Einfache Maßnahmen mit großer Wirkung bei Sodbrennen |
Brigitte M. Gensthaler |
12.10.2021 08:30 Uhr |
Zu viel und zu fett: Sodbrennen kann die Folge sein. / Foto: Adobe Stock/beats_
Sodbrennen, im Englischen Heartburn (»Herzbrennen«) genannt, erleben die Patienten als brennendes Gefühl hinter dem Brustbein oder in der Herzgegend, saures Aufstoßen und Aufsteigen von saurem Mageninhalt (Reflux) bis in den Mund. Schmerzen und Brennen im Oberbauch sind weitere säurebedingte Beschwerden.
Laut einer repräsentativen Umfrage kennen 43 Prozent der Erwachsenen in Deutschland Refluxsymptome; ein Viertel davon ist leicht betroffen. »Aber etwa 18 Prozent haben mindestens einmal pro Woche moderate bis schwere Symptome und gelten daher als refluxkrank«, berichtete Professor Dr. Joachim Labenz, Medizinischer Direktor des Diakonie Klinikums Jung-Stilling in Siegen, bei einer online-Pressekonferenz der Firma Schwabe. »Es ist eine Volkserkrankung.«
Läuft saurer Magensaft in die Speiseröhre zurück, löst dies Beschwerden aus. »Es ist nicht zu viel Magensäure, sondern diese ist am falschen Platz«, erklärte der Arzt. Säure schädige die Schleimhaut der Speiseröhre, könne Nerven reizen und eine Entzündung triggern. »Es gibt aber keine Korrelation zwischen den Symptomen und Schäden in der Speiseröhre.«
Viele Faktoren tragen zu dem saurem Übel bei, erklärte der Gastroenterologe. Daher setze die Therapie auf vielen Ebenen an. Für die Patienten am wichtigsten ist die rasche Symptomkontrolle. Belegt sei der Nutzen einer Gewichtsreduktion bei Übergewichtigen und von Zwerchfelltraining durch Bauchatmung. Schlafen auf einer schiefen Ebene und in Linksseitenlage sowie das Vermeiden von Spätmahlzeiten seien vor allem bei nächtlichen Beschwerden hilfreich. Gestörter Nachtschlaf steigere die Empfindlichkeit der Schleimhaut und dies könne einen Teufelskreis aus Sodbrennen und Schlafstörungen in Gang setzen, warnte Labenz.
Die Ernährungsberaterin und Diätassistentin Simone Krotz gab wichtige Hinweise für die Ernährung. »Oft lässt sich mit einfachen Änderungen der Ess- und Trinkgewohnheiten viel erreichen.« Es gehe nicht um strikte Verbote. Listen von Lebensmitteln oder Stoffen, die bei Sodbrennen angeblich nie mehr gegessen werden dürfen, sollte man als Orientierungshilfe, aber nicht als »Verbotslisten« sehen. Krotz riet, individuelle Auslöser zu erkennen und zu meiden.
Ein paar Tipps: leichte Speisen mit Protein-haltiger Komponente bevorzugen; besser vier als zwei Mahlzeiten über den Tag verteilen; am Abend keine voluminöse Mahlzeit essen und nicht zu viel trinken. Wer an nächtlichem Sodbrennen leidet, sollte zwischen Mahlzeit und Schlafengehen zwei bis vier Stunden Abstand einhalten. Bei den Getränken sollte man statt sprudelndem Mineralwasser eher stilles oder Kohlensäure-armes Wasser trinken; Kaffee nicht auf nüchternen Magen und röststoffarme Sorten wählen. Saftschorle ist besser verträglich und kalorienärmer als reiner Fruchtsaft. Alkohol nur in Maßen und mit Abstand zum Schlafengehen genießen, dabei Weine mit niedrigem Säureanteil wählen.
