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Isolation

Einsamkeit im Alter ist kein unausweichliches Schicksal

Die Kinder längst erwachsen, die Ehe womöglich geschieden, ab der Rente fehlen die Arbeitskollegen... Mit dem Alter kommt die Einsamkeit, hören wir häufig. Doch stimmt das wirklich? Ist Einsamkeit unweigerlich mit dem Älterwerden verknüpft oder lediglich eine Komponente im Leben, die aktiv beeinflusst werden kann?
Carina Steyer
08.04.2021  16:00 Uhr

Spricht man über Einsamkeit, ist es wichtig, zwei Begriffe voneinander zu unterscheiden: Einsamkeit und Alleinsein. Das Alleinsein, von Psychologen als soziale Isolation bezeichnet, ist eine objektive Beobachtung, die unabhängig vom subjektiven Empfinden des Einzelnen gemacht wird. So gilt ein Mensch, der viel Zeit alleine verbringt und wenig mit anderen Personen interagiert, zwar als sozial isoliert, aber er muss dabei nicht einsam sein. Die Zusammensetzung und Intensität sozialer Netzwerke unterscheiden sich von Mensch zu Mensch und hängen in erster Linie von seiner Persönlichkeit ab. Es gibt Menschen, die sich lieber auf eine enge Freundschaft konzentrieren, andere bevorzugen einen großen Kreis aus mehr oder weniger engen Freunden und Bekannten.

Im Gegensatz dazu ist Einsamkeit das zutiefst unangenehme Gefühl, dass die bestehenden sozialen Beziehungen und der Austausch mit anderen Menschen nicht den eigenen Bedürfnissen nach Zugehörigkeit und Geborgenheit entsprechen. Somit können sich auch Menschen, die sozial eingebunden sind, einsam fühlen.

Droht eine »Einsamkeits-Epidemie«?

Immer wieder kommt der Begriff der »Einsamkeits-Epidemie« auf, die unsere heutige Gesellschaft betreffen soll. Besonders im hohen Alter scheint Einsamkeit fast so etwas wie eine garantierte Begleiterscheinung zu sein, die wir als gegeben hinnehmen müssen. Die steigende Zahl von Singles und Kinderlosen könnte im Alter besonders von sozialer Isolation und Einsamkeit bedroht sein, befürchten einige Experten. Doch entspricht das der Wirklichkeit?

Die Daten des Deutschen Alterssurveys (DEAS) deuten nicht darauf hin. Mit ihm wird seit 1996 in bundesweiten repräsentativen Befragungen erhoben, wie sich Lebenssituation und Lebenslauf von Menschen in ihrer zweiten Lebenshälfte (ab 40 Jahren) im Zeitverlauf verändern. Oliver Huxhold und Heribert Engstler vom Deutschen Zentrum für Alterfragen (DZA) haben die Daten hinsichtlich des Risikos für soziale Isolation und Einsamkeit untersucht. Dabei zeigte sich, dass zwar das Isolationsrisiko vom 40. bis zum 90. Lebensjahr kontinuierlich von 4 auf 22 Prozent ansteigt, das Einsamkeitsrisiko aber verläuft U-förmig. Mit 40 Jahren ist es in etwa genauso hoch wie im hohen Alter von 90 Jahren.

Dazwischen sinkt es bis Mitte 60 ab, um danach wieder anzusteigen. Interessant ist zudem, dass das Isolationsrisiko jüngerer Jahrgänge mit dem Älterwerden nicht mehr so stark ansteigt wie bei den älteren Geburtsjahrgängen und das Einsamkeitsrisiko heute weniger stark mit dem Älterwerden verknüpft ist. Auch die Sorge, dass Singles und kinderlose Menschen im Vergleich zu Paaren und Eltern häufiger von sozialer Isolation und Einsamkeit bedroht sein könnten, scheint derzeit unbegründet. Studien des DZA zeigen, dass seit zwei Jahrzehnten der Anteil an Menschen, die nicht nur Kinder und Partner, sondern auch Freunde zu ihren wichtigsten Bezugspersonen zählen, steigt. Freunde werden um Rat gefragt, können Trost spenden und man verbringt Freizeit miteinander. In der Ausprägung von Einsamkeit, Depressivität und Lebenszufriedenheit konnten die Forscher keinen Unterschied zwischen älteren Menschen mit und ohne Kinder nachweisen.

An diesen Ergebnissen scheint auch die Corona-Pandemie bisher nicht viel zu ändern. Ein Team um die Psychologen Dr. Susanne Bücker, Ruhr-Universität Bochum, und Professor Dr. Kai Horstmann, Berliner Humboldt-Universität, erfasst seit März letzten Jahres die persönlichen, sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen von Covid-19 im Rahmen einer Online-Studie. 

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