Hypoallergene Tierrassen kein echter Schutz vor Allergien |
Bei Allergien auf Haustiere haben Katzen die größte Relevanz. Fel d 1 ist eines von 19 Katzenallergenen, das Menschen zu schaffen machen kann. / Foto: Adobe Stock/famveldman
Deutschlands Tierfreunde nennen 15 Millionen Katzen, zehn Millionen Hunde, fünf Millionen Kleintiere wie Kaninchen, Hamster oder Mäuse und fünf Millionen Ziervögel ihr Eigen. Hinzu kommen knapp zwei Millionen Aquarien und eine Million Terrarien. Gleichzeitig leiden immer mehr Kinder und Jugendliche an allergischen Erkrankungen wie Heuschnupfen, Neurodermitis oder Asthma. Was ist bei ihnen zu beachten?
Alle Tiere, egal ob behaart, mit Federkleid oder Schuppen können Allergien auslösen. Laut European Centre of Allergy Research Foundation (ECARF) sind etwa zehn Prozent der Deutschen auf Tierhaare sensibilisiert. Man darf den Begriff allerdings nicht mit einer manifesten Allergie gleichsetzen; es handelt sich lediglich um die Allergiebereitschaft. Das heißt, bei wiederholter Allergen-Exposition kann sich eine Allergie daraus entwickeln.
Das Allergen bindet dann an Antikörper auf Mastzellen. Letztere setzen Botenstoffe wie Histamin frei, und Entzündungsreaktionen treten auf. Blutgefäße werden durchlässiger, und die glatte Muskulatur der Atemwege zieht sich zusammen. Patienten leiden auch an juckenden Hautausschlägen, teilweise mit Quaddeln, und an geröteten Augen. Die Symptome setzen in kurzer Zeit ein. Ärzte sprechen deshalb von einer Sofortreaktion.
Bei Allergien haben Katzen die größte Relevanz. Von einer Katzenhaarallergie zu sprechen, ist wissenschaftlich eigentlich nicht korrekt, denn es geht weniger um Haare. Stubentiger putzen sich oft. Sie bringen Speichel sowie Drüsensekrete auf ihr Fell und verteilen dabei das Allergen Fel d 1 auf ihrem Körper. Fel d steht für Felis domesticus, die Hauskatze.
Beim Trocknen entstehen kleinste Partikel mit einem Durchmesser von zwei bis zehn Mikrometern. Sie bleiben einige Zeit in der Luft, um sich dann auf Möbeln oder Teppichen abzusetzen. Beim geringsten Luftzug werden sie wieder aufgewirbelt. Etwa 90 Prozent aller Menschen mit Katzenallergie reagieren auf Fel d 1. Insgesamt fanden Wissenschaftler jedoch 19 unterschiedliche Allergene.
Hunde haben ein geringeres allergisches Potenzial als Katzen. In der Haut, den Haaren, dem Speichel und im Urin wurden sechs allergene Proteine nachgewiesen, besonders wichtig ist Can f 1. Die Bezeichnung leitet sich von Canis lupus familiaris für den Haushund ab. Hundeallergene halten sich, verglichen mit ähnlichen Verbindungen bei Katzen, kürzer in der Luft.
Sowohl die Federn als auch der Kot von Vögeln können beim Menschen allergische Reaktionen auslösen. Hinzu kommen Milben aus dem Gefieder. Neben Sofortreaktionen beobachten Ärzte hier Typ-III-Allergien, sprich zeitlich verzögerte Reaktionen. Besonders gefährlich ist die exogen-allergische Alveolitis, eine allergisch bedingte Entzündung des Lungengewebes.
Wissenschaftler fanden heraus, dass manche Allergene strukturell verwandt sind. Gezeigt wurde dies beim Pferdeallergen Equ c 1, beim Katzenallergen Fel d 4 und beim Hundeallergen Can f 6. Bei Patienten treten Kreuzallergien auf: Ein IgE-Antikörper erkennt alle drei Allergene. Das könnte erklären, warum manche Patienten gleichzeitig auf Hunde, Katzen und Pferde reagieren.
Diverse Beschwerden führen Allergiker zum Arzt. Wer beispielsweise Freunde mit Katzen besucht und plötzlich niesen muss oder über gerötete Augen klagt, hat womöglich mit einer Tierhaarallergie zu kämpfen. Nach dem Erstgespräch, der Anamnese, folgen Hauttests mit kommerziell hergestellten, allergenhaltigen Lösungen. Als Positivtest dient Histamin, als Negativtest wird physiologische Kochsalzlösung eingesetzt.
