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Verstopfung 

Engpass Darm

Obstipation ist mehr als nur eine Befindlichkeitsstörung. Bis zu 15 Prozent der Deutschen leiden darunter. Häufig suchen Betroffene zunächst Rat in der Apotheke. Hier gilt es zu klären, ob der Kunde ein Fall für die Selbstmedikation ist und welche Tipps und Wirkstoffe passen.
Birgit Fuchs
07.12.2020  15:45 Uhr

Zur Behandlung von Obstipationsbeschwerden können PTA und Apotheker aus einer Reihe an Präparaten wählen, was die Empfehlung des passenden Mittels häufig erschwert und ein ausführliches Beratungsgespräch voraussetzt. Darin gilt es zunächst herauszufinden, ob tatsächlich eine Verstopfung vorliegt oder der Kunde sich unnötig Sorgen macht. Denn viele Betroffene sind bereits verunsichert, wenn der Stuhlgang nur für einen Tag ausbleibt. Definitionsgemäß liegt eine Obstipation jedoch erst vor, wenn der Stuhlgang seltener als alle zwei bis drei Tage auftritt. Dabei ist der Stuhl zudem häufig hart und lässt sich nur unter starkem Pressen absetzen.

Im Beratungsgespräch sollten PTA und Apotheker außerdem klären, ob eine harmlose akute Verstopfung quält oder ob die Beschwerden im Rahmen einer behandlungsbedürftigen Erkrankung auftreten. Denn eine Obstipation kann auch Folge eines Bandscheibenvorfalls oder Schlaganfalls sein, auf eine Divertikulitis oder gar einen Tumor hinweisen oder verbunden mit Schmerzen und aufgeblähtem Bauch einen Darmverschluss (Ileus) signalisieren. Auch Blut oder Schleim im Stuhl oder ein plötzlicher Gewichtsverlust können auf ernste Erkrankungen hinweisen. Hier sind die Grenzen der Selbstmedikation erreicht und Betroffene sollten umgehend einen Arzt aufsuchen.

Eine harmlose akute Verstopfung beruht meist auf einer Veränderung der Lebensgewohnheiten beispielsweise auf Reisen und werden durch einen ungewohnten Tagesablauf, Flüssigkeitsmangel und ungewohnte Nahrungsmittel oder Gewürze begünstigt.

Dauern die Beschwerden länger als drei Monate an und klagen die Betroffenen über mindestens zwei der Symptome wie

  •  weniger als drei Stuhlgänge pro Woche,
  • starkes Pressen,
  • harter Stuhl,
  • subjektiv unvollständige Entleerung oder
  • manuelle Manöver zur Erleichterung der Defäkation bei mehr als jeder vierten Stuhlentleerung

sprechen Mediziner von einer chronischen Obstipation. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, ebenso Senioren über 60 Jahre, die weniger mobil sind, vermehrt an chronischen Erkrankungen leiden und mehrere Medikamente einnehmen. Da verschiedene Arzneistoffe Verstopfung begünstigen, gehört ein Blick auf den Medikamentenplan unabdingbar zum Beratungsgespräch dazu. Kommt ein Arzneimittel als Auslöser in Frage, kann der Arzt eine Umstellung auf ein anderes Medikament oder eine Dosisanpassung erwägen. Wichtig: Eine chronische Verstopfung ist kein Fall für die Selbstmedikation und gehört zunächst einmal in die Hände eines Arztes. Dieser kann möglichen Ursachen auf den Grund gehen und ernsthafte Erkrankungen ausschließen.

Allgemeinmaßnahmen

Bevor die von Völlegefühl, Blähbauch, Bauchschmerzen und Appetitlosigkeit Geplagten zu Laxanzien greifen, können sie über die drei Stellschrauben Ernährung, Verhalten und Bewegung der Verstopfung entgegenwirken. Eine sinnvolle Ernährungsempfehlung umfasst, täglich etwa zwei Liter (Mineral-)Wasser oder ungesüßten Kräuter- oder Früchtetee zu trinken und Lebensmittel zu bevorzugen, in denen viele Ballaststoffe stecken. Dazu gehören Vollkornteigwaren, Knollengemüse, wie Kartoffeln, Sellerie oder Rote Beete, sowie ausreichend Obst wie Aprikosen, Feigen oder Pflaumen. Auch Dörrobst und Kaffee bringen die Verdauung auf Trab. Ungünstig sind weiße Teigwaren, Karotten, Bananen, Schokolade, Schwarztee und Rotwein.

