Fertigprodukte in der Rezeptur |
Juliane Brüggen |
19.09.2022 15:00 Uhr |
Oft ist Recherchearbeit gefragt, wenn auf dem Rezept eine Rezepturformel mit Fertigprodukten steht. / Foto: ABDA
Fertigprodukte haben durchaus ihren Platz in der Rezeptur. »Das hat verschiedene Gründe«, erklärte Christian Diaz Flores, Apotheker beim DAC/NRF: So seien nicht alle Stoffe als Rezeptursubstanz erhältlich und für Kinder fehle es oft an Fertigarzneimitteln mit passender Dosierung. Auch die Kombination mehrerer Wirkstoffe oder die für den Arzt einfachere Verordnung könnten den Einsatz eines Fertigprodukts begründen.
»Es steht nirgendwo, dass man ein Fertigprodukt nicht verwenden darf«, betonte Dr. Stefanie Melhorn, Apothekerin beim DAC/NRF – entscheidend sei nicht der Produktstatus, sondern die Qualität. Diese wird in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen thematisiert. »Ziel ist es, ein sicheres Arzneimittel für den Patienten zu erhalten, das die gleichen Sicherheitsstandards wie ein Fertigarzneimittel hat«, erläuterte die Apothekerin. Übergeordnet ist eine Europarat-Resolution aus dem Jahr 2011, die für harmonisierte Regeln in Europa sorgen soll. Details zu den Qualitätsanforderungen enthält die Monographie »Pharmazeutische Zubereitungen« des Europäischen Arzneibuchs.
Nationale Regelungen finden sich unter anderem in § 55 des Arzneimittelgesetzes. Demnach müssen Stoffe zur Herstellung von Arzneimitteln den »anerkannten pharmazeutischen Regeln« entsprechen. Damit gemeint sei das Arzneibuch, erklärte Melhorn. »Auch in der Apothekenbetriebsordnung finden wir den Qualitätsbegriff« – hier in den §§ 6 und 11. Die Regularien brauche es, weil Rezepturarzneimittel von der Zulassung befreit sind. »Das bedeutet, wir müssen eine gründliche Risikobeurteilung machen, um Qualität und Sicherheit zu gewährleisten. Wir kennen das unter dem Begriff Plausibilitätsprüfung«, erklärte die Apothekerin.
Zu den in der Rezeptur verwendeten Fertigprodukten gehören Fertigarzneimittel, Medizinprodukte und Kosmetika. »Nicht zu vergessen sind außerdem die Zwischenprodukte«, betonte Diaz Flores – etwa Rezepturkonzentrate oder Grundlagen wie die Basiscreme DAC. Für jede Produktart gebe es eigene Regeln, um für die Rezepturherstellung infrage zu kommen, sagte Melhorn und stellte die jeweiligen Anforderungen vor (siehe Tabelle). Prüfzertifikate und Prüfvorschriften sollten Apotheken beim Hersteller anfordern und darauf achten, dass sich die Prüfungen am Arzneibuch orientieren.
Produktart | Prüfzertifikat erforderlich? | Identität prüfen? | Qualitative Deklaration der Inhaltsstoffe auf dem Etikett? | Sonstiges |
---|---|---|---|---|
Fertigarzneimittel | Nein | Nein | Nein | Qualität zulassungsbedingt garantiert |
Zwischenprodukte | Ja | Ja | Ja* | Beispiele: Fertige Grundlagen wie Basiscreme DAC, Rezepturkonzentrate |
Medizinprodukte | Ja | Ja | Ja | Rechtlich von Arzneimitteln abzugrenzen, nicht zwangsläufig pharmazeutische Qualität |
Kosmetika | Ja | Ja | Ja | Können im »dual use« als Zwischenprodukt und kosmetisches Mittel im Handel sein |
Auf dem Zertifikat müsse bescheinigt sein, dass der Stoff oder das Produkt der pharmazeutischen Qualität entspricht, führte Diaz Flores aus. Pflicht sind ihm zufolge auch Prüf- und Verfalldatum und eine übereinstimmende Chargen-Bezeichnung auf Gefäß und Prüfzertifikat. Auch sollte der Bezug auf eine Monographie und die allgemeinen Vorschriften des Arzneibuchs ersichtlich sein. »Das ist natürlich ein schwieriger Punkt bei Kosmetika und Medizinprodukten«, unterstrich der Apotheker. »Da haben wir oft keine Monographie.« Nicht zuletzt müssten die Unterschrift einer qualifizierten Person und die Lagerbedingungen auf dem Zertifikat zu finden sein.
Diaz Flores gab Tipps, wie PTA und Apotheker ein nicht valides Prüfzertifikat erkennen können. Es lohne sich, beim Spezifikationsteil des Zertifikats genauer hinzuschauen. Denn hier sollten die Prüfparameter (zum Beispiel pH-Wert), die jeweils angewendete Methode (zum Beispiel Ph. Eur. 2.2.3), die Spezifikation (Grenzwerte) und das Ergebnis stehen. Fehlen Angaben – sind beispielsweise keine Grenzwerte genannt – oder liegt eine unbekannte, zum Beispiel herstellerinterne, Prüfvorschrift zugrunde, könne die Qualität in der Apotheke nicht bewertet werden. Beim Hinweis auf die GMP-konforme Herstellung »liegt der Fehler oft im Detail«, warnte der Apotheker: Ein GMP-Nachweis nach Kosmetikverordnung (GMP Regulation (EC) No. 1223/2009) sei für pharmazeutische Zwecke nicht ausreichend.
Ist die Qualität nicht sichergestellt, darf das Produkt nicht verwendet werden. »Im Gespräch mit dem Arzt gibt man besten Alternativen an«, empfahl Diaz Flores, zum Beispiel eine standardisierte Rezepturvorschrift aus dem NRF, eine passende offizinelle Grundlage beziehungsweise selbst hergestellte Arzneiträger wie Suspensions-Grundlagen oder ein anderes Fertigarzneimittel.