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Sekundäre Pflanzenstoffe

Gesund isst bunt

Die umfangreiche Farbpalette der sekundären Pflanzenstoffe (SPS) sollte am besten täglich auf den Teller kommen. Erkenntnisse zu den Effekten der SPS stammen bislang zwar vorwiegend aus Studien mit Zellkulturen oder Tieren, dennoch ist der häufige Verzehr pflanzlicher Nahrung empfehlenswert, um ihr Potenzial optimal auszuschöpfen.
Cornelia Höhn
16.08.2022  16:00 Uhr

Von der Bezeichnung »sekundär« sollte man sich nicht täuschen lassen. Im Gegensatz zum Primärstoffwechsel, der den Pflanzen zum Wachstum und zur Energiezufuhr dient, hat der Sekundärstoffwechsel die Aufgabe, Lock- und Abwehrstoffe zu bilden. Dem Menschen liefern SPS im Gegensatz zu Makronährstoffen keine Kalorien. Sie sind auch nicht wie Vitamine oder Mineralstoffe essenziell. Wissenschaftler gehen inzwischen davon aus, dass die in den Randschichten oder der Schale anzutreffenden Substanzen keinesfalls Inhaltsstoffe zweiter Klasse, sondern für die gesundheitsfördernde Wirkung von Gemüse und Obst mitverantwortlich sind. Ihre Bioverfügbarkeit unterscheidet sich dabei stark und hängt sowohl von der Zubereitungsart (roh, erhitzt, zerkleinert) als auch von anderen Nahrungsbestandteilen ab.

SPS kommen in Gemischen von mehreren Hundert Substanzen vor – Gemüse bringt mehr mit als Obst (Tomaten enthalten circa 350 SPS). Einige Verbindungen werden allerdings erst nach dem mikrobiellen Umbau durch unsere Dickdarmbakterien bioaktiv. Mischköstler nehmen etwa 1,5 g täglich zu sich, Vegetarier deutlich mehr. Zufuhrempfehlungen für SPS gibt es bislang keine.

Wer mit wachen Sinnen über den Wochenmarkt schlendert, kann die vielen in der Nahrung vorkommenden sekundären Pflanzenstoffe sehen, riechen und mitunter auch schmecken. Carotinoide leuchten uns aus Karotte, Tomate, Kürbis und Aprikose entgegen, während sie sich in grünem Blattgemüse unter dem Chlorophyll verstecken. Wer also Obst und Gemüse in allen Regenbogenfarben isst, dazu etwas Butter oder gutes Pflanzenöl, versorgt sich bestens mit diesen Stoffen.

Erhitzen setzt Carotinoide frei

Betacarotin kann aus zerkleinerten, mit wenig Wasser gedünsteten Karotten optimal resorbiert werden; die Zellwände quellen auf und geben so ihre Inhaltstoffe frei. Rohesser sollten junge, zarte Möhren den großen, oft holzigen Exemplaren vorziehen. Durch Erhitzen von Tomaten wird das in ihnen enthaltene Lycopin ebenfalls besser aufgenommen. Gegen Dosentomaten und Tomatenmark ist also an diesem Punkt nichts einzuwenden. Anders sieht das aber bei Betacarotin-Supplementen aus: Diese erhöhen vor allem bei Rauchern, aber auch bei Nichtrauchern das Krebsrisiko. Mit der Nahrung zugeführt schützten Carotinoide in Studien dagegen vor Krebskrankheiten, metabolischem Syndrom und Gefäßveränderungen.

Besonders umfangreich ist die Großfamilie der Polyphenole. Über ungeschält gegarte Kartoffeln nehmen wir Phenolsäuren zu uns, im morgendlichen Kaffee trinken wir sie mit. Wer grünen Tee oder Kakao bevorzugt, versorgt sich mit Catechinen, die wie viele andere Polyphenole zur Untergruppe der Flavonoide mit mehr als 6500 Vertretern gehören. Lagern Catechine sich zu zweit oder dritt zusammen, bilden sich oligomere Proanthocyanidine (OPC). Sie sind in Beeren, Äpfeln samt Gehäuse, Tee, Schokolade sowie Traubenkernen und in der Schale roter Trauben zu finden.

Sekundäre Pflanzenstoffe Vorkommen (Beispiele) Bedeutung für die Pflanze Mögliche Wirkung (Tier- und in-vitro-Versuche) Diskutierte Wirkung beim Menschen (epidemiologische Studien)
Carotinoide Rote, gelbe, grüne Obst- und Gemüsesorten Farbstoffe antioxidativ
immunmodulierend
entzündungshemmend
reduziertes Risiko für Herz-Kreislauf-, bestimmte Krebs-, altersbedingte Augenerkrankungen
Flavonoide Äpfel, Trauben, Beeren, Nüsse
Zwiebeln, Kohl, Auberginen
grüner Tee
Farbstoffe antioxidativ
blutdrucksenkend
antithrombotisch
antibiotisch
entzündungshemmend
immunmodulierend
pos. Einfluss auf kognitive Fähigkeiten
verringertes Risiko für bestimmte Krebs-, Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Monoterpene Zitrusfrüchte, Gewürzpflanzen
Ingwer
Duft-/Aromastoffe cholesterolsenkend
antikanzerogen
Glukosinolate Kohlgewächse, Kresse, Rettich, Senf Abwehrstoffe gegen Fraßfeinde und Pathogene antioxidativ
antibiotisch
antiviral
antimykotisch
immunmodulierend
verringertes Risiko für bestimmte Krebsarten
Sulfide Zwiebelgewächse
Kohlgewächse
Duft-/Aromastoffe cholesterolsenkend
antithrombotisch
blutdrucksenkend
antibiotisch
antiviral
antimykotisch
antioxidativ
verringertes Risiko für bestimmte Krebs-, Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Phytosterole Nüsse, Samen, Hülsenfrüchte Membranbaustoffe
Pflanzenhormone ähnlich dem Cholesterol
cholesterolsenkend Senkung des Cholesterolspiegels
Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Protease-Inhibitoren Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide, Nüsse, Kartoffeln Hemmung des Eiweißabbaus entzündungshemmend verringertes Risiko für bestimmte Krebsarten
Saponine Hülsenfrüchte, Soja, Spargel, Spinat, Hafer Bitterstoffe antikanzerogen
antibiotisch
antimykotisch
cholesterolsenkend
Phytoöstrogene Soja, Leinsamen, Vollkorngetreide Pflanzenhormone, ähnlich dem weiblichen Estrogen antioxidativ
immunmodulierend
protektive Wirkung hinsichtlich Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Knochendichte, klimakterischen Beschwerden
verbessern Blutgefäßfunktion, Blutdruck
Phenolsäure Kaffee, Tee, Nüsse, Roggen, Kartoffeln Abwehrstoffe gegen Fraßfeinde antioxidativ verringertes Risiko für bestimmte Krebsarten
Sekundäre Pflanzenstoffe und ihre potenziellen Wirkungen

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