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Biosimilars

Im gleichen Maße sicher

Biologicals spielen in der Therapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen eine zunehmende Rolle. Da ihr Einsatz zum Teil mit enormen Kosten verbunden ist, rücken Biosimilars als preisgünstigere Alternativen immer mehr in den Fokus.
Michelle Haß
31.05.2019  10:00 Uhr

Biologicals oder Biopharmazeutika sind Arzneistoffe, die biotechnologisch in lebenden Zellen (E.coli, Säugerzellen oder Hefen) hergestellt werden. Biosimilars stellen eine kostengünstigere, wenn auch immer noch kostenintensive Alternative zu den teuren Innovatorprodukten dar und helfen, eine Unterversorgung mit Biologicals aus wirtschaftlichen Gründen zu minimieren. Trotz dieser Vorteile und zunehmender Therapieerfolge mit Biosimilars bestehen weiterhin Unsicherheiten gegenüber den »billigen Nachahmerprodukten«. Nicht selten werden sie als »Medikamente zweiter Klasse« betitelt. Hier gilt es, den Patienten und teilweise auch Ärzte sicher zu beraten.

Biologicals lassen sich in drei Kategorien einteilen (siehe Tabelle unten). Molekular betrachtet handelt es sich bei ihnen um Peptide, folglich um sehr komplexe Moleküle. Anders als bei den so genannten small molecules gilt bei Biologicals die Regel »The product is the process«. Das bedeutet, der Herstellungsprozess mit all seinen Parametern beeinflusst hier maßgeblich die Eigenschaften des Endproduktes. In der Regel ist das exakte Herstellungsverfahren ein gut gehütetes Geheimnis. Aus diesen Gründen sind Biosimilars, anders als Generika, nicht identisch, sondern lediglich ähnlich zum Referenzprodukt.

Unterschiede zwischen Nachahmer- und Innovatorprodukt können zum Beispiel in Form von veränderten Glykolysierungsmustern auftreten. Solche Veränderungen in der posttranskriptionellen Modifikation des Proteins können mit einer veränderten Antigen-Eigenschaft einhergehen. Dies bedeutet aber keinesfalls, dass Biosimilars schlechter verträglich oder gar weniger wirksam sind. Tatsächlich herrscht auch zwischen verschiedenen Chargen des gleichen Herstellers eine so genannte Batch-to-batch-Variabilität, die bei der Zulassung berücksichtigt und deren Sicherheit gezeigt werden muss.

Um den Überblick zwischen Innovatorprodukt, Bioidentical und Biosimilar zu behalten, hat der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) auf seiner Internetseite eine Übersicht der in der EU zugelassenen Biologicals zusammengestellt.

Zulassung zentral

Für alle Biopharmazeutika, die in Europa in den Verkehr gebracht werden sollen, besteht eine zentrale Zulassungspflicht. Das bedeutet, sie müssen bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) ein Zulassungsverfahren durchlaufen, in dem die Qualität, die Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit ausführlich geprüft werden. Anders als bei Generika sind die Anforderungen an biopharmazeutische Nachahmerpräparate wesentlich umfangreicher. Zu den allgemeinen Anforderungen, wie Vergleichbarkeit zum Referenzprodukt und Nachweis der Qualität, müssen zusätzlich präklinische sowie klinische Studien durchgeführt werden. Eine Phase III Studie ist zwingend erforderlich, um vor allem die Sicherheit, aber auch die Wirksamkeit eines Biosimilars am Patienten nachzuweisen.

Diese hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Zulassung eines Biosimilars sowie ein enormer Erfahrungsschatz der EMA auf diesem Gebiet führen dazu, dass eine Zulassung durch die EMA eine Art Gütesiegel darstellt, auf das sich Arzt und Patient verlassen können.

Austausch nie ohne Beratung

Zu Beginn einer Behandlung mit Biopharmazeutika können Biosimilars in gleicher Weise wie ihr Referenzprodukt eingesetzt werden, da sie im gleichen Maße sicher und wirksam sind. Dies bestätigt unter anderem die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AdkÄ) in ihrem Leitfaden zu Biosimilars. Die Entscheidung, welches Arzneimittel letztlich eingesetzt wird, sollte prinzipiell immer beim Arzt liegen.

Ein Austausch bei bereits eingestellten Patienten ist aus Sicht der Wirksamkeit und Verträglichkeit prinzipiell möglich, sollte aber immer kritisch hinterfragt werden, vor allem bei Präparaten zur Eigenanwendung. Nicht selten haben Patienten einen langen Krankheitsweg hinter sich und sind froh, ein wirksames Arzneimittel gefunden zu haben. Hier kann ein Wechsel des Präparates enorme Adhärenzprobleme mit sich bringen. Auch hier sollte der Arzt die endgültige Entscheidung treffen.

Falls der Arzt ein Biosimilar verordnet, sollte er den Patienten immer umfangreich informieren und beraten, unabhängig davon, ob es sich um eine Erstverordnung oder um einen Wechsel des Präparates handelt. Nur so lassen sich Skepsis und Ängste nehmen und der Grundstein für eine erfolgreiche Therapie legen.

Austausch geregelt

Grundsätzlich liegt bei Biologicals eine besondere (gesetzliche) Austauschsituation vor. Bei Verordnungen auf GKV-Rezept gilt es deshalb, einige Regeln zu beachten:

Eine Austauschpflicht besteht nach §4 des Rahmenvertrages nur bei Bioidenticals, das heißt, bei Biologicals, bei denen Ausgangsstoffe und der Herstellungsprozess absolut identisch sind. Zusätzlich müssen die austauschbaren Bioidenticals in der Anlage 1 des Rahmenvertrags gelistet sein. Sind sie nicht gelistet, darf kein Austausch stattfinden. Die Liste ist in die Apothekensoftware implementiert, sodass bei der Rabattvertragssuche tatsächlich nur austauschbare Präparate angezeigt werden.

Befürchten PTA oder Apotheker durch einen Austausch Anwendungsprobleme oder eine schlechtere Compliance des Patienten, können sie pharmazeutische Bedenken geltend machen und das nicht rabattierte Präparat abgegeben.

Biosimilars dürfen nicht untereinander oder gegen ihr Referenzprodukt ausgetauscht werden. Besondere Vorsicht ist bei Wirkstoffverordnungen geboten. Diese sind als unklar zu betrachten. Daher sollten PTA und Apotheker, um Missverständnisse und Retaxationen zu vermeiden, immer Rücksprache mit dem Arzt halten. Bei Importen gelten die bekannten Regeln. Orginal und Import gelten als identisch. Rabattierte Orginal- beziehungsweise Importpräparate müssen vorrangig abgegeben werden, auch bei gesetztem aut-idem-Ausschluss.

Innovatorprodukt Biological, mit vollständigem präklinischen und klinischen Zulassungsdossier und das als Referenzprodukt für die Zulassung von Biosimilars dient.
Andere Bezeichnungen: Erstanbieter-Präparat, Original-Produkt
Biosimilar Biological, das eine hohe Ähnlichkeit zu einem bereits existierenden Referenzarzneimittel in Bezug auf Qualität, Sicherheit, Wirksamkeit besitzt. Sie unterschieden sich von Generika, da diese als identisch mit ihrem Referenzarzneimittel gelten.
Bioidentical Biologicals, die einem identischen Herstellungsprozess entstammen und unter unterschiedlichen Handelsnamen vertrieben werden.
Einteilung von Biologicals in drei Kategorien

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