Gesund isst bunt |
Bunte Auswahl: Wer zu farbenfrohem Obst und Gemüse greift, profitiert von den Effekten der sekundären Pflanzenstoffe. / Foto: Adobe Stock/inna klim/EyeEm
Von der Bezeichnung »sekundär« sollte man sich nicht täuschen lassen. Im Gegensatz zum Primärstoffwechsel, der den Pflanzen zum Wachstum und zur Energiezufuhr dient, hat der Sekundärstoffwechsel die Aufgabe, Lock- und Abwehrstoffe zu bilden. Dem Menschen liefern SPS im Gegensatz zu Makronährstoffen keine Kalorien. Sie sind auch nicht wie Vitamine oder Mineralstoffe essenziell. Wissenschaftler gehen inzwischen davon aus, dass die in den Randschichten oder der Schale anzutreffenden Substanzen keinesfalls Inhaltsstoffe zweiter Klasse, sondern für die gesundheitsfördernde Wirkung von Gemüse und Obst mitverantwortlich sind. Ihre Bioverfügbarkeit unterscheidet sich dabei stark und hängt sowohl von der Zubereitungsart (roh, erhitzt, zerkleinert) als auch von anderen Nahrungsbestandteilen ab.
SPS kommen in Gemischen von mehreren Hundert Substanzen vor – Gemüse bringt mehr mit als Obst (Tomaten enthalten circa 350 SPS). Einige Verbindungen werden allerdings erst nach dem mikrobiellen Umbau durch unsere Dickdarmbakterien bioaktiv. Mischköstler nehmen etwa 1,5 g täglich zu sich, Vegetarier deutlich mehr. Zufuhrempfehlungen für SPS gibt es bislang keine.
Wer mit wachen Sinnen über den Wochenmarkt schlendert, kann die vielen in der Nahrung vorkommenden sekundären Pflanzenstoffe sehen, riechen und mitunter auch schmecken. Carotinoide leuchten uns aus Karotte, Tomate, Kürbis und Aprikose entgegen, während sie sich in grünem Blattgemüse unter dem Chlorophyll verstecken. Wer also Obst und Gemüse in allen Regenbogenfarben isst, dazu etwas Butter oder gutes Pflanzenöl, versorgt sich bestens mit diesen Stoffen.
Betacarotin kann aus zerkleinerten, mit wenig Wasser gedünsteten Karotten optimal resorbiert werden; die Zellwände quellen auf und geben so ihre Inhaltstoffe frei. Rohesser sollten junge, zarte Möhren den großen, oft holzigen Exemplaren vorziehen. Durch Erhitzen von Tomaten wird das in ihnen enthaltene Lycopin ebenfalls besser aufgenommen. Gegen Dosentomaten und Tomatenmark ist also an diesem Punkt nichts einzuwenden. Anders sieht das aber bei Betacarotin-Supplementen aus: Diese erhöhen vor allem bei Rauchern, aber auch bei Nichtrauchern das Krebsrisiko. Mit der Nahrung zugeführt schützten Carotinoide in Studien dagegen vor Krebskrankheiten, metabolischem Syndrom und Gefäßveränderungen.
Besonders umfangreich ist die Großfamilie der Polyphenole. Über ungeschält gegarte Kartoffeln nehmen wir Phenolsäuren zu uns, im morgendlichen Kaffee trinken wir sie mit. Wer grünen Tee oder Kakao bevorzugt, versorgt sich mit Catechinen, die wie viele andere Polyphenole zur Untergruppe der Flavonoide mit mehr als 6500 Vertretern gehören. Lagern Catechine sich zu zweit oder dritt zusammen, bilden sich oligomere Proanthocyanidine (OPC). Sie sind in Beeren, Äpfeln samt Gehäuse, Tee, Schokolade sowie Traubenkernen und in der Schale roter Trauben zu finden.
Sekundäre Pflanzenstoffe | Vorkommen (Beispiele) | Bedeutung für die Pflanze | Mögliche Wirkung (Tier- und in-vitro-Versuche) | Diskutierte Wirkung beim Menschen (epidemiologische Studien) |
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Carotinoide | Rote, gelbe, grüne Obst- und Gemüsesorten | Farbstoffe | antioxidativimmunmodulierendentzündungshemmend | reduziertes Risiko für Herz-Kreislauf-, bestimmte Krebs-, altersbedingte Augenerkrankungen |
Flavonoide | Äpfel, Trauben, Beeren, NüsseZwiebeln, Kohl, Auberginengrüner Tee | Farbstoffe | antioxidativblutdrucksenkendantithrombotischantibiotischentzündungshemmendimmunmodulierendpos. Einfluss auf kognitive Fähigkeiten | verringertes Risiko für bestimmte Krebs-, Herz-Kreislauf-Erkrankungen |
Monoterpene | Zitrusfrüchte, GewürzpflanzenIngwer | Duft-/Aromastoffe | cholesterolsenkendantikanzerogen | |
Glukosinolate | Kohlgewächse, Kresse, Rettich, Senf | Abwehrstoffe gegen Fraßfeinde und Pathogene | antioxidativantibiotischantiviralantimykotischimmunmodulierend | verringertes Risiko für bestimmte Krebsarten |
Sulfide | ZwiebelgewächseKohlgewächse | Duft-/Aromastoffe | cholesterolsenkendantithrombotischblutdrucksenkendantibiotischantiviralantimykotischantioxidativ | verringertes Risiko für bestimmte Krebs-, Herz-Kreislauf-Erkrankungen |
Phytosterole | Nüsse, Samen, Hülsenfrüchte | MembranbaustoffePflanzenhormone ähnlich dem Cholesterol | cholesterolsenkend | Senkung des CholesterolspiegelsZusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen |
Protease-Inhibitoren | Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide, Nüsse, Kartoffeln | Hemmung des Eiweißabbaus | entzündungshemmend | verringertes Risiko für bestimmte Krebsarten |
Saponine | Hülsenfrüchte, Soja, Spargel, Spinat, Hafer | Bitterstoffe | antikanzerogenantibiotischantimykotischcholesterolsenkend | |
Phytoöstrogene | Soja, Leinsamen, Vollkorngetreide | Pflanzenhormone, ähnlich dem weiblichen Estrogen | antioxidativimmunmodulierend | protektive Wirkung hinsichtlich Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Knochendichte, klimakterischen Beschwerdenverbessern Blutgefäßfunktion, Blutdruck |
Phenolsäure | Kaffee, Tee, Nüsse, Roggen, Kartoffeln | Abwehrstoffe gegen Fraßfeinde | antioxidativ | verringertes Risiko für bestimmte Krebsarten |