Essen für die Schilddrüse |
Wer seiner Schilddrüse Gutes tun möchte, achtet auf Jod, Selen und Eisen: zu finden in Fisch, Meerestieren, aber auch Milch und Eiern sowie in Fleisch, Pilzen und Getreide. / Foto: Adobe Stock/airborne77
Das schmetterlingsförmige Organ sitzt zwischen Luftröhre und Kehlkopf. Ihre Hauptaufgabe ist, den Körper mit den Schilddrüsenhormonen Trijodthyronin (T3) und Tetrajodthyronin (T4, auch Tyroxin genannt) zu versorgen. Sie haben bei nahezu allen Körperfunktionen ihre Finger im Spiel und entscheidenden Einfluss auf den gesamten Stoffwechsel. So regulieren sie beispielsweise den Energieverbrauch, die Körperwärme, das Herz-Kreislauf-System, die Sexualität und das seelische Wohlbefinden. Bei Kindern beeinflussen sie zusätzlich die körperliche und geistige Entwicklung.
Diese physiologischen Wirkungen werden im Wesentlichen durch das freie T3 ausgelöst. Es ist die aktive Form der Schilddrüsenhormone, dessen biologische Aktivität die des T4 um das Drei- bis Fünffache übertrifft. T4 hingegen wirkt als Prohormon. Gebunden vor allem an das Thyroxinbindende Globulin (TBG) zirkuliert es im Blut. Es hat mit etwa sieben Tagen eine deutlich längere Halbwertszeit als T3 (nur etwa einen Tag) und stellt dadurch ebenso eine Depotform dar. Würde die Schilddrüse abrupt an der Hormonausschüttung gehindert, befände sich nach einer Woche immer noch die Hälfte des T4 im Blut. Extreme Tagesschwankungen wie etwa beim Cortisol bleiben dadurch aus.
Von allein arbeitet die kleine Drüse nicht. Den nötigen Befehl dazu erhält sie direkt vom Gehirn. Dort wird im Hypothalamus das Thyreotropin Releasing Hormon (TRH) gebildet, das wiederum die Hirnanhangdrüse zur Ausschüttung des Thyreotropin Stimulating Hormons (TSH) anregt. Erst, wenn die Schilddrüse eine bestimmte Menge an TSH im Blut registriert, setzen ihre Follikel die T3- und T4-Produktion in Gang und geben die Moleküle anschließend ins Blut ab. Diese Menge wiederum erkennt die Hirnanhangdrüse und drosselt ihre TSH-Produktion. Diese gegenseitige Regulation sorgt für ein konstantes Hormonniveau.
Damit diese Prozesse problemlos ablaufen können, braucht die Schilddrüse allerdings mehr als nur Jod. »Das Spurenelement ist sicher der bekannteste Baustoff, aber nicht der einzige. Die Schilddrüse ist ebenso auf Selen und Eisen angewiesen«, erklärt Astrid Donalies von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Spurenelemente kommen nur in geringer Menge im menschlichen Körper vor. »Das bedeutet aber nicht, dass sie unbedeutend sind – ganz im Gegenteil«, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin.
Etwa 15 bis 20 Milligramm Jod enthält der menschliche Organismus bei ausreichender Versorgung, wovon die Schilddrüse etwa 80 Prozent auf Lager hat. Dazu schleust sie die im Blut zirkulierenden Iodid-Ionen in ihre Follikellumen ein. Dort sitzt an der Zellmembran verankert das Enzym Thyreoperoxidase (TPO). Es enthält in seinem aktiven Zentrum eine Hämgruppe, weshalb seine Aufgaben – die Oxidation des Jodids und seine Anheftung an Tyrosyl-Reste – von einer guten Eisenversorgung abhängen.
Die Schilddrüse produziert vorwiegend T4. Seine Konzentration im Blutplasma beträgt etwa das Vierzigfache der T3-Konzentration, weshalb das Hormon stetig zur Umwandlung in T3 herangezogen wird. Katalysiert wird dieser Schritt von Jod-abspaltenden Enzymen, den Dejodasen; unter anderem in Leber und Niere, die wiederum Selen als Cofaktor brauchen. Das Spurenelement ist außerdem Bestandteil der Glutathionperoxidase (GPx), ein Enzym, das überschüssig gebildetes Wasserstoffperoxid abbaut. Diese reaktive Sauerstoffverbindung ist bei der Jodierung nötig, kann allerdings die Zellen oxidativ schädigen.
