Gentherapie für Hämophilie B auf dem Markt |
Sven Siebenand |
09.05.2023 16:00 Uhr |
Menschen mit Hämophilie neigen zu Blutergüssen, auch wenn das auslösende Ereignis nur ganz schwach war. / Foto: Adobe Stock/Martin Sandera 2017
Die Hämophilie B ist deutlich seltener als die Hämophilie A. Man geht von knapp 800 Betroffenen in Deutschland aus. Während es bei Hämophilie A an Aktivität des Blutgerinnungsfaktors VIII mangelt, fehlt bei Hämophilie B der Faktor IX. Bei beiden Erkrankungen ist das Blutungsrisiko deutlich erhöht und beide werden X-chromosomal vererbt, das heißt, die Betroffenen sind in der Regel männlichen Geschlechts. Im Rahmen einer Substitutionsbehandlung erhalten Hämophilie-B-Patienten regelmäßig Faktor-IX-Präparate.
Nun gibt es eine erste Gentherapie: Etranacogen Dezaparvovec ist für die Behandlung von Erwachsenen mit schwerer oder mittelschwerer Hämophilie B zugelassen, wenn in der Vorgeschichte keine Inhibitoren gegen Faktor IX aufgetreten sind. Etranacogen Dezaparvovec basiert auf einem Virus, das Kopien eines Gens enthält, welches für die Bildung von Faktor IX verantwortlich ist. Erhält der Patient das Virus, trägt es das Faktor-IX-Gen in die Leberzellen, wodurch diese den fehlenden Faktor IX bilden und dadurch Blutungsepisoden begrenzen können.
Wer es ganz genau wissen will: Es handelt sich um das Adeno-assoziierte Virus des Serotyps 5 (AAV5). Dieser virale Vektor trägt die natürliche Padua-Genvariante des Faktors IX, die für ein FIX-Protein kodiert, das fünf- bis achtfach aktiver ist als der normale Wildtyp. Studiendaten zeigen, dass dank der Gentherapie die jährliche Blutungsrate reduziert werden kann und viele Patienten bis zu zwei Jahre nach der Infusion keine Faktor-IX-Ersatztherapie mehr benötigen. Etranacogen Dezaparvovec wird einmalig als intravenöse Infusion angewendet. Die empfohlene Dosis ist eine Einzeldosis von 2 x 1013 Vekorgenome pro kg Körpergewicht.
Tabu ist die Gentherapie, wenn eine aktive Infektion besteht und bei Patienten mit bekannter fortgeschrittener Leberfibrose oder -zirrhose. Sehr häufig beobachtete Nebenwirkungen von Hemgenix sind Kopfschmerzen, erhöhte Konzentrationen bestimmter Leberenzyme, grippeähnliche Erkrankungen sowie infusionsbedingte Reaktionen. Die Patienten sollten daher insbesondere auf unerwünschte Infusionsreaktionen und Leberenzymerhöhungen im Blut überwacht werden.