»Hausmittel muss man ausprobieren.« Den einen helfe es, bei akuten Beschwerden Kaugummi zu kauen oder ein Glas Milch oder Kamillentee lauwarm zu trinken, während andere eine Scheibe Zwieback oder Knäckebrot knabbern. Auch das Kauen von zwei bis drei Mandeln könne Sodbrennen lindern.
Reichen Allgemeinmaßnahmen nicht aus, kommen Medikamente zur Säurebindung oder -hemmung, zur Refluxkontrolle oder zum Schleimhautschutz hinzu. Dazu zählen Antacida wie Aluminium- und Magnesiumhydroxid sowie Calcium-, Magnesium- und Kaliumhydrogencarbonat oder Magaldrat und Hydrotalcid als Schichtgitterantazida. Alginate legen sich als hochvernetztes Gel auf den Mageninhalt und bilden eine physikalische Barriere gegen die Säure. Protonenpumpeninhibitoren (PPI) wie Omeprazol, Pantoprazol und Esomeprazol, dürfen in der Selbstmedikation maximal zwei Wochen lang eingesetzt werden.
Als Präparat mit dualem Ansatz bringe Schwabe ein Medizinprodukt auf den Markt, das Calcium- und Magnesiumcarbonat plus einen Extrakt aus Feigenkaktus enthält (Refluthin®), erklärte Dr. Martin Lehner, Pharmakologe und Leiter der präklinischen Forschung bei dem Pharma-Unternehmen. Die Carbonate könnten sehr rasch mit der Salzsäure des Magens reagieren und diese neutralisieren, während der Extrakt mit Opuntia-Polysacchariden (Opunxia70) mit Wasser eine viskose Gelstruktur ausbilde. Diese lege sich als mukoadhäsiver Film auf die Schleimhaut.
Zubereitungen aus dem Feigenkaktus Opuntia ficus-indica (siehe Kasten) würden traditionell in der sizilianischen Volksmedizin als Schleimhautschutz bei Magenbeschwerden eingesetzt, berichtete Lehner. Der Opuntien-Anbau und die Produktion des Extrakts erfolgten in Sizilien.
Opuntia ficus-indica (L.) Mill. aus der Gattung der Opuntien ist eine gezüchtete Kakteenart, die bis zu 6 Meter hoch wird. »Die meisten Kakteen haben keine Blätter; daher muss der Spross die Fotosynthese übernehmen«, erklärte Dr. Heiko Hentrich, Leiter der Arzneipflanzenkulturen bei DHU-Arzneimittel, in der Pressekonferenz. Die großen, blattartig geformten Sprossen heißen Kladodien. Die eigentlichen Blätter der Opuntien sind zu Dornen ausgeformt. Im dickfleischigen Gewebe der Sukkulenten befindet sich eine schleimige Polysaccharid-haltige Substanz, die Wasser speichert. Der Feigenkaktus ist eine der ältesten Nutzpflanzen aus den Hochebenen Zentral- und Nordamerikas. »Schon vor mindestens 12.000 Jahren haben Menschen die Früchte gegessen, um lange Trockenzeit zu überbrücken.« Die Pflanze wurde domestiziert und auf größere Kladodien, Dornenlosigkeit und süßere Früchte hin gezüchtet. Vermutlich aus der Not heraus aßen die Menschen auch die jungen zarten Sprosse. Diese sind heute noch sehr verbreitet in der mexikanischen Küche und fast ebenso wichtig wie Bohnen und Mais. In der traditionellen Medizin gilt Feigenkaktus als Mittel gegen Diabetes und bei Verdauungsstörungen. Zubereitungen aus den Früchten sollen Brandwunden lindern, Blüten bei Blasenschwäche und zur Libidosteigerung helfen. Auf Opuntien werden Cochenille-Schildläuse gezüchtet, die den roten Farbstoff Karmin produzieren. Die Spanier entdeckten den Farbstoff und exportierten die Pflanzen nach Europa. Seefahrer nutzten sie als Vitamin-C-Lieferant.