Verhaltenstherapeutische Ansätze zielen darauf ab, Stress zu reduzieren und sich vom Zwang der täglichen Leerung zu befreien. In der Praxis bedeutet dies, auf einen geregelten Tag-Nacht-Rhythmus sowie regelmäßige Mahlzeiten zu achten und morgens maximal fünf Minuten auf der Toilette zu verbringen. Es kann außerdem hilfreich sein, Zeit für Entspannungsübungen und Darmmassagen einzubauen. Auch Wandern, Laufen oder Gymnastik für die Bauchmuskulatur helfen, die Verdauung in Schwung zu halten.

Leider bringt auch eine konsequente Umstellung der Lebensgewohnheiten nicht immer Erfolg. Dann ist ohne ärztliche Empfehlung zunächst für eine Anwendungsdauer von zwei Wochen ein Laxans indiziert, um die Stuhlentleerung zu beschleunigen und zu erleichtern. Bei bestimmungsgemäßem Gebrauch und ärztlichem Einverständnis ist auch eine längere Anwendung bedenkenlos möglich.

Stufenschema

Die S2k-Leitlinie Chronische Obstipation empfiehlt als erste Therapiestufe zusätzlich zu den genannten Allgemeinmaßnahmen Quell- und Ballaststoffe wie zum Beispiel Weizenkleie, Flohsamenschalen (Plantaginis Ovatae semen) oder Leinsamen (Lini semen). Damit die wirksamen, nicht verdaubaren Polysaccharide quellen können, sind ein- bis dreimal täglich 1 bis 2 Teelöffel mit einem großen Glas Wasser einzunehmen. Auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr von 2 bis 3 Litern ist während der gesamten Einnahmedauer zu achten. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der Darminhalt verklumpt und einen Darmverschluss verursacht. Der mild laxierende Effekt setzt in der Regel nach ein bis zwei Tagen ein.

Gelingt es mit Quellstoffen nicht, die Stuhlfrequenz zu erhöhen und die Konsistenz des Stuhls zu erweichen, kommen bei Verstopfung ohne Entleerungsstörungen in einer zweiten Therapiestufe als Mittel der ersten Wahl Macrogol, Bisacodyl oder Natriumpicosulfat zum Einsatz.

Macrogolhaltige Osmolaxanzien können, aufgelöst in Wasser, unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden. Eine Anwendung über längere Zeit sowie bei Kindern ist problemlos möglich. Mit Wirkung ist bei ein- bis dreimal täglicher Einnahme nach ein bis zwei Tagen zu rechnen. Bisacodyl und Natriumpicosulfat, synthetische Vertreter der antiresorptiv und hydragog wirkenden Abführmittel, vermindern die Natrium- und Wasser-Resorption aus dem Darmlumen, steigern die Wasser-Sekretion in das Darmlumen und stimulieren die Dickdarmmuskulatur. Nach Einnahme der oralen Darreichungsformen wie Dragees oder sehr fein dosierbarer Tropfen am Abend ist die abführende Wirkung nach acht bis zwölf Stunden am nächsten Morgen zu erwarten. Bisacodyl Suppositorien umgehen den enterohepatischen Kreislauf und wirken binnen einer halben Stunde.

Lokale Abhilfe

Als Mittel der zweiten Wahl stuft die Leitlinie Zuckerstoffe wie Lactulose sowie die sogenannten Anthrachinone ein. Bauen Darmbakterien die osmotisch wirksame Lactulose ab, so entstehen Säuren, die zusätzlich die Darmperistaltik erhöhen, aber auch Gase, die Blähungen verursachen können. Anthrachinone sind antiresorptiv und hydragog wirksame Wirkstoffe aus den Extrakten von Aloe, Faulbaumrinde (Frangulae cortex), Sennesblättern (Sennae folium) und -früchten (Sennae fructus) oder Rhabarber-Wurzel (Rhei radix). Die Pflanzeninhaltsstoffe standen lange im Verdacht, kanzerogen zu wirken oder Abhängigkeit zu erzeugen, sind aber heute rehabilitiert. Bei oraler Gabe wirken sie nach acht bis zehn Stunden. Schwangere sollten wegen potenziell gentoxischer Eigenschaften auf Alternativen ausweichen. Ein Hinweis auf eine mögliche harmlose Dunkel- beziehungsweise Rotfärbung des Harns als Begleiterscheinung kann dem Anwender einen Schrecken ersparen.