Grundlage für eine gesunde und funktionsfähige Schilddrüse ist daher ein kontinuierlicher Vorrat an diesen drei Spurenelementen. Dieser Zusammenhang ist wissenschaftlich gesichert, sodass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit sogar Health Claims für Selen und Jod zugelassen hat. Wichtig zu wissen: Es geht bei diesen Aussagen nur darum, normale Funktionen aufrechtzuerhalten, nicht aber um eine Leistungssteigerung. Präparate dürfen demnach mit den Aussagen »Selen trägt zu einer normalen Schilddrüsenfunktion bei« und »Jod trägt zu einer normalen Produktion von Schilddrüsenhormonen und zu einer normalen Schilddrüsenfunktion bei« beworben werden.
Allerdings liegt die tägliche Jodaufnahme hierzulande durchschnittlich bei nur etwa 100 Mikrogramm, also etwa der Hälfte der von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlenen Tageszufuhr. Ein andauernder Mangel an Jod veranlasst die Schilddrüse, langsam, aber stetig einen Kropf auszubilden. In Deutschland, das als Jod-Mangelgebiet gilt, kommt eine solche Vergrößerung bei 20 bis 35 Prozent der Bevölkerung vor.
Ursache sind jodarme Böden und jodarmes Trinkwasser, weil die jodreiche Humus-Schicht nach der Eiszeit ausgewaschen wurde. Dieses Defizit zieht sich bis heute durch die gesamte Nahrungskette. Durch die seit Mitte der 1980er-Jahre geltende Empfehlung, über die gesamte Wertschöpfungskette von Lebensmitteln hinweg jodiertes Speisesalz zu verwenden, hat sich die Versorgung der Bevölkerung verbessert. Einen Beitrag geleistet hatte auch die Verwendung von jodiertem Tierfutter, das Milch und Milchprodukten angereichert hat. Aktuelle Daten zeigen jedoch, dass die Jodversorgung der Bevölkerung immer noch nicht optimal ist beziehungsweise sogar wieder eine rückläufige Tendenz aufweist.
Auch Selen ist in europäischen Böden knapp. Künftig könnte sich diese Situation sogar noch verschärfen. Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich haben berechnet, dass der Klimawandel bis zum Ende dieses Jahrhunderts auf zwei Drittel der landwirtschaftlich genutzten Flächen zu Selenverlusten von durchschnittlich neun Prozent führen könnte. Bei einem Mangel an Selen ist die Aktivität der Glutathionperoxidase verringert, was mit einem höheren Risiko für Krebserkrankungen in Zusammenhang gebracht wird. Der Zusammenhang ist wissenschaftlich nicht gesichert, ließe sich aber durch die eingeschränkte GPx-Schutzwirkung erklären. Im Gegensatz zur Glutathionperoxidase sind die Dejodasen erst bei sehr ausgeprägtem Selenmangel beeinträchtigt.
Die Versorgung mit Eisen ist in der deutschen Bevölkerung jedoch gut. Risikogruppen für eine Unterversorgung sind lediglich Kinder und Jugendliche in der Wachstumsphase sowie Schwangere und Stillende. Andere Bevölkerungsgruppen nehmen hingegen aufgrund ihrer Fleisch-lastigen Ernährungsweise viel mehr Eisen auf, als für die Bedarfsdeckung notwendig wäre. Ein Mangel an Eisen würde die Aktivität der Thyreoperoxidase beeinträchtigen und somit Schilddrüsenfunktionsstörungen verursachen.
Jod [µg/Tag] | Selen [µg/Tag] Männer | Selen [µg/Tag] Frauen | Eisen [mg/Tag] Männer | Eisen [mg/Tag] Frauen | |
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15 bis unter 19 Jahre | 200 | 70 | 60 | 12 | 15 |
19 bis unter 25 Jahre | 200 | 70 | 60 | 10 | 15 |
25 bis unter 51 Jahre | 200 | 70 | 60 | 10 | 15 |
51 bis unter 65 Jahre | 180 | 70 | 60 | 10 | 10 |
65 Jahre und älter | 180 | 70 | 60 | 10 | 10 |
Schwangere | 230 | – | 60 | – | 30 |
Stillende | 260 | – | 75 | – | 20 |
Trotz dieser ungünstigen Voraussetzungen bei Jod und Selen ist eine ausreichende Versorgung über die Ernährung möglich. Wichtig ist, jodhaltige Lebensmittel bewusst in den Speiseplan zu integrieren. »Die beste Quelle ist Seefisch, der ein- bis zweimal pro Woche auf dem Speiseplan stehen sollte. Je nach Fischsorte und Portionsgröße deckt eine Fischmahlzeit den Jodbedarf für mehr als einen Tag. Auch Milch und Eier sind durch eine entsprechende Fütterung der Tiere eine wichtige Jodquelle geworden«, sagt Astrid Donalies.
