Eine sinnvolle Kombination |
Der Austausch im Team ist gerade auch im Zusammenhang mit Rezepturen wichtig. / Foto: Adobe Stock/phoenix021
Nach einer freundlichen Begrüßung durch die Leiterin der Apotheke wird laut debattiert. »Salicylsäure ist chemisch betrachtet ein Phenol und reagiert deshalb mit der Basiscreme DAC«, wirft Kollegin Sommer in die Runde. »Das ist doch galenisch nicht relevant!«, widerspricht ihr eine weitere Kollegin. Ein anderes Teammitglied lenkt die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass Salicylsäure sowohl als gepulverte sowie als mikronisierte Ware käuflich erwerbbar ist. Auch ein halbfestes Rezepturkonzentrat existiert. Und Sommer merkt an, dass das Glucocorticoid Betamethasonvalerat in Basiscreme DAC nur in Anwesenheit eines Citratpuffers stabil sei. Zu guter Letzt nicht vergessen: Welches Therapieziel hat die Kombination Salicylsäure mit dem Glucocorticoid?
Die Apothekenleiterin sortiert die Zurufe. »Phenole sind aromatische Alkohole. Aufgrund der hohen Elektronegativität des Benzolrings tritt das Wasserstoffmolekül der OH-Gruppe zum Teil in Wechselwirkung mit anderen Rezepturbestandteilen. Reaktionspartner sind beispielweise dann die Emulgatoren in den nicht ionischen Cremes. Denn diese Polyethylenglycole, auch Macrogole genannt, besitzen freie Elektronenpaare«, verdeutlicht sie mit Hilfe einer Zeichnung den chemischen Vorgang (siehe Abbildung 1). »Aber häufig ist die Phenol-Macrogol-Instabilität galenisch gar nicht relevant!«, zitiert eine PTA die Tabellen der Rezeptur und fährt fort: »Untersuchungen des Zentrallabors bestätigen, dass Salicylsäure trotz seines Phenolcharakters in der Basiscreme DAC für sechs Monate stabil ist. Erst beim Verdünnen dieser amphiphilen Creme mit einem Wasser-Propylen-Gemisch bricht sie«, informiert sie die Stammtischmitglieder.
Abb. 1 Phenolische Wirkstoffe [P] treten in Wechselwirkung mit phenolischen Arzneistoffen / Foto: Grafik: PZ
»Aber was ist mit dem Säurecharakter dieses Wirkstoffs?«, fragt die Teamleiterin in die Runde. Ein weiterer Blick in die Tabelle für die Rezeptur zeigt, dass Salicylsäure den pH-Wert einer Wasserphase auf ≤ 4 senkt. »Aber Salicylsäure ist doch schlecht in Wasser löslich, so dass dies kaum relevant ist«, gibt eine PTA zu bedenken. »Ja, mit der schlechten Wasserlöslichkeit hast Du recht«, betont die Leiterin. »Aber bereits der gering gelöste Anteil dieser sauren Substanz senkt den pH-Wert tatsächlich so stark ab. Das werden wir anhand eines einfachen, aber aussagekräftigen Tests beweisen«, meint sie und verteilt dabei pH-Sticks, mit gereinigtem Wasser befüllte Braunglasflaschen sowie kleine Spatel. Nach Benetzen des pH-Papiers mit einem Tropfen gereinigten Wassers verstreichen die Stammtischmitglieder die zu prüfende Creme mit dem Spatel auf die bunten Reaktionsfelder. Weiße Cremereste werden vorsichtig entfernt, dann erst kann der pH-Wert mit Hilfe der Skala der Originalverpackung abgelesen werden. Und zum Erstaunen mancher Stammtischmitglieder stimmt der experimentell bestimmte pH-Wert mit den Literaturdaten überein.
Die Apothekerin fragt in die Runde, ob Betamethasonvalerat bei dem pH-Wert von 4 stabil sei. Ein erneuter Blick in den Tabellen der Rezeptur auf Seite 24 zeigt, dass dieses Glucocorticoid pH-Werte von 2 bis 5 toleriert, Betamethasondipropionat dagegen zum Beispiel nicht. Zaghaft wirft die gut informierte PTA in den Raum: »Das bedeutet doch, dass auf den laut NRF 11.76. vorgeschriebenen Citratpuffer verzichtet werden kann, oder?«. Das bestätigt die Teamleiterin.
