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Gesunde Ernährung

Heimisches Superfood macht Exoten Konkurrenz

Die Euphorie um exotische Superfoods wie Goji- und Acai-Beeren oder Chiasamen ist ungebremst groß. Dabei wachsen auch hierzulade viele Gesundheitsbomben, manche auch direkt vor der Haustüre. Löwenzahn, Aroniabeeren, Leinsamen, Hafer und Co. reichen mit ihren wertvollen Mikronährstoffen den exotischen Konkurrenten locker das Wasser.
Andrea Pütz
28.05.2021  15:30 Uhr

Der Markt für sogenannte Superfoods aus fernen Ländern hat sich in den vergangenen Jahren dynamisch entwickelt. Es handelt sich um keinen geschützten Begriff; insofern gibt es auch keine speziellen Kriterien, die ein Superfood erfüllen muss. Der Begriff ist eher geprägt vom Lebensmittelmarketing. So werden die Kandidaten vor allem in Blogs zum Thema Gesundheit und Ernährung sehr kreativ beworben: Sie sollen Power verleihen, den Stoffwechsel ankurbeln, vor Alzheimer und Herzinfarkt schützen, Stress reduzieren und Anti-Aging-Wirkungen besitzen – ganz abgesehen vom »superleckeren«, teils exotischen Geschmack. Darum nehmen viele Menschen auch die höheren Preise in Kauf. Für derartige Werbeaussagen fehlt in den meisten Fällen jedoch die wissenschaftliche Grundlage.

Unter einem Superfood versteht man – unabhängig von seiner Herkunft – ein besonders gesundes, nährstoffreiches Nahrungsmittel. Diesbezüglich stehen aber auch viele Nahrungsmittel von den Wiesen, Bäumen, Sträuchern und Äckern Deutschlands den Exoten in nichts nach. Wer Superfoods naturbelassen und aus biologischem Anbau bevorzugt, der kann dies bei regionalen Lebensmitteln zudem besser nachvollziehen. Wer die heimischen Superfoods kennt, kann seinen Speiseplan gesundheitlich wie kulinarisch aufwerten – und dass, ohne Geld für überteuerte Produkte auszugeben.

Bekömmlicher Hafer

Schon die traditionelle Klostermedizin wusste um die heilkundlichen Kräfte spezieller Lebensmittel, die dort kultiviert wurden. Dort war es vor allem Hildegard von Bingen (1098–1179), die sich beispielsweise den Getreidearten hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Wirkungen widmete. Für sie bereitete die »beglückende Speise aus Hafer einen frohen Sinn und klaren Verstand« sowie eine »gute Farbe und gesundes Fleisch«. Auch Pfarrer Sebastian Kneipp (1821–1897) schätzte im 19. Jahrhundert den Hafer für eine gesunde Ernährung sowie Haferstrohbäder und Haferstrohtee bei Gicht, Gries (Steinchen) und Nierenleiden. 2017 wurde Hafer vom Studienkreis »Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde« der Universität Würzburg zur Arzneipflanze des Jahres gekürt.

Aktuelle wissenschaftliche Studien zeigen: Hafer trägt dazu bei, erhöhte Cholesterol- und Blutzuckerwerte zu senken. Neben einem hohen Anteil an B-Vitaminen, Magnesium, Zink und anderen Nährstoffen liefert Hafer sehr viele Ballaststoffe – die sogenannten Beta-Glucane. 100 Gramm Haferflocken enthalten etwa 4,5 Gramm Beta-Glucane, in der Haferkleie sind es sogar über 8 Gramm pro 100 Gramm. Das bekommt nicht nur der Darmflora als wichtigstem Teil des Immunsystems. Sie binden auch Gallensäuren im Verdauungstrakt und fördern deren Ausscheidung. In der Folge greift der Körper auf das körpereigene Cholesterol zurück, um neue Gallensäuren zu bilden. Das senkt bei regelmäßigem Verzehr den Gesamt- sowie den LDL-Cholesterinspiegel und schützt die Blutgefäße vor schädlichen Ablagerungen.

Die Ballaststoffe verhindern auch starke Anstiege des Blutzuckerspiegels, denn sie verzögern die Nährstoffaufnahme. Dadurch wird weniger Insulin benötigt. Bereits vor 100 Jahren wurden deshalb Hafertage für Patienten mit Diabetes Typ 2 eingeführt. Heute ist bekannt: Zwei Hafertage pro Monat, an denen die Ernährung hauptsächlich auf Hafer basiert, helfen, den Insulinbedarf für eine gewisse Zeit um ein Drittel zu senken. Das genaue Vorgehen sollten Diabetiker vorab mit dem Arzt besprechen.

