Einer für alle Corona-Varianten? |
Antikörper verhindern durch Bindung an das Virus zum Beispiel, dass dieses in die Zelle eintreten kann. Durch Mutationen an der Bindungsstelle kann das Virus den Antikörpern entgehen. / Foto: Getty Images/Floriana
Die Liste der monoklonalen Antikörper, die gegen das SARS-Coronavirus-2 entwickelt wurden, ist lang. Gegen die aktuell dominante Omikron-Variante BA.5 wirken nur die beiden Antikörper Sotrovimab (Xevudy®) und die Kombination Tixagevimab/Cilgavimab (Evusheld®), und dies auch eher mäßig. Der Grund liegt darin, dass es dem Virus immer wieder gelingt, der Hemmung durch die Antikörper mittels Mutationen zu entkommen. Aus diesem Grund wird mit Hochdruck nach Antikörpern gesucht, die möglichst gegen alle bekannten und möglichst auch gegen künftige Varianten wirksam sind.
Ein wichtiger Schritt in diese Richtung gelang nun einem Team um Dr. Sai Luo vom Howard Hughes Medical Institute am Boston Children’s Hospital und dem Department of Genetics an der Harvard Medical School in Boston, das seine Erkenntnisse jetzt in »Science Immunology« publizierte.
Die Wissenschaftler hatten ein spezielles Mausmodell entwickelt. In den Tieren lief ein komplexes Rekombinationsprogramm in verfeinerter Form ab, das jede native B-Zelle durchläuft, wenn diese mit einem Antigen in Berührung kommt. Diese Mäuse immunisierten die Forschenden dann mit dem SARS-CoV-2-Spike-Protein des Virus-Wildtyp-Stamms. Sie erhielten daraufhin unter anderem Antikörper, die besondere Eigenschaften aufwiesen und die in dieser Form bisher noch nicht isoliert werden konnten.
So neutralisierte der Antikörper SP1-77 in Labortests alle derzeit bekannten SARS-CoV-2-Varianten, einschließlich der derzeit dominanten Omikron-BA.5-Variante. Damit scheint den Wissenschaftlern ein Durchbruch gelungen zu sein, denn dieser Antikörper könnte sogar das Potenzial besitzen, auch künftige Varianten zu neutralisieren.
Im Gegensatz zu anderen Antikörpern hemmt SP1-77 nicht per se die Bindung von SARS-CoV-2 an die Wirtszelle und auch nicht die Aufnahme in die Zelle. Stattdessen hemmt SP1-77 einen nachgeschalteten Schritt im SARS-CoV-2-Infektionsprozess, nämlich die Fusion der Virusmembran mit der Membran der Wirtszelle.
»SP1-77 bindet das Spike-Protein an einer Stelle, die bisher in keiner Variante mutiert ist, und es neutralisiert diese Varianten durch einen neuartigen Mechanismus«, erläutert Professor Dr. Tomas Leopold Kirchhausen, einer der Autoren der Arbeit, die Bedeutung der Ergebnisse. Er ergänzt: »Diese Eigenschaften könnten zu seiner breiten und starken Aktivität beitragen«.
Falls sich die Ergebnisse beim Menschen bestätigen lassen, könnten derartige Antikörper nicht nur zu einem besseren Schutz vor Covid-19 führen. Eventuell deutet dieser Antikörper auch an, wie sich Impfstoffe verbessern ließen.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.