Laboruntersuchungen auf spezifische IgE-Antikörper liefern genauere Ergebnisse. Provokationstests sind ebenfalls möglich, aber nicht frei von Risiken. Patienten erhalten unter ärztlicher Überwachung eine geringe Menge des Allergens nasal verabreicht. Anschließend beurteilen Ärzte die Symptome. Das Risiko liegt in einem anaphylaktischen Schock, der als Folge der Provokation schlimmstenfalls auftreten kann.
Zu den wichtigsten Maßnahmen gehört auch bei einer Tierhaarallergie die Karenz. Ohne Kontakt zu Tieren bessern sich die Symptome. Das ist leichter gesagt als getan. Schließlich sind Hund oder Katze lieb gewordene Familienmitglieder.
Einige Maßnahmen helfen aber, die Belastung zu minimieren. Oberflächen zum Wischen eignen sich besser als Teppichböden, moderne Staubsauger mit Feinfiltern sind besser als alte Geräte, die Allergene gleichmäßig in der Luft verteilen. Luftfilter haben sich ebenfalls bewährt. Die Tiere sollten nicht ins Schlafzimmer. Einige Tiere können auch draußen in einem Stall leben. Möglichst viele dieser Maßnahmen verringern die Allergenbelastung im Wohnbereich.
Haben Kinder nur eine genetisch determinierte Neigung zu Allergien, sprich Atopie, müssen sie auf Tiere nicht verzichten. Das Risiko wird in Teilen vererbt. Generell wirkt sich eine Exposition mit Allergenen in jungen Jahren sogar positiv aus, wie die LEAP-Studie (»Learning Early About Peanut Allergy«) zur Vermeidung von Nahrungsmittelallergien belegt hat. Erhielten Babys aus Risikofamilien Kost, die Erdnüsse enthielt, litten sie später seltener an Erdnuss-Allergien.
Das wurde auch mit Hunden bestätigt. Epidemiologen haben mehr als 10.000 Kinder untersucht, um herauszufinden, welche Faktoren als Auslöser von Asthma und Allergien eine Rolle spielen. Etwa zehn Prozent hatten regelmäßig Kontakt zu einem Hund. Bei ihnen war das Risiko, atopische Erkrankungen zu entwickeln, um 50 Prozent verringert. Es gebe also keinen Grund, Familien, in denen bisher kein Allergierisiko bekannt ist, von der Anschaffung eines Hundes abzuraten, schreiben die Forscher.
Die Leitlinie »Allergieprävention« fasst vorbeugende Maßnahmen für die Praxis zusammen: »Hundehaltung ist nach aktuellen Metaanalysen mit einer signifikanten Risikoreduktion von 28 Prozent für das atopische Ekzem und einer nicht-signifikanten Risikoreduktion von 23 Prozent für Asthma verbunden«, heißt es darin. Und weiter: »Katzenhaltung geht nach diesen Metaanalysen, bei heterogener Einzelstudienlage, nicht mit einem erhöhten oder erniedrigten Risiko für atopische Erkrankungen einher.«
Züchter werben gern mit hypoallergenen Tierrassen. Sie nennen sibirische Langhaarkatzen, orientalische Kurzhaarkatzen, Balinesen, Javanesen, Rex-Arten und Nacktkatzen. Wissenschaftlich bestehen aber Zweifel. »Da jedes Tier Träger von verschiedenen Allergenen ist und jeder Mensch ein individuelles Sensibilisierungsmuster hat, gibt es keine Allergiker-freundlichen Haustierrassen«, heißt es in einer Stellungnahme der ECARF. »Katzenallergiker reagieren in den allermeisten Fällen auf alle Katzenarten.«
Und weiter: »Bei den Hunderassen besteht – je nach Sensibilisierung des Patienten – die Chance, dass einzelne Hundearten oder möglicherweise weibliche Hunde besser vertragen werden.« Ob diese Möglichkeit gegeben sei, könne nur mit einer umfassenden Diagnostik herausgefunden werden. Züchter empfehlen Goldendoodles, also Kreuzungen zwischen Golden Retrievern und Pudeln. Auch Labradoodles, die aus Labrador-Retrievern und Großpudeln entstanden, werden genannt. Der Deutsche Allergie- und Asthmabund widerspricht solchen Tipps: »Neuere Untersuchungen konnten weder rasse- noch geschlechtsspezifische Unterschiede klar feststellen, die auf einen allergenfreien Hund schließen lassen.« Bei allen Hunden finde man das Hauptallergen, wenn auch in deutlich unterschiedlicher Menge.