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Alkoholkonsum

In diesen Berufen wird (zu) viel getrunken

So mancher trinkt weitaus mehr als ihm guttut. Für Vertreter bestimmter Berufe gilt das wohl ganz besonders, wie eine britische Studie zeigt. Besonders wenig trinken demnach Männer, deren Blick von Berufs wegen öfter mal gen Himmel geht.
dpa
02.03.2021  08:30 Uhr

Die Arbeit in bestimmten Berufszweigen scheint mit einer größeren Wahrscheinlichkeit für einen hohen Alkoholkonsum einherzugehen. Das legt zumindest eine britische Studie nahe, deren Ergebnisse kürzlich im Fachblatt »BMC Public Health« veröffentlicht wurden.

Demnach sei ein hoher Alkoholkonsum vor allem in Handwerksberufen sowie im Gastgewerbe wahrscheinlich, während das Risiko bei Ärzten und Lehrern niedriger sei. Die geringsten Raten schwerer Trinker fanden sich unter zwei nicht gerade eng verwandten Berufsgruppen: Geistlichen und Meteorologen.

»Starker Alkoholkonsum erhöht das Risiko körperlicher und geistiger Schäden, und wenn wir verstehen, welche Berufe mit starkem Alkoholkonsum in Verbindung stehen, können wir die Ressourcen und Interventionen besser ausrichten«, begründet Mediziner Andrew Thompson von der Universität Liverpool die Motivation für die Studie. 

Für diese analysierte er gemeinsam mit dem Pharmakologen und Genetiker Munir Pirmohamed die Daten von 100 817 Erwachsenen im Alter zwischen 40 und 69 Jahren aus ganz Großbritannien, die zwischen 2006 und 2010 für die Langzeitstudie »UK Biobank« rekrutiert wurden. Die Teilnehmenden gaben ihren wöchentlichen oder monatlichen Alkoholkonsum sowie ihren Beruf an. Dabei galten Männer als starke Trinker, wenn sie mehr als 500 Milliliter (400 Gramm) reinen Alkohols pro Woche konsumierten, für Frauen lag dieser Wert bei 350 Milliliter (280 Gramm).

Zur Einordnung: Eine Flasche Bier mit 330 Milliliter enthält knapp 13 Gramm reinen Alkohols, ein Glas Wein mit 125 Millilitern etwa zehn Gramm. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) definiert als gesundheitlich unbedenkliche Obergrenze eine Höchstmenge von 20 Gramm pro Tag für Männer und zehn Gramm für Frauen. Wie die britische Auswertung ergab, standen Handwerksberufe wie zum Beispiel Bau- und Fertigungsberufe am ehesten mit starkem Alkoholkonsum in Verbindung. Mit Blick auf einzelne Berufe waren die Raten übermäßigen Alkoholkonsums unter Gast- und Kneipenwirten, Gipsern und Vertretern industrieller Reinigungsberufe am höchsten. Die niedrigsten Raten fanden sich unter Geistlichen, Physikern, Geologen und Meteorologen sowie Medizinern.

Unterschiede bei Mann und Frau

Dabei zeigte die Studie große geschlechtsspezifische Unterschiede: So waren es bei Männern vor allem handwerkliche Berufe, die mit starkem Alkoholkonsum zusammenhingen. Bei den Frauen stand dieser eher in Verbindung mit Berufen wie Managerin oder leitende Angestellte. Umgekehrt war die Rate hohen Alkoholkonsums bei Männern in den Berufen Geistlicher, Mediziner und Stadtplaner am niedrigsten, bei Frauen hingegen in den Berufen Schulsekretärin, Biologin, Biochemikerin und Physiotherapeutin.

»Die beobachteten Unterschiede bei Männern und Frauen in Bezug auf die Assoziationen zwischen Berufen und starkem Alkoholkonsum könnten darauf hinweisen, wie die Arbeitsumgebung zusammen mit dem Geschlecht und anderen komplexen Faktoren die Beziehung zum Alkohol beeinflussen kann«, kommentiert Mediziner Thompson diesen Befund. Arbeitsplatzbezogene Interventionen, die darauf abzielten, den Alkoholkonsum in Berufen, in denen starker Alkoholkonsum vorherrsche, anzugehen, könnten sowohl dem Einzelnen als auch der Wirtschaft insgesamt zugutekommen, indem sie das Wohlbefinden der Mitarbeiter verbesserten und indirekt die Produktivität steigerten.

Schwäche der Aussagen

Inwiefern sich die britischen Ergebnisse auf andere Länder übertragen lassen, bleibt unklar. Tatsächlich gab die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) angesichts früherer vergleichbarer Untersuchungen zu bedenken: »Studienergebnisse zu dieser Thematik können beeinflusst sein durch landesspezifische arbeitsschutzrechtliche Bestimmungen, Charakteristika der Berufsbilder wie durch die Konsumkulturen in den Branchen.«

Zudem fokussierte die Untersuchung nur auf Alkoholkonsum: Der Zusammenhang zwischen Berufsgruppen und anderen Suchtmitteln wurde nicht untersucht. Die Autoren weisen ferner selbst darauf hin, dass es aufgrund des Querschnittscharakters der Studie nicht möglich sei, eine kausale Beziehung zwischen Alkoholkonsum und Beruf herzustellen.

Pandemie ändert die Umstände

Außerdem stammten die Daten aus den Jahren 2006 bis 2010 – eine Veränderung des Trinkverhaltens seither wurde nicht erfasst. Eben jene Veränderung könnte allerdings gerade mit Blick auf die Corona-Pandemie interessant sein. Denn für Deutschland ergab eine nicht repräsentative Erhebung des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim, dass der Alkoholkonsum seit deren Beginn bei rund einem Drittel der Erwachsenen hierzulande gestiegen ist.

Dass es sich dabei um einen länderübergreifenden Trend handelt, legt eine Warnung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nahe: Diese hatte kürzlich empfohlen, den Alkoholkonsum während der SARS-CoV-Pandemie zu reduzieren.

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