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»Der Mensch ist eine Uhr«

Gut schlafen, gesünder Leben

Nicht nur Lärm, Hetze und Stress durch den generell zunehmenden Leistungs- und Termindruck, auch übermäßiger Medienkonsum durch Laptop, Handy, Tablet & Co lassen den Menschen nachts nicht mehr zur Ruhe kommen. Schlafforscher schlagen Alarm.
Christiane Berg
22.11.2019  16:30 Uhr

»Der zunehmende Schlafmangel macht uns alle krank«, so Professor Dr. Ingo Fietze, Leiter des Interdisziplinären schlafmedizinischen Zentrums der Charité Berlin. Der Autor des Buches »Die übermüdete Gesellschaft« warnt vor gravierenden Folgen. Ob Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, eine erhöhte Infektneigung, Adipositas oder auch Insulinresistenz und Diabetes mellitus: Schlafdefizite und Schlafstörungen können nicht nur mit gesundheitlichen Risiken für den Einzelnen einhergehen. Sie stellen  auch eine Gefahr für die Allgemeinheit dar. Denn bei einem Großteil der schweren Verkehrs-, Arbeits- oder Haushaltsunfälle spiele Übermüdung eine entscheidende Rolle. »Unter dem Heer von Unausgeschlafenen befinden sich Piloten und Fluglotsen, Berufskraftfahrer, Lehrer, Polizisten, Krankenschwestern und Ärzte, die zum Teil auch Schichtarbeit leisten müssen und täglich Gefahr laufen, grobe Fehler zu begehen, falsche Entscheidungen zu treffen oder schwere Schäden zu verursachen«, so Fietze.

Er spricht von einem »besorgniserregenden Befund für unsere ganze Gesellschaft« mit teils »dramatischen Dimensionen«. Fatal sei, dass die Zahl der Betroffenen immer größer wird. Nicht zufällig habe die Weltgesundheitsorganisation WHO Schlafmangel als eine der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts definiert.

Zu viel Druck

Sozialer Stress, Doppelbelastung durch Familie und Beruf, Lärm- und Lichtverschmutzung, Schichtarbeit und Arbeitsverdichtung seien gesellschaftliche Faktoren, die der Einzelne meist nicht beeinflussen kann. Hier seien Arbeitgeber, Gewerkschaften und verantwortliche Gesundheitspolitiker gefragt. Nur sie könnten die notwendigen Rahmenbedingungen für grundlegende gesellschaftliche Veränderungen schaffen. Der einzelne Mensch habe jedoch die Chance, an seinen individuellen Verhaltensmustern zu arbeiten, so der Mediziner. Er verweist nicht nur auf schlechte Schlafhygiene-Maßnahmen, falsche Ernährung oder mangelnde Bewegung als Ursache von Schlafstörungen , sondern auch  auf den übermäßigen abendlichen Medienkonsums durch Handy, Tablet & Co. als Ursache von Schlafstörungen.

In diesem Zusammenhang sei es fatal, dass die Notwendigkeit des ausreichenden Schlafes allgemein als unbedeutend abgetan wird. Mehr als kontraproduktiv sei auch, dass sich Manager und Politiker noch immer mit der Fähigkeit brüsten, nur wenig Schlaf zu brauchen. »Der nimmermüde Macher, dem ein paar Stunden Schlaf genügen, taugt nicht als Vorbild«, konstatiert der Spezialist für Schlafmedizin. Gleichermaßen irreführend sei, dass die sogenannte Selbstoptimierungsindustrie den Schlaf als Faktor entdeckt hat, den es zu monetisieren gilt. Meistens, so Fietze, würden diese Produkte, die einen gesunden Schlaf versprechen, nichts taugen. Im Gegenteil: Sie üben noch mehr Druck auf all jene aus, die nicht ausreichend und gut schlafen können. Dieser Druck verstärke das Problem womöglich noch.

Es gäbe zwar Menschen, die das sogenannte »Kurzschläfer-Gen« besitzen und schon nach fünf bis sechs Stunden ausgeruht sind. Das sei aber die Ausnahme von der Regel. Durchschnittlich sei eine Schlafdauer von sieben bis acht Stunden notwendig, wobei sich die Schlafmuster bei Kindern und Erwachsenen, Frauen und Männern sowie alten und jungen Leuten »nicht in ein normiertes Korsett zwingen« ließen, sondern durchaus spezifische Unterschiede zeigen können. So oder so: Es muss sehr viel mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden, damit dem Schlaf im Bewusstsein der Menschen wieder der Stellenwert zukommt, den er besitzt, so Fietze.

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