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Mimik eingeschränkt

Gut beraten trotz Maske

Masken verdecken einen großen Teil des Gesichtes und schränken die Wahrnehmung von Emotionen erheblich ein. Trotzdem kann eine gute Beratung gelingen. Die Kommunikationsexpertinnen Ariane Willikonsky und Anne-Marie Lohr geben Tipps zur Umsetzung.
Carina Steyer
01.02.2021  09:00 Uhr

Ein Großteil der menschlichen Kommunikation läuft unbewusst und nonverbal ab. Gestik, Mimik, Körperbewegung und Tonlage bestimmen im Wesentlichen, wie ein Gespräch verläuft. Lediglich 19 Prozent der Informationen entnehmen wir dem tatsächlich Gesagten, hat eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach gezeigt.

Eine Schlüsselfunktion beim Kommunizieren und Wahrnehmen von Emotionen hat der Mund. Wie sehr das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes diesen Prozess beeinflusst, haben Wahrnehmungspsychologen der Universität Bamberg untersucht. Professor Dr. Claus-Christian Carbon und sein Team zeigten 41 Probanden zwölf verschiedene Gesichter mit sechs emotionalen Ausdrücken (wütend, angewidert, ängstlich, glücklich, neutral, traurig), die sie bewerten sollten. »Wenn Gesichter mit Masken bedeckt waren, wurde das emotionale Lesen der Studienteilnehmer stark beeinträchtigt. Die Teilnehmenden erkannten Emotionen weniger genau und vertrauten ihrer eigenen Einschätzung seltener. Spannend in diesem Zusammenhang ist vor allem, dass es zu charakteristischen Fehlinterpretationen von einzelnen Emotionen kam«, erläutert Carbon in einer Pressemitteilung zur Studie. Beispielsweise schätzten Teilnehmer einen deutlich angewiderten Gesichtsausdruck mit Maske als wütend ein. Glück, Trauer und Wut hingegen bewerteten sie als neutral.

Kommunikationsbarriere

Doch es sind nicht immer nur die Fehlinterpretationen von Emotionen, die die Kommunikation mit Maske erschweren. In Deutschland leben 16 Millionen Menschen mit einer Hörbehinderung. 3,5 Millionen tragen ein Hörgerät oder Cochlea-Implantat, für 200.000 ist die Gebärdensprache Erstsprache. Für sie spielen Mimik und Lippenlesen eine wesentliche Rolle in der Kommunikation, sowohl mit Hörenden als auch in der Gebärdensprache. Fällt beides durch die Maske weg, ist Alltagskommunikation nur noch schwer bis gar nicht mehr möglich.

Abhilfe können Masken mit Sichtfenster schaffen. Sie lassen den Blick auf die Mimik des Mundbereiches zu und ermöglichen das Lippenlesen. Die Modelle sind mit herausnehmbaren Folien ausgestattet, die desinfiziert werden können, der Stoff kann gewaschen werden. Auch wenn der Deutsche Gehörlosenbund e.V. die Masken nur unter Vorbehalt empfiehlt, da die Sichtfenster schnell beschlagen und das Lippenlesen sehr anstrengend sein kann, findet sich auf der Website eine Übersicht mit Anbietern entsprechender Masken. Als Alternative raten die Experten, auf die schriftliche Kommunikation mit Stift und Papier auszuweichen oder Spracherkennungs-Apps einzusetzen.

Neben der Maske reduzieren auch die Plexiglasscheiben auf HV-Tisch oder Tresen die Verständlichkeit. Sie schlucken den Schall so stark, dass Hörbehinderte und ältere Menschen das Gesagte nicht mehr verstehen. Judith Nothdurft, Expertin für die Kommunikation mit Hörbehinderten und Gehörlosen, rät zu mobilen Ringschleifenverstärkern, die das Gesprochene direkt auf das Hörgerät des Kunden übertragen. Alternativ haben Kunden die Möglichkeit, über den Hörer des Verstärkers dem Gespräch zu folgen.

Ist das Gesicht durch die Maske weitgehend verdeckt, ist es schwerer, Vertrauen aufzubauen. In Mexiko-Stadt hat die Nichtregierungsorganisation Confianza e Impulso Ciudadano die Fotos von Ärzten und Pflegern auf Aufkleber gedruckt, damit diese sie auf ihrer Schutzkleidung tragen. So soll der Mensch hinter der Maske wieder sichtbar werden.

Welche Möglichkeiten man mit der Stimme hat, erläutern Ariane Willikonsky, Rhetorik- und Kommunikationstrainerin am FON-Institut in Stuttgart, und Anne-Marie Lohr, Stimm- und Hochdeutschtrainerin aus Augsburg, im nachfolgenden Interview.

