Hilfe bei Urinverlust |
Spezielle physiotherapeutische Übungen helfen, die muskuläre Reaktionsfähigkeit zu verbessern, um feuchte Malheure noch abzuwenden. / Foto: Adobe Stock/freshidea
Eine junge Mutter legt seufzend ihre Rezepte über einen »Ringpessar« und eine Estrogencreme vor. Diagnose: Belastungsinkontinenz. Als solche wird Urinverlust unter körperlicher Belastung bezeichnet, ohne dass zuvor Harndrang auftritt. »Das geht vielen Frauen kurz nach der Geburt so«, tröstet vielleicht, isoliert aber auch. Denn darüber spricht niemand. Urininkontinenz ist noch immer ein Tabu, obwohl hierzulande Millionen Menschen darunter leiden. Schuld daran sind etwa Schwangerschaft oder vergrößerte Prostata sowie neurologische Krankheiten oder Arzneimittelnebenwirkungen.
Zum Verständnis hilft zunächst etwas Anatomie: Die Blase ist ein elastischer Hohlraum. Hauptbestandteil seiner Wand bildet ein glatter Muskel namens Musculus detrusor vesicae. Er relaxiert mit steigender Urinmenge und signalisiert ab einer gewissen Füllung Harndrang. Durch ihren Ruhetonus halten ein innerer und äußerer Sphinkter diesem Druck normalerweise mit Unterstützung des Beckenbodens stand. Soll sich die Blase entleeren, kontrahiert der Detrusor und gleichzeitig erschlafft der innere Sphinkter. Damit der Urin fließen kann, muss auch der äußere Harnröhrenschließmuskel loslassen. Dieser wird übrigens willentlich gesteuert und zählt zum Beckenboden. Ja, sogar Männer haben einen! Aber Achtung: Das gezielte Urinstrahl-Stoppen steuert zwar genau diesen Muskel an. Der »Test« dient jedoch keinesfalls als Training, sondern löst Blasenentleerungsstörungen aus, wenn er zu oft gemacht wird.
Klappt dieses komplexe Zusammenspiel nicht perfekt, entsteht Inkontinenz. Vor allem im Alter spielen oft mehrere Faktoren zusammen. Für die Diagnose schließt der Arzt üblicherweise einen Harnwegsinfekt aus und befragt den Patienten. Je nach Beschwerden kommen neben Miktionstagebuch und einer klinischen Untersuchung zum Beispiel Ultraschall oder urodynamische Messungen zum Einsatz. Denn hinter ähnlichen Symptomen können verschiedene Probleme stecken, die unterschiedlich therapiert werden. Im Apothekenalltag hilft es, die häufigsten Formen wie Belastungsinkontinenz, Reizblase und Überlaufblase zu kennen.