Wirkstoff | Rezepierbarer pH - Bereich | Partikelgröße laut Siebananalyse in Anlehnung an Ph. Eur. 2.9.12. |
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Salicylsäure, gepulvert | ≤ 4 | Partikel ≤ 180 µm ≥ 99 %, Partikel ≤ 125 µm ≥ 80 % |
Salicylsäure, mikronisiert | Partikel ≤ 74 µm ≥ 99 %, Partikel ≤ 39 µm ≥ 95 % | |
Betamethasonvalerat, mikronisiert | 2 bis 5 | Partikel ≤ 30 μm ≥ 99 %, Partikel ≤ 15 μm ≥ 95 %, Partikel ≤ 10 μm ≥ 90 % |
Apomix®Salicylsäure Verreibung | ≤ 4 | 99 % Partikel < 120 μm, 95 %Partikel < 60 μm, 75 % Partikel < 30 μm |
Anschließend verfassen die Teammitglieder eine Herstellungsanweisung. Zur Verblüffung aller Stammtischmitglieder kommen mehrere Möglichkeiten zusammen.
Eine der PTA sagt beispielsweise, sie habe beide Arzneistoffe in mikronisierter Form in ihrer Apothekenrezeptur stehen. Sie arbeite gerne in Anlehnung an Herstellungsvorschriften des NRF und setze deshalb mittelkettige Triglyceride zum Anreiben ein. »Das ist prinzipiell eine sehr gute Vorgehensweise«, lobt die Stammtischvorsitzende. »Doch leider übersiehst Du dabei die Tatsache, dass Salicylsäure zu 3,5 Prozent in mittelkettigen Triglyceriden löslich ist. Dann entstehen trotz des Einsatzes mikronisierter Ware aufgrund von Rekristallisationseffekten auf der Haut spürbare Partikelchen. Zum Anreiben eignet sich besser das dünnflüssige Paraffin, denn darin ist Acidum salicylicum nicht löslich«, weiß sie Rat. Auch macht ein weiterer gut informierter Kollege auf die unterschiedliche Korngröße von Betamethasonvalerat und Salicylsäure aufmerksam. »Laut Analysenzertifikat liegt die Korngröße des mikronisierten Glucocortiocids lediglich um 5 µm. Mikrofeine Salicylsäure dagegen ist laut Zertifikat sowie Korngrößenüberprüfung nach DAC Probe 21 um die 20 µm groß«, informiert er und ergänzt: »Diese Mischung verhält sich beim Anreiben wie feiner Zimt und grobkörniger Zucker. Aufgrund der unterschiedlichen Teilchengrößen finden Entmischungen statt«. Diesem Problem könne man begegnen, indem man zunächst die feinere Ware, also in diesem Fall das Betamethasonvalerat, mit Paraffin sorgfältig im Verhältnis 1 Teil Arzneistoff plus 10 Teile Paraffin anreibt. Dann läge es bereits als benetztes Einzelkorn vor. Anschließend sei die gröbere Salicylsäure dazuzugeben, die sorgfältig mit dem bereits benetzt vorliegenden Betamethasonvalerat zu vermischen sei. Das Anreibemittel müsse bis zur zehnfachen Menge der Salicylsäurekonzentration ergänzt werden. »Fällt die visuelle Überprüfung auf Abwesenheit von Agglomeraten positiv aus, dann wird zunächst per Augenmaß so viel Basiscreme dazugegeben, dass ein Verhältnis 1:1 resultiert. Durch sorgfältiges Rühren mit anschließendem Abschaben des Pistills sowie der Mischschale liegt nun ein Hand gemachtes Konzentrat vor«, meint die Teamleiterin.
»Ist es dann nicht vorteilhafter, halbfeste Wirkstoffkonzentrate zu verwenden?«, fragt eine ansonsten sehr ruhige PTA vorsichtig. »Da hast du völlig Recht. Ich ziehe nach Möglichkeit immer halbfeste Verreibungen vor, nicht nur aus mischungstechnischen sowie zeitsparenden Aspekten, sondern auch wegen des Gefährdungspotentials. Acidum salicylicum ist kein CMR-Stoff wie das Glucocorticoid Betamethasonvalerat. Aber aufgrund des sauren Charakters dieses Rezepturklassikers muss ich eine FFP2- Atemschutzmaske, Schutzbrille sowie Handschuhe tragen. Wähle ich zur Herstellung jedoch halbfeste Rezepturkonzentrate, entfällt die inhalative Gefahr und das Tragen der Atemschutzmaske erübrigt sich.