Substanz in Kontakt gekommen sind, das Risiko für Multiple Myelome und Leukämien zu erhöhen.

Auch die dritte Gruppe unter den Pedikuloziden, Präparate auf pflanzlicher Basis, sind keine verlässliche Alternative zu den Dimeticonen. Sie enthalten ätherische Öle, mit oder ohne pflanzliche Fettsäuren (wie Andirobabaum-, Soja-, Ylang-Ylang-, Raps- oder Kokosöl in Rausch Laus-Stop, mosquito® med Shampoo oder Neembaumsamenextrakt in Licener®). Laien stufen sie mitunter als vermeintlich unbedenklich ein. Dem sollten PTA widersprechen, denn zahlreiche ätherische Öle haben ein allergenes und hautirritierende Potenzial.

Dass einige pflanzliche Öle auch physikalisch wirken, indem sie die Sauerstoffdiffusion unterbrechen, ist nicht bewiesen. Und auch die von einigen Herstellern propagierte Anwendung als vorbeugendes Repellent ist nicht durch Studien belegt, heißt es in dem DGKJ-Ratgeber.

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