Experten schaffen Fakten |
Isabel Weinert |
30.08.2021 12:00 Uhr |
Der Unterricht der PTA-Schülerinnen und -Schüler wurde wegen der Corona-Pandemie bereits in einigen Bereichen digitalisiert. / Foto: Adobe Stock/andreaobzerova
PTA-Forum: Wie haben die Gremien zusammengearbeitet, um die neuen Lehrpläne zu entwickeln?
Wahlbuhl: Im Oktober letzten Jahres hatte ich alle PTA-Schulen sowie die Mitglieder der AG TuPA per Mail aufgerufen, sich bei der Mitarbeit zur einheitlichen Umsetzung des PTA-Reformgesetzes zu beteiligen um die individuellen Belange aller Schulen zu berücksichtigen und einbeziehen zu können.
Die Resonanz war gut, wenn auch nicht aus jedem Bundesland im gleichen Maße. Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Kolleginnen und Kollegen hinzu, im Februar dieses Jahres ist auch der BVpta dazugestoßen. Es gab also für alle Interessierten die Möglichkeit, sich einzubringen.
PTA-Forum: In welchem Abstand fanden die Treffen statt?
Wahlbuhl: Ich hatte im Januar dieses Jahres jeden Wochentag einen Abend für eines der 16 Fächer vorgesehen und jeweils alle eingeladen, die vorher Interesse bekundet hatten. Alle Treffen haben als Online-Meeting stattgefunden. Am ersten Abend haben wir die groben Ziele festgesteckt. In den anschließenden Sitzungen, die oft in vierwöchigem Abstand stattfanden, haben wir anhand der Vorgaben des PTA-Reformgesetzes die neuen Lehrpläne für jedes Fach separat erstellt. Diese Pläne sind wir dann detailliert durchgegangen. Punkt für Punkt, Spalte für Spalte, Satz für Satz haben wir ausdiskutiert und gemeinsame Formulierungen festgelegt. Der Plan für das Fach »Fachbezogene Mathematik« konnte zügig fertiggestellt werden. Deutlich mehr Zeit nahm die Galenik in Anspruch, dafür brauchten wir neun Sitzungen.
PTA-Forum: Bestand häufig Diskussionsbedarf?
Wahlbuhl: Eindeutig »Ja«. Zu Beginn waren die Ansichten oft sehr unterschiedlich, doch je intensiver wir diskutierten, desto mehr merkten wir, dass wir doch das Gleiche wollten, zum Beispiel bei der Stundenverteilung. Ein Teilnehmer sagte, er bräuchte zur Vermittlung bestimmter Kompetenzen länger, der andere meinte, das könne man sehr schnell abhaken. In der Diskussion stellte sich heraus, dass einige handlungsorientiert unterrichten und dabei in eine Lernsituation mehrere unterschiedliche Aspekte hineinpacken, während andere zur Vermittlung der Lehrinhalte eine bestimmte Zeit ansetzen. Zusammen mit den weiteren Inhalten benötigen dann alle erfahrungsgemäß eine vergleichbare Stundenzahl. Mit der Spalte »Hinweise zum Unterricht« haben wir eine Spalte erstellt, in der die Inhalte stehen, die durchgenommen werden können, wenn man Zeit hat und die dort stehenden Lehrinhalte gerne unterrichten möchte. Diese Inhalte sollten aber nicht verbindlich durchgenommen werden müssen.
PTA-Forum: Können Sie wesentliche Punkte benennen, die sich geändert haben?
Wahlbuhl: Das Fach Apothekenpraxis hat sich total geändert, daraus ist im Wesentlichen »EDV + QMS + Bestimmung von Messwerten + Dokumentation« geworden. Die Inhalte »Kommunikation« und das Führen von Kundengesprächen des bisherigen Fachs »Apothekenpraxis« finden sich zukünftig im Fach »Übungen zur Abgabe und Beratung«. Von daher hat sich hier am meisten verändert. Bei einigen Fächern sind per PTA-Reformgesetz Inhalte entfallen, die wir dennoch zum Teil wiederaufgenommen haben. In der Galenik etwa wurde im PTA-Reformgesetz vorgegeben, dass die Herstellung der Darreichungsformen gemäß Apothekenbetriebsordnung gelehrt wird. So formuliert, fällt jedoch die Herstellung von Tabletten weg, denn Tabletten finden sich nicht in dieser Verordnung. Wir halten es aber für wichtig, dass die Schüler ein Grundwissen über Tabletten, deren Teilbarkeit et cetera erwerben und zwar in dem Fach Galenik. Das erwartet man letztlich. Auch weggefallen ist im Reformgesetz die »Allgemeine Giftkunde«. Hier waren wir der Meinung, es sei wichtig für die Schüler, die Wirkungen der Gifte zu kennen und zu wissen, weshalb sie giftig wirken. So haben wir diese Inhalte wieder inkludiert, allerdings gekürzt.