Lein- und Chiasamen

Er ist klein, aber oho: Der Samen von Lein (Flachs) gilt hierzulande als regionale Alternative zu dem exotischeren Chiasamen aus Südamerika. Die Zusammensetzung der wertvollen Nährstoffe beider Samen ist vergleichbar: So liegen beispielsweise die Anteile an Proteinen, Antioxidanzien, B-Vitaminen, Omega-3-Fettsäuren und Ballaststoffen in etwa gleich auf. Bei den Lignanen, die zu den Pflanzenhormonen zählen, liegt Leinsamen deutlich vor dem Exoten.

Leinsamen ist als altbewährtes Hausmittel gegen Verstopfung bekannt. Er unterstützt aber auch die Gehirnfunktion und schützt die Blutgefäße, da er eine positive Wirkung auf die Blutfettwerte und den Cholesterinspiegel hat. Der heimische Leinsamen schont auch den Geldbeutel, denn für Chiasamen in Bio-Qualität muss man zwei- bis dreimal so tief ins Portemonnaie greifen.

In direktem Vergleich zu dem im Trend liegenden Chiasamen ist aber natürlich auch der persönliche Geschmack, das Mundgefühl und die Verarbeitung in der Küche ausschlaggebend. Beide Samen schmecken leicht nussig, wobei Leinsamen deutlich mehr Biss hat. Chiasamen erhält durch das Quellen mit Flüssigkeit eine weiche, geleeartige Konsistenz, denn die Polysaccharid-Schicht liegt dort im Mantel. Dadurch gelingen auch Puddings und Gelees mit dem ganzen Samen. Wer aber nicht gerade einen veganen und gesunden Pudding zaubern möchte, der kann auch mit dem günstigeren Leinsamen seine Ernährung gesundheitlich aufpeppen: etwa in einem Müsli gemeinsam mit Naturjoghurt, Hafer, frischen Früchten und Walnüssen als Topping – eine wahre Gesundheitsbombe!

Harte Schale, gesunder Kern

Auch sie gelten als Superfood – vielleicht sogar vom Baum im Garten oder Bauernhof nebenan. Die »Königin der Nüsse« ist ebenfalls eine Mikronährstoff-Bombe und liefert neben Tryptophan zudem wertvolle einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren, Magnesium, B-Vitamine, Kalium oder Zink.

Eine Handvoll Walnüsse kann einen als gesunder Snack aus dem Energietief am Nachmittag holen, die Konzentration verbessern und die Stimmung steigern. Viele Menschen vertrauen auch vor dem Einschlafen (etwa eine Stunde vorher) auf Walnüsse als Abendsnack. Eine Handvoll Walnüsse lassen den Melatonin-Blutspiegel um etwa das Dreifache ansteigen und bereiten so ein sanftes Ruhekissen.

Löwenzahn als Stoffwechselkurbel

Neben den Blättern und Wurzeln haben auch die strahlend-gelben Blüten und die Blütenknospen des Löwenzahns nicht nur optisch, sondern auch kulinarisch wie gesundheitlich einiges zu bieten. Unter den Wildkräuter belegt die Pflanze, die uns schon zu Kinderzeiten als Pusteblume erfreut hat, einen Spitzenplatz in Sachen Provitamin A. Auch Vitamin C, K, Mineralstoffe sowie bioaktive Pflanzenstoffe wie Bitterstoffe oder Flavonoide werden kostenfrei mitgeliefert. Löwenzahn wirkt antioxidativ, appetitanregend, erleichtert die Verdauung und regt die Stoffwechselfunktionen insgesamt an.

Die Blüten schmecken leicht süßlich und steigern allein durch ihre sonnengelbe Optik die Stimmung. Sie eignen sich als gesunde Dekoration auf Salaten oder in Kräuterbutter, aber auch auf Obstsalat, Desserts, Kuchen, Sirup, Marmeladen, Gelees oder als Löwenzahnhonig – als Honigersatz für alle, die auf Bienenhonig verzichten. Vor dem Verzehr werden die Zungenblüten durch eine Drehbewegung vom grünen Kelch entfernt, der leicht bitter schmeckt. Geschlossene Blütenknospen sind eine besondere Delikatesse.

Jetzt ist Blüte- und somit Erntezeit bis Juni und ein zweites Mal im Spätsommer. In diesem Zeitraum ist Löwenzahn kaum zu verwechseln mit anderen Wildkräutern. Alle ähnlichen gelben Korbblütler haben verzweigte Blütenstängel. Aber Vorsicht: Die Stängel enthalten einen Milchsaft, der Taraxacin enthält. In größeren Mengen verzehrt oder auf der Haut kann er zu Problemen führen.