Bessern sich die Beschwerden nicht zufriedenstellend, kann man innerhalb der nächsten Therapiestufe den Wirkstoff wechseln, ein Quellstoff-Laxans zusätzlich empfehlen und eventuell Suppositorien oder (Mikro-)Klysmen einsetzen. Diese rektalen Arzneimittel sind zur kurzfristigen Anwendung gedacht: CO2-bildende Zäpfchen stimulieren den Defäkationsreflex, Glycerin- und Sorbit-haltige Rektallösungen ziehen Wasser ins Darmlumen und erweichen den Stuhl. Sie wirken schnell binnen 30 bis 60 Minuten und eignen sich für Säuglinge, Kleinkindern und Schwangere. Auch bei Verstopfung aufgrund von Entleerungsstörungen bedingt zum Beispiel durch Hämorrhoiden, Analfissuren oder Schwäche der Bauchpresse können sie empfohlen werden.

Sachgemäße Anwendung

Eine missbräuchliche Anwendung von Abführmitteln, beispielsweise um Körpergewicht zu reduzieren, können empfindliche Störungen des Elektrolythaushaltes unter anderem von Kalium nach sich ziehen. Ein dauerhafter Kalium-Mangel, stört die Darm-Peristaltik, was wiederum Verstopfungen verursachen und in einen Circulus vitiosus müden kann. Auch wenn Diuretika gleichzeitig mit Laxanzien auf dem Medikationsplan stehen, ist der Kalium-Spiegel des Patienten im Auge zu behalten. Werden Laxanzien hingegen bestimmungsgemäß angewendet, das heißt, alle ein bis drei Tage ist eine beschwerdefreie Darmentleerung möglich, ist mit der Einnahme in der Regel kein erhöhtes Risiko verbunden. Der häufig diskutierte Gewöhnungseffekt ist inzwischen widerlegt. Eine dauerhafte Anwendung sollte dennoch nur nach Rücksprache mit dem Arzt erfolgen.

Wirkstoffklasse Einsatzgebiete Beispiele
Quell- und Ballaststoffe
Flohsamen, Flohsamenschalen, Leinsamen, Weizenkleie chronische Obstipation,
1. Wahl in der Schwangerschaft Mucofalk®, Agiocur®, Linusit® Gold Leinsamen
Osmolaxanzien
Macrogol (PEG 3350 bis 4000) chronische Obstipation, Opioid-induzierte Obstipation, möglich in der Schwangerschaft und bei Kindern Movicol®, Laxbene®, Laxofalk®, Kinderlax® elektrolytfrei
Zucker- und Zuckeralkohole wie Lactulose, Lactose, Lactitol, Mannit, Sorbit chronische Obstipation, möglich in der Schwangerschaft und bei Kindern Bifiteral® Sirup, Edelweiss® Milchzucker, Importal®
antiresorptive und hydragoge Darmstimulanzien
Bisacodyl, Natriumpicosulfat akute und chronische Obstipation, bedingt möglich in der Schwangerschaft und bei Kindern Dulcolax®, Laxoberal®
Anthrachinone wie Sennoside akute und chronische Obstipation Midro® Tee, Bekunis® Instant Tee, Neda® Früchtewürfel
rektale Abführmittel
Glycerol, salinische Abführmittel, CO2-Entwickler akute Obstipation, Darmentleerung vor Untersuchungen und Darmeingriffen, möglich bei Säuglingen und (Klein-)Kindern Glycilax®, für Erwachsene und Kinder, Microlax®, Lecicarbon®
Laxanzien in der Selbstmedikation
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