PTA-Forum: Was ist mit der Digitalisierung?
Wahlbuhl: Die Digitalisierung ist im Prinzip in allen Fächern untergebracht, vorrangig in den EDV-Grundlagen im Fach »Apothekenpraxis« und zur Anwendung im Fach »Übungen zur Abgabe und Beratung«, zudem in weiteren Fächern wie Arzneimittelkunde. Dadurch, dass das ganze letzte Jahr wegen der Corona-Pandemie online unterrichtet werden musste, haben wir schon Vieles im Unterricht auf »digital« umgestellt.
PTA-Forum: Müssen sich die Lehrkräfte stark umstellen oder auch neu dazulernen, um neue oder veränderte Inhalte vermitteln zu können?
Wahlbuhl: Nicht-pharmazeutische Kollegen und Vorgesetze schauen meist ungläubig, wenn wir erwähnen, dass wir eben nicht nur unsere Blätter aus dem Regal holen und unterrichten, sondern dass wir uns regelmäßig vorher versichern, ob die Arzneistoffe noch aktuell verwendet werden und welche neuen Arzneimittel auf dem Markt sind, ob die Pflanzendrogen in der Systematik gleichbleibend eingeordnet oder sogar umbenannt wurden. Wir PTA-Lehrerinnen und -Lehrer müssen also schon jetzt unsere Unterlagen ständig aktualisieren und dazulernen. Von daher wird das keine übermäßig große Umstellung. Jeder, der Pharmazeut ist und sich regelmäßig weiterbildet, kann nach den neuen Plänen unterrichten.
PTA-Forum: Kann man davon ausgehen, dass Ihre Pläne flächendeckend umgesetzt werden?
Wahlbuhl: Ziel unserer Aktion »Lehrplanerstellung« war und ist eine möglichst einheitliche PTA-Ausbildung in ganz Deutschland. Dazu muss man wissen, dass in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Ministerien für die PTA-Ausbildung zuständig sind. Leider gibt es in vielen Bundesländern seitens des zuständigen Amts das Bestreben, die PTA-Ausbildung mit einen Bundesland-typischen Touch zu versehen und die Vorgaben nach eigenen Vorstellungen umzusetzen. Unsere erstellten Lehrpläne haben hierzu Empfehlungscharakter. An den einzelnen Schulen werden die Lehrpläne dennoch ziemlich ähnlich und die Unterrichtsinhalte werden relativ einheitlich, denn letztlich sind wir uns generell alle einig, was unsere Schüler lernen müssen, wie man ihnen die entsprechenden Kompetenzen vermitteln kann und auch, wie viel Zeit man dafür in etwa braucht. Auf welche Weise man das schafft, hängt ohnehin auch stark von den Schülern einer Klasse ab.
PTA-Forum: Was ist für Sie der größte Fortschritt aus der Zusammenarbeit?
Wahlbuhl: Der größte Erfolg ist, dass nicht nur das Ziel einer bundesweit einheitlichen Lehrplanerstellung zügig bewältigt wurde, sondern dass darüber hinaus so viele Kolleginnen und Kollegen sich engagiert eingebracht haben und wir bei den Sitzungen wirklich eine kollegial sehr gute Stimmung hatten. So stellten viele fest, dass man schulübergreifend sehr gut zusammenarbeiten kann. Allerdings ist noch nicht alle Arbeit geschafft.
PTA-Forum: Was fehlt noch?
Wahlbuhl: Bisher haben wir uns mit der Umsetzung des Reformgesetzes bezüglich der Ausbildung beschäftigt. Diskussionsbedarf besteht noch bei der Prüfung. Denn die Ausbildung hat sich stundenmäßig in einigen Fächern sehr verschoben, ebenso gab es inhaltliche Änderungen. Doch die Anforderungen an die Prüfungen wurden im Reformgesetz fast unverändert übernommen. Da hat sich keiner hingesetzt und sich die Mühe gemacht, die Gewichtung der Examensfächer anzuschauen. Darüber wollen wir auf der Jahresstagung der DPhG-AG TuPA im November dieses Jahres in Ellwangen diskutieren. Neben pädagogischer Fortbildung und der AG-Mitgliederversammlung gibt es Gelegenheit für Diskussionen zum Reformgesetz zur einheitlichen Examensdurchführung in den PTA-Schulen. Das Niveau muss selbstverständlich bleiben, aber die Schülerinnen und Schüler dürfen nicht mit Aufgabenstellungen konfrontiert werden, die im Unterricht zuvor nicht thematisiert werden konnten.
Diskussionsbedarf besteht auch bei den Vornoten. In der Ausbildung- und Prüfungsverordnung ist zwar festgelegt, in welchem Anteil sie einberechnet werden müssen. Aber die genaue Ermittlung der Vornoten kann sehr unterschiedlich erfolgen. Das Einbeziehen der Vornoten sollte ebenfalls in allen Schulen möglichst einheitlich umgesetzt werden. Das sind die nächsten Baustellen, die wir – möglicherweise auch wieder im großen Plenum – bis zum nächsten Frühjahr bearbeiten wollen.
