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Genug Impfstoff eingeplant

Grippeimpfung in der Pandemie

Politiker und teilweise Fachgesellschaften raten auch Menschen ohne Risiken, sich in dieser Grippesaison impfen zu lassen, um nicht zum Beispiel zeitgleich an Influenza und Covid-19 zu erkranken, was theoretisch möglich ist. Wie ist es vor diesem Hintergrund um die verfügbaren Impfstoffdosen bestellt? PTA-Forum sprach mit Klaus Cichutek, dem Präsidenten des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI).
Isabel Weinert
24.09.2020  16:00 Uhr

PTA-Forum: Rechnen Sie in diesem Jahr mit einer erhöhten Nachfrage nach dem Grippeimpfstoff aufgrund der Pandemie?

Cichutek: Insgesamt erwartet das Paul-Ehrlich-Institut eine erhöhte Nachfrage und für die kommende Impfstoffsaison werden circa 26 Millionen Dosen an Grippeimpfstoff für Deutschland zur Verfügung stehen. Das sind rund fünf Millionen mehr als im Vorjahr. Diese Einschätzung basiert auf den Erfahrungen aus den vorhergegangen Grippesaisons und den Informationen seitens der Hersteller zu geplanten Impfstoffmengen für Deutschland für die Grippesaison 2020/21 sowie den Angaben des Bundesgesundheitsministeriums über zusätzlich bestellte Influenza-Impfstoffdosen.

PTA-Forum: Müssen die von der STIKO genannten Risikogruppen in diesem Jahr befürchten, womöglich keinen Impfstoff mehr zu bekommen?

Cichutek: In keinem der letzten Jahre wurden die jeweils verfügbaren Impfstoffgesamtmengen in der entsprechenden Saison vollständig verbraucht. Betrachten Sie dazu beispielsweise die Angaben im Arzneimittel-Atlas für die Jahre 2007 bis 2018 (im Vergleich zu der Grafik unter der oben angegebenen Adresse für die letzten drei Jahre). Weitere Informationen zur Anzahl verimpfter Dosen beziehungsweise zu den Impfquoten liegen dem Paul-Ehrlich-Institut nicht vor.

Sollten die 26 Millionen Impfstoffdosen wider Erwarten nicht ausreichen, könnte das Bundesgesundheitsministerium im Bedarfsfall einen Versorgungsmangel nach § 79 Absatz 5 des Arzneimittelgesetzes (AMG) feststellen und die Beschaffung weiterer Dosen aus dem Ausland ermöglichen.

PTA-Forum: Wie viele der freigegebenen Impfdosen wurden in den letzten Jahren tatsächlich auch verimpft?

Cichutek: Erfahrungsgemäß werden in Deutschland weniger Influenza-Impfstoffdosen verimpft als vom Paul-Ehrlich-Institut geprüft und für den Markt freigegeben werden. So wurden laut Arzneimittelatlas in den Jahren 2016 bis 2018 im Durchschnitt 12,65 Millionen Impfstoffdosen verbraucht. Das PEI hatte im vergleichbaren Zeitraum im Durchschnitt 16,5 Millionen Impfstoffdosen freigegeben, also rechnerisch jedes Jahr fast 4 Millionen mehr als tatsächlich genutzt.

PTA-Forum: Müsste man den Begriff »Risikogruppen« neu definieren, weil bestimmte Gruppen durch Covid-19 stärker gefährdet sind und die Gefahr noch größer ist, wenn beide Infektionen bei einem Menschen zusammenkommen?

Cichutek: Sowohl bei der saisonalen Influenza als auch bei Covid-19 handelt es sich um ernsthafte Erkrankungen, denen aber Infektionen verschiedener Erreger zugrunde liegen und die daher unterschiedliche Therapien benötigen. Noch gibt es keinen in Deutschland oder der EU zugelassenen Impfstoff gegen SARS-CoV-2. Vor dem Hintergrund der aktuellen Pandemie hat die Ständige Impfkommission (STIKO) ihre bisherigen Empfehlungen bezüglich der Grippe-Impfung geprüft und am 6. August dieses Jahres bestätigt. Der gesamtgesellschaftlich größte Gesundheitsnutzen in Deutschland wird dann erzielt, wenn sich die von der STIKO definierten Risikogruppen (unter anderem Seniorinnen und Senioren ab 60 Jahren, medizinisches Personal und Schwangere) gegen Influenza impfen lassen.

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