Quelle: Bundesinstitut für Risikobewertung
Was Selen betrifft, gilt: Es gibt Pflanzen, die Selen gut anreichern können. Paranüsse, Spargel, Pilze, Hülsenfrüchte sowie Kohlgemüse (Weißkohl, Brokkoli) und Zwiebeln sind dabei von Bedeutung. Doch ist der Gehalt in pflanzlichen Lebensmitteln stark vom Anbaugebiet abhängig. In Europa sind die Böden etwa weniger reich an Selen als in den USA. Tierfutter darf in der Europäischen Union mit Selen angereichert werden, größere Mengen sind daher in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Eiern, Meerestieren und Zuchtfisch zu finden.
Als beste Eisenquelle gilt Fleisch. Aber auch Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und Spinat liefern reichlich Eisen. Allerdings kann es der Körper aus tierischen Lebensmitteln besser verwerten als aus pflanzlichen Lebensmitteln, da diese leicht aufnehmbares zweiwertiges Eisen bieten. Pflanzliche Lebensmittel mit dreiwertigem Eisen sind schlechter bioverfügbar. Hier kann man sich mit einem Trick behelfen: In Kombination mit Vitamin-C-reichen Lebensmitteln wie Orangensaft oder Paprika wird der Nährstoff gut vom Körper aufgenommen, weil Vitamin C das enthaltene dreiwertige zu zweiwertigem Eisen reduziert. In der Praxis bedeutet das: Dem Salatdressing zum Beispiel ein wenig Orangen- oder Zitronensaft zufügen oder Paprikastreifen einschneiden, um dem Eisenspiegel gerecht zu werden. Vegetarier sollten zum Essen ein Glas Fruchtsaft trinken.
Grundsätzlich nimmt der Körper nur einen kleinen Teil des zugefügten Eisens auf. Handelt es sich um Eisen aus tierischen Produkten, beträgt der Wert bis zu 20 Prozent, informiert die DGE. Bei zweiwertigem Eisen würden hingegen nur bis zu 5 Prozent aufgenommen.
Gesunde Menschen können mit ihrer Nahrung Jod nicht überdosieren. Eine bedarfsdeckende Versorgung mit Jod, Selen und Eisen kann die Schilddrüse gesund halten. Bei Mangelerkrankungen müssen die jeweiligen Spurenelemente entsprechend ergänzt werden. Hierbei hat sich besonders deren Kombination als erfolgsversprechend herausgestellt. Studien mit Kindern aus Selenmangelgebieten im ehemaligen Belgisch-Kongo dokumentieren Fälle von Kretinismus, die sich durch eine kombinierte Gabe von Jod und Selen therapieren ließen. Bei Kindern der Republik Elfenbeinküste, einem Gebiet des Jod- und Eisenmangels, war eine Kombination aus Jod und Eisen der alleinigen Substitution mit Jod deutlich überlegen. Ebenso in einer Folgestudie in Marokko, in der die kombinierte Eisen- und Jodsubstitution einen Rückgang an Hypothyreose und Struma sowie ein Anstieg des Thyroxinspiegels im Vergleich zur alleinigen Jodsubstitution verzeichnete.
Doch ein Zuviel kann kontraproduktiv sein. So warnt das BfR vor sehr hohen Jod-Dosen ohne diagnostizierten Mangel und rät deshalb beispielsweise von Seetang und Algen als Zufuhrquelle ab. Ihr Jodgehalt kann so hoch sein, dass Erwachsene schon mit geringen Verzehrmengen von 1 bis 10 Gramm die maximal tolerierbare Aufnahmemenge von 500 Mikrogramm Jod pro Tag deutlich überschreiten. Ein solcher Überschuss kann lebensbedrohliche Auswirkungen haben, wenn es zuvor als Folge eines chronischen Jodmangels besonders bei älteren Menschen zu Knoten in der Schilddrüse gekommen ist. Diese werden durch das plötzliche Überangebot aktiviert und können eine jodinduzierte Schilddrüsenüberfunktion herbeiführen.
Bei einer normal funktionierenden Schilddrüse kann ein dauerhafter Jodüberschuss die Bildung von Schilddrüsenhormonen hemmen. Die Folgen können eine jodinduzierte Schilddrüsenunterfunktion und die Ausbildung eines Kropfes sein. Das ist auch ein Grund, warum Schwangere vor der Einnahme von Jodtabletten ihre Schilddrüse untersuchen lassen sollten. Eine akute Blockade der Jodaufnahme durch die Schilddrüse, Hautreaktionen und Akne bei entsprechend veranlagten Personen, Verschlechterung einer vorbestehenden Hashimoto-Thyreoiditis gehören zu den weiteren möglichen Folgen von zu viel Jod. Zu den Risikogruppen, die bei der Einnahme von Jod vorsichtig sein sollten, zählen auch Menschen mit Morbus Basedow oder einer Schilddrüsenautonomie.