PTA-Forum: Durch die Maske ist das Lesen von Emotionen deutlich erschwert. Das verunsichert und kann gerade bei sensiblen Beratungsthemen in der Apotheke zum Problem werden. Was können PTA und Apotheker im Beratungsgespräch tun, um dennoch einfühlsam zu beraten?

Willikonsky: Wichtig ist ein intensiver, freundlicher Blickkontakt, denn auch die Augen können lächeln. Unterstreichen kann man Zuwendung mit freundlichen Worten, die mit einer weichen Stimme vorgetragen werden. Da die Maske Resonanz schluckt und die Verständlichkeit reduziert, ist es wichtig, mit einer etwas erhöhten Lautstärke und sehr klar zu sprechen.

Lohr: Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig, dass sich die Menschen mehr denn je über ihre eigene Mimik bewusst sind. Da man beim Tragen der Maske nonverbal nur mit Augen und Stirn sprechen kann, lohnt sich ein Blick in den Spiegel. Emotionen betrachten, Grimassen ziehen und dabei auch mal völlig ausflippen. So erhalte ich durch mein Spiegelbild einerseits die Rückmeldung, bei welchem Ausdruck ich mich wohl und authentisch fühle, und andererseits erfahre ich, wie es in der Außenwahrnehmung ankommen kann. Ein skeptisches Stirnrunzeln oder fragend die Augenbrauen nach oben ziehen, sind mimische Verstärker in der Kommunikation mit Maske, die nicht fehlen sollten. Auch die Stimmgebung ist keinesfalls zu unterschätzen. Eine warme, weiche Stimme wirkt beruhigend und kann emotional schwierige Beratungssituationen entkrampfen. Ebenso muss man sensibler in seiner eigenen Wortwahl sein, vor allem diejenigen, die den Inhalt ihrer Worte früher gerne durch ein Lächeln entschärft haben, welches durch die Maske aktuell nicht sichtbar ist.

PTA-Forum: Welche Tipps gibt es umgekehrt, um den Gesichtsausdruck eines Kunden richtig zu deuten und Missverständnissen vorzubeugen?

Willikonsky: Konzentrieren Sie sich auf das Zusammenspiel zwischen Körpersprache und Stimme. Anspannungen sind ganz körperlich sichtbar und hörbar. Weiche Gestik und weiche Stimmeinsätze sind ein Zeichen dafür, dass Ihr Kunde sich bei Ihnen wohl fühlt.

Lohr: Klare Fragen und klare Antworten sind hier von großer Wichtigkeit. Durch den Stimmklang können wir gut zwischen den Zeilen lesen. Eine zittrige Stimme steht zum Beispiel für Unsicherheit, ein fehlender Blickkontakt sogar für Unehrlichkeit. Suchen Sie daher immer den Blickkontakt Ihres Gegenübers. Das schafft Verbindung und Nähe, was ein absoluter Eisbrecher in der Kommunikation ist, vor allem mit Maske.

PTA-Forum: Da bei Sehbehinderten der Seheindruck komplett entfällt und die Maske die Verständlichkeit reduziert, sind sie darauf angewiesen, dass ihr Gegenüber besonders klar und deutlich spricht. Worauf müssen Apothekenmitarbeiter achten, damit die Sprache klar klingt? Gibt es vielleicht kleine Übungen, mit denen das besser gelingt?

Willikonsky: Wichtig ist, auf eine große Kieferöffnung und auf eine klare Bildung der Konsonanten zu achten. Des Weiteren bringt der Einsatz von Gestik und Mimik Rhythmus und Kraft in die Sprache, der selbst wenn der Kunde nicht sehen kann, die Verständlichkeit erhöht.

Lohr: Eine klare Aussprache erhält man über eine gute Formung der Sprachlaute. So ist es unter anderem wichtig, dass beim Sprechen des Buchstaben A ein Zahnreihenabstand von einer Daumenbreite genutzt wird. Sie können das beispielsweise beim lauten Sprechen des Satzes »Frau von Hagen, darf ich wagen, Sie zu fragen, welchen Kragen Sie getragen als sie lagen, krank am Magen, im Spital zu Kopenhagen, ohne Klagen, ohne Zagen, ohne nur ein Wort zu sagen?« üben. Achtet man dabei auf eine große Mundöffnung beim Sprechen, ergibt sich neben der besseren Verständlichkeit ein weiterer Pluspunkt: Man spricht unbewusst lauter und resonanter. Wenn Sie beim Sprechen mit den Lippen häufiger an die Maske stoßen, sind Sie schon mal richtig. Denn gut ausgeformte Sprachlaute nach vorne begünstigen eine tragfähige Stimme und machen die Aussprache deutlicher.

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