Fachbezeichnung | Stundenumfang bisher* | Stundenanzahl ab 2023* | bedeutende inhaltliche Veränderungen |
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Grundlagen des Gesundheitswesens, pharmazeutische Berufs- und Gesetzeskunde | 80 | 120 | Hinzugekommen sind die Fachterminologie (bisher im Fach Apothekenpraxis) und Inhalte wie die grundlegenden Strukturen des Gesundheitswesens, Leistungen der Krankenkassen und Wirtschaftlichkeitsgebot sowie sozialrechtliche Vorschriften und Vereinbarungen für Arzneimittel und Medizinprodukte |
Galenik | 140 | 160 | Hinzugekommen sind patientenindividuelles Stellen und Verblistern |
Galenische Übungen | 500 | 480 | Herzustellen sind (nur noch) die in der Apothekenbetriebsordnung § 4 Abs. 7 aufgeführten Darreichungsformen |
Allgemeine und pharmazeutische Chemie | 200 | 160 | stark reduziert auf die erforderlichen theoretischen Grundlagen der anorganischen und organische Chemie sowie der pharm. Analytik |
Chemisch-pharmazeutische Übungen | 480 | 280 | Reinheitsprüfungen und Gehaltsbestimmungen/Titrationen können nur noch exemplarisch durchgeführt werden, stark reduziert auf Identitätsprüfungen, zunehmende Bedeutung der Bedienung der benötigten Geräte, der Dokumentation und Auswertung einschließlich Berücksichtigung möglicher Fehlerquellen |
Physikalische Gerätekunde | 40 | kein eigenes Fach mehr, in die Fächer Galenische Übungen und Chemisch-pharm. Übungen integriert | |
Botanik, Drogenkunde und Phytopharmaka | 100 | 120 | Zusätzlich zur medizinischen Verwendung der Drogen und Drogenzubereitungen soll auch zu gebräuchlichen Handelspräparaten beraten sowie deren Einsatz beurteilt werden |
Übungen zur Drogenkunde | 120 | 80 | reduziert auf die Identifizierung und Prüfung gebräuchlicher Arzneidrogen |
Fachbezogene Mathematik | 80 | 80 | |
Gefahrstoff- und Umweltschutzkunde | 80 | 60 | Der Pflanzenschutz fällt weg, drei Schwerpunkte sind Arbeitsschutz, Gefahrstoffabgabe und -kennzeichnung sowie Wirkung und Eigenschaften von Gefahrstoffen, wobei die allgemeine Giftkunde gekürzt werden muss |
Arzneimittelkunde, einschließlich Information und Beratung sowie Nutzung digitaler Technologien | 280 | 320 | (verstärkte) Nutzung digitaler Medien |
Medizinproduktekunde, einschließlich Information und Beratung sowie Nutzung digitaler Technologien | 60 | 60 | (verstärkte) Nutzung digitaler Medien |
Übungen zur Abgabe und Beratung sowie Nutzung digitaler Technologien | 200 | »neues« Fach, aber mit den Inhalten des bisherigen Fachs »Apothekenpraxis« zur Kommunikation im Beratungsgespräch: Schwerpunkte sind die Grundlagen der Kommunikation sowie jeweils mit Nutzung digitaler Technologien die Abgabe und Beratung in der Selbstmedikation, Abgabe und Beratung zur Rezeptbelieferung und die Abgabe von Medizinprodukten | |
Ernährungslehre und Diätetik | 40 | 40 | |
Körperpflegekunde | 40 | 40 | |
Apothekenpraxis, einschließlich Qualitätsmanagement und Nutzung digitaler Technologien | 120 | 160 | im »Apothekenpraxis« genannten Fach nun andere Inhalte, die sich in vier Blöcke unterteilen lassen: Grundlagen der Apotheken-EDV, QMS, Dokumentation in der Apotheke sowie Messungen und Bestimmungen physiologischer Parameter mit zugehöriger Beratung (bisher im Fach Chemisch-pharmazeutisch Übungen als »Bestimmung von Körperflüssigkeiten«) |
Verfügungsstunden für ergänzende Lehrangebote der Schule | 240 | 240 | neues Fach – allerdings Bundesland-abhängig feste Vorgaben in unterschiedlichem Umfang für die (bisherigen) allgemeinbildenden Fächer Deutsch, Englisch, Politik/WiSo, Religion, auch individuelle Vorgaben u.a. für Lernfelder oder Lernsituationen. Vorschläge gibt es für den Beginn der Ausbildung für die Verbesserung der Methodenkompetenz, dann für Kommunikationstechniken über die Kundenberatung hinaus sowie zu Inhalten der praktischen Berufskunde |
Summe | 2600 | 2600 |