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Ohne Beleg

Hilft Vitamin D doch nicht bei Corona?

Mit dem «Sonnenhormon» Vitamin D Corona bekämpfen – das klingt verlockend. Für die Wirksamkeit einer solchen Vitamin-Gabe gibt es aus Sicht von Experten jedoch keine Beweise.
dpa
10.02.2021  12:00 Uhr

Im Internet machen Empfehlungen für die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten die Runde – aktuell auch begründet mit Hinweisen, eine Infektion mit Covid-19 oder ein schwerer Verlauf der Erkrankung könnten damit verhindert werden. Fakt ist jedoch, dass eine eindeutige Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen dem Vitamin-D-Spiegel und einem erhöhten Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion oder einen schweren Covid-19-Verlauf nicht nachgewiesen ist.

Ausgangspunkt der Appelle, die Bevölkerung mit Vitamin-D-Ergänzungsmitteln zu versorgen sind Beobachtungsstudien in europäischen und US-amerikanischen Krankenhäusern. Diese haben ergeben, dass bei Covid-19-Patienten häufiger ein Vitamin-D-Mangel festgestellt wird als in Kontrollgruppen. Es wurde auch berichtet, dass Menschen mit einem niedrigen Vitamin-D-Spiegel tendenziell häufiger an der Erkrankung sterben als andere.

Am Reina-Sofia-Krankenhaus in Madrid wurde versucht, der Sache auf den Grund zu gehen: 50 Covid-19-Patienten wurde Vitamin D verabreicht, nur einer von ihnen landete auf der Intensivstation. Aus einer Kontrollgruppe mit 26 Patienten, die keine Vitamin-D-Präparate bekamen, musste dagegen die Hälfte intensivmedizinisch behandelt werden, zwei von ihnen starben.

Studie in der Kritik

Bei genauerem Hinsehen wurde deutlich, dass in der zweiten Gruppe der spanischen Studie – den Patienten ohne Vitamin-Gabe – mehr Vorerkrankungen etwa mit Bluthochdruck und Diabetes registriert waren und damit auch mehr Risikofaktoren für einen schweren Covid-19-Verlauf. »Wenn man die (relativ) Gesunden in die Vitamin-D-Gruppe packt und die (relativ) Kranken in die Kontrollgruppe, dann ist vorher klar, was herauskommt«, moniert etwa Martin Smollich, Pharmakologe und Professor am Institut für Ernährungsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Lübeck.

Smollich betont, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Mangel und Covid-19 könne nicht nachgewiesen werden. Vielmehr könnte ein bei der Krankenhausaufnahme gemessener niedriger Vitamin-D-Spiegel Folge (und nicht Ursache) der Covid-19-Erkrankung sein. Im Rahmen einer akuten, schweren Infektion sinke der Vitamin-D-Spiegel nämlich kurzfristig drastisch ab. Zudem trete ein Vitamin-D-Mangel »überdurchschnittlich häufig bei Erkrankungen und Lebensumständen auf, die ihrerseits das Covid-19-Risiko erhöhen, also in hohem Lebensalter, bei Adipositas oder bei Diabetes Typ 2«.

Ursache-Wirkung-Beziehung nicht eindeutig

Die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek erläuterte im Corona-Podcast des NDR, das Risiko für einen Vitamin-D-Mangel steige generell bei Menschen, die sich selten im Freien aufhalten. Das gelte zum Beispiel bei chronisch Kranken oder Pflegebedürftigen, die vielleicht auch nicht mehr ausgewogen essen können. Genau diese Gruppe gilt aber auch als besonders Covid-19-gefährdet.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat die aktuelle Studienlage unter die Lupe genommen und kommt zu dem Schluss: Ein Zusammenhang zwischen einem niedrigen Vitamin-D-Spiegel und einem erhöhten Corona-Risiko könne zwar vermutet werden. Die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen reichten jedoch nicht aus, um eine eindeutige Ursache-Wirkungs-Beziehung nachzuweisen. Deshalb könne eine Einnahme von Vitamin-D-Ergänzungsmitteln nicht pauschal empfohlen werden.

Auch dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sind derzeit keine Studien bekannt, die belegen, dass die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten vor einer Infektion mit dem Corona-Virus oder vor einer Erkrankung schützt. Zwar sei wissenschaftlich unstrittig, dass Vitamin D zur normalen Funktion des Immunsystems beitrage. Das heiße aber nicht, dass man deshalb vorbeugend und ohne ärztliche Kontrolle hoch dosierte Vitamin-D-Präparate zu sich nehmen sollte.

Wann Vitamin D zuführen?

Bedingt durch die geografische Lage ist die Vitamin-D-Bildung in Mitteleuropa laut RKI nur im Sommerhalbjahr (März bis Oktober) möglich. Der Körper sei aber in dieser Zeit in der Lage, nicht nur den akuten Bedarf zu decken, sondern auch Vitamin-D-Reserven im Fett- und Muskelgewebe für das Winterhalbjahr anzulegen.

Diese Speicherfähigkeit bedingt zugleich die Gefahren, die mit einer unbedachten Einnahme von Vitamin-D-Ergänzungsmitteln einhergehen: Die DGE-Experten warnen, dass eine andauernde Überdosierung mit Vitamin-D-Präparaten zu Nebenwirkungen wie Nierensteinen, Nierenverkalkungen sowie Störungen des Herz-Kreislauf-Systems führen kann.

Auch eine akute Vergiftung mit Vitamin D ist laut RKI möglich: Bei übermäßig hoher Einnahme entstehen im Körper demnach erhöhte Kalziumspiegel, die zu Übelkeit, Appetitlosigkeit, Bauchkrämpfen, Erbrechen oder in schweren Fällen zu Nierenschädigung, Herzrhythmusstörungen, Bewusstlosigkeit und Tod führen können.

Aus medizinischen Gründen können nach entsprechender Diagnose im Einzelfall jedoch höhere Vitamin-D-Zufuhrmengen sinnvoll sein. Laut DGE trifft das insbesondere für diejenigen zu, die sich kaum oder gar nicht im Freien aufhalten können oder dies nur mit gänzlich bedecktem Körper tun. Auch Menschen mit dunkler Hautfarbe bilden wegen des hohen Melaningehalts ihrer Haut vergleichsweise wenig Vitamin D.

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