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Covid-19-Vektorimpfstoff

Hirnvenenthrombosen sind vermeidbar

Wer nach einer Covid-19-Impfung mit einem Vektorimpfstoff starke Kopfschmerzen verspürt, sollte rasch ärztlich behandelt werden. Denn bei frühzeitiger, konsequenter Therapie lassen sich die gefährlichen Sinus- und Hirnvenenthrombosen vermeiden. Das zeigt eine aktuelle Fallserie.
Christina Hohmann-Jeddi
20.09.2021  13:30 Uhr

Seit März 2021 werden sehr selten, aber immer wieder Fälle ungewöhnlicher Hirnvenenthrombosen, die von einem Blutplättchenmangel begleitet sind, nach einer Impfung mit dem Covid-19-Impfstoff Vaxzevria® von Astra-Zeneca gemeldet. Im Mai wurde die Komplikation Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS), die als auch Vakzin-induzierte immunogene thrombotische Thrombozytopenie (VITT) bezeichnet wird, als Nebenwirkung in der Fachinformation aufgenommen. Auch beim zweiten Vektorimpfstoff gegen Covid-19, dem Impfstoff von Janssen (Johnson & Johnson), kann ein TTS auftreten. Kopfschmerzen gelten als ein Hinweis darauf.

Bisher nahm man an, dass die Komplikationen eine Folge- oder Begleiterscheinung der zerebralen thrombotischen Ereignisse seien. Jetzt zeigt eine Publikation im »New England Journal of Medicine« (NEJM), dass die starken Kopfschmerzen auch ein Vorbote und somit Warnhinweis auf gefährliche postvakzinale Thrombosen sein können. Das berichtet ein Team von Wissenschaftlern um Dr. Farid Salih von der Berliner Charité und Professor Dr. Andreas Greinacher von der Universitätsmedizin Greifswald. Letzterer hatte bereits die der VITT zugrundeliegenden Pathomechanismen aufgeklärt.

Im NEJM beschreibt das Team eine Fallserie von elf Patientinnen und Patienten, die sich 5 bis 18 Tage nach Impfung mit dem Astra-Zeneca-Impfstoff mit heftigen Kopfschmerzen in Kombination mit einer Thrombozytopenie ärztlich vorstellten. Alle wiesen hohe D-Dimere und hohe anti-PF4-Antikörperspiegel auf – beides Hinweise auf eine VITT. Zunächst konnte aber in keinem Fall eine zerebrale Sinus- und Venenthrombose (CSVT) diagnostiziert werden. Nur zwei Patienten wiesen zum Aufnahmezeitpunkt ein anderes thrombotisches Ereignis auf und erfüllten die VITT-Kriterien vollständig. Bei beiden wurde eine Lungenembolie diagnostiziert.

»Insgesamt lässt sich konstatieren, dass es offensichtlich ein Prä-VITT-Syndrom gibt, eine VITT ohne thrombotische Manifestationen, bei dem die schweren Kopfschmerzen somit kein Begleitsymptom, sondern ein Warnsymptom für die spätere Entwicklung eines VITT sein können. Das eröffnet einen Handlungsspielraum für frühzeitige therapeutische Interventionen«, erklärt Salih in einer gemeinsamen Pressemitteilung mehrerer deutscher Fachgesellschaften.

Bei sieben Patientinnen und Patienten trat auch in der Folgezeit keine thrombotische Komplikation auf. Mit einer Ausnahme hatten sie alle innerhalb von fünf Tagen nach Einsetzen der Kopfschmerzen eine Therapie mit hochdosierten Immunglobulinen, Glucocorticoiden und Antikoagulanzien erhalten, heißt es in der Publikation. Dagegen wurde bei allen vier Patientinnen und Patienten, die nach Erstvorstellung noch Thrombosen entwickelten, entweder erst spät eine Antikoagulation begonnen (bis Tag 6 bis 9 nach Einsetzen der Kopfschmerzen) oder die Behandlung wurde frühzeitig wieder gestoppt.

Die Ergebnisse sind bedeutend für die klinische Praxis. »Werden Patientinnen oder Patienten in der typischen Latenzzeit von 5 fünf bis 30 Tagen nach Impfung mit schweren Kopfschmerzen vorstellig, sollte unbedingt eine weiterführende Diagnostik erfolgen. Weisen sie eine Thrombozytopenie und erhöhte D-Dimere auf, muss gezielt auf anti-PF4/Heparin-IgG-Antikörper getestet werden und frühzeitig und konsequent therapiert werden«, erklärt Seniorautor Professor Dr. Matthias Endres. »Dann können wir schwere thrombotische Ereignisse in Folge womöglich ganz verhindern.«

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