Beeren-stark

Wer braucht schon Acai- und Goji-Beeren, wenn er Heidelbeeren, Himbeeren, Aronia oder Sanddorn in der Nähe hat? Bei Superfood-Beeren denken die meisten Menschen sicher an Acai- und Maqui-Beeren aus Südamerika oder Goji-Beeren und Schisandra aus Asien. Die Zusammensetzungen zwischen den Exoten und heimischen Beeren sind aufgrund der klimatischen Unterschiede zwar anders. Laut Experten wie Professor Dr. Bernhard Watzl vom Max-Rubner-Institut sind sie aber hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Wirkungen durchaus vergleichbar. Somit kann auch die heimische, bunte Beerenvielfalt helfen, die Gesundheit zu stärken. Allen gemein ist, dass sie Vitamin-C-Bomben sind und viele antioxidative Pflanzenstoffe wie Carotinoide, Polyphenole und Ellagsäure liefern. Das macht sie zu natürlichen, kostengünstigen und nachhaltig wirkenden Healthy-Aging-Mitteln, um es neudeutsch zu formulieren.

Vor allem die dunklen Beeren wie Heidel- oder Blaubeeren sind gesundheitliche Multitalente. Neben wertvollen Vitaminen und Mineralstoffen sind sie reich an Anthocyanen, Gerbstoffen und Ballaststoffen. Heidelbeeren sind als altes Hausmittel bei Durchfall bekannt, helfen, Blasenentzündungen vorzubeugen, da die enthaltenen Wirkstoffe den Bakterien das Anheften an die Schleimhäute schwermachen. Sie drücken leicht den Cholesterinspiegel, weshalb ihnen eine gefäßstärkende Wirkkomponente zugesprochen wird. Die enthaltenen Anthocyane und Lutein stärken zudem die Augennetzhaut. Das Nachtsehen beim Autofahren wird ebenso verbessert wie das Risiko für altersbedingte Makuladegeneration und ein Ablösen der Netzhaut. Fans der blauen Beere können sogar ihr Krebsrisiko mindern; diesen Effekt schreibt man vor allem der enthaltenen Ellagsäure zu.

Die auch als Apfelbeere oder Schwarze Eberesche bekannte Aroniabeere kommt wie eine zu groß geratene Heidelbeere daher. Sie stammt ursprünglich aus Nordamerika, ist aber mittlerweile auch in Deutschland beheimatet. Aroniabeeren enthalten laut Krebsinformationsdienst noch mehr Anthocyane (349,8 mg) pro 100 Gramm als Blaubeeren (163,3 mg). Auch ihnen wird eine immunstärkende und krebspräventive Wirkung zugeschrieben. Zudem soll der Verzehr von Aronia-Produkten die Fettstoffwechselwerte positiv beeinflussen können.

Durch den säuerlich-herben Geschmack der rohen Aroniabeere zieht sich alles im Mund zusammen. Beim Einfrieren verlieren sie ihren herben Geschmack. Aroniabeeren findet man beispielsweise im Reformhaus als Direktsaft, Marmelade, Tee oder getrocknet als Zutat zum Kochen und Backen. Der Aroniastrauch ist pflegeleicht und anspruchslos, sodass er auch im Garten oder auf dem Balkon gepflanzt werden kann. Die Früchte reifen etwa Ende August aus. Dann sollte schnell geerntet und weiterverarbeitet werden, denn sie sind auch bei Vögeln beliebt.

Auch viele weitere Beeren wie Himbeeren, Johannisbeeren oder Sanddorn (»Zitrone des Nordens«) zählen zu den heimischen Superfoods. Sie bereichern den gesunden Speiseplan ebenso wie Gemüsesorten wie Brokkoli, rote Paprika oder Kräuter.

Die Werbung suggeriert immer wieder, dass eine Handvoll exotischer Superfoods reiche, um gesund zu bleiben oder gar noch leistungsfähiger zu werden. Körper und Geist benötigen aber viel mehr: Die Gesamtheit der Ernährung muss stimmen – nicht die Fixierung auf einzelne Lebensmittel! Wer sich wirklich gesund ernähren möchte, der kann auf die traditionelle Mittelmeerkost setzen und dabei dann auch die hier heimischen Superfoods in ihrem saisonalen und bunten Angebot integrieren.

Hering, der Unscheinbare

Lachs, Makrele, Thunfisch: Das sind alles ohne Frage gesunde Seefische. Doch hierzulande punktet der Hering, der sich quasi vor der Haustür in Nord- und Ostsee tummelt. Als großes Plus der fettreichen Fische gelten die Omega-3-Fettsäuren. Sie spielen eine wichtige Rolle für Wachstum und Entwicklung des Gehirns, verbessern die Fließeigenschaften des Blutes und beeinflussen die Abwehrfunktion des Körpers positiv. Laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) senkt regelmäßiger Fischverzehr das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Fettstoffwechselstörungen. Die DGE empfiehlt deshalb ein bis zwei Portionen Fisch pro Woche, davon 70 Gramm fettreichen Seefisch wie Lachs, Makrele oder Hering. Letzteren gibt es in großer Auswahl: Matjes, Rollmops, Brathering, frisch als grüner Hering oder als Fischkonserve.

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