Ölige Dronabinol Lösung |
Ingrid Ewering |
27.11.2018 10:51 Uhr |
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Dronabinol in der Apothekenrezeptur, diese Thematik wird beim heutigen Rezepturstammtisch beleuchtet. Zunächst stellt Teamleitern Doris Janning die Eigenschaften des Arzneistoffs vor: »Dronabinol ist ein Synonym für Tetrahydrocannabinol und wird häufig mit THC abgekürzt.
Die geruchlose und geschmacksneutrale Substanz ist bei Raumtemperatur eine ölige Flüssigkeit bis harzartige Masse, die sich bei Anwesenheit von Sauerstoff violett verfärbt.« PTA Julia Sommer fragt: »Stimmt es, dass ich den violett verfärbten Anteil verwerfen muss?« Teamleiterin Janning bestätigt dies, denn der durch Licht und Sauerstoff oxidierte Dronabinolanteil ist unwirksam. Sie macht noch auf die Notwendigkeit der sauerstoffarmen Lagerung sowie auf die zügige Herstellung aufmerksam.
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Doch bevor die Rezeptur hergestellt werden kann, muss auch Dronabinol auf Identität geprüft werden«, erinnert Janning ihre Zuhörer. »Da gibt es doch den Schnelltest«, wirft PTA Heike Müller ein. »Ja, das ist korrekt. Es gelten für Dronabinol die gleichen Regeln wie für alle anderen Ausgangsstoffe. Also müssen Sie zunächst das Analysenzertifikat auf Vollständigkeit sowie Richtigkeit prüfen.« Mit diesen Worten teilt die Teamleiterin ein Prüfzertifikat, die Dronabinol Monographie des Deutschen Arzneimittel-Codex (DAC) sowie die blauen Tabellen für die Rezeptur des GOVI- Verlages aus und lässt mit Hilfe der Checkliste auf Seite 4 das Zertifikat prüfen.
Identität prüfen
»Und nun zur Eingangskontrolle: Den Dronabinol-Sets der Firmen ist häufig ein immunochromatographischer Schnelltest beigefügt. Das bei Raumtemperatur dickflüssige bis harzartige Dronabinol müssen Sie für die Prüfung so lange erwärmen, bis ein kleiner Tropfen aus der Spritze austritt. Dazu stellen Sie die Spritze mit der Auslassöffnung nach oben in ein kleines Becherglas für mindestens fünf Minuten bei 60 bis 70 Grad in den Trockenschrank. Die Firma THC Pharma GmbH gibt als obere Temperaturgrenze sogar 80 Grad Celsius an«, so Janning. Das ist eigentlich kein Problem für den thermostabilen Arzneistoff, und bei höheren Temperaturen verkürzt sich die Schmelzdauer.
Gemeinsam kommt der Rezepturstammtisch zusätzlich zu dem Ergebnis, dass das Schmelzen mit einem leistungsstarken Fön vorteilhafter sei. »Denn der Schmelzvorgang ist visuell kontrollierbar, und ich ziehe den Stempel immer so weit zurück, dass nichts rausläuft, aber auch keine Luft angesaugt wird«, erklärt Sommer, die diese Rezeptur bereits häufiger hergestellt hat. Mit einer weitlumigen Kanüle, mindestens der Größe 1, sei der austretende, stecknadelgroße Wirkstofftropfen in das mit Lösungsmittel vorgefüllte Reaktionsgefäß zu überführen, erläutert sie. »Vergesst bitte nicht, das Gewicht der Spritze vor der Entnahme des Wirkstofftropfens sowie danach zu bestimmen«, fügt sie hinzu. »Eine Kleinstmenge von circa 1 Miligramm reicht für die Identitätsprüfung aus. Der Verlust durch die Eingangskontrolle sollte so klein wie möglich sein, um die verordnete Abgabemenge gewährleisten zu können. »Den Verbleib jedes BTM-pflichtigen Arzneistoffes müssen Sie zudem akribisch genau dokumentieren!«, betont Janning.
Doch selbst diese Kleinstmenge löst sich beim Schütteln nicht schlagartig in der Flüssigkeit des Reaktionsgefäßes auf. Wichtig ist zunächst, sie ohne Verluste zu überführen: Sowohl die Kanüle als auch die Flüssigkeit sind visuell sehr sorgfältig auf Abwesenheit von ungelöstem Dronabinol zu überprüfen. Erst bei positivem Ausgang dieser Inprozesskontrollen und der visuellen Prüfung auf Klarheit wird der Teststeifen bis zur Markierung eingetaucht. Das Ergebnis darf nicht zu früh, aber auch nicht zu spät abgelesen werden. »Das Immunchromatogramm braucht einfach fünf Minuten zur Entwicklung, und die Farbreaktion bleibt leider auch nur fünf Minuten stabil«, erklärt Janning den Zusammenhang.
Und weiter: »Das Ergebnis wird auch anders abgelesen als gewöhnlich. Denn im Gegensatz zum Schwangerschaftstest ist das Testergebnis positiv, wenn sich nur ein Streifen im Kontrollbereich zeigt. Alle anderen Streifenbildungen oder deren völliges Ausbleiben gelten nicht!«, schärft sie den Zuhörern ein. Bei diesen Worten verteilt sie farbige Ablesehilfen zur korrekten Auswertung in die Stammtischrunde.
»Muss ich denn mit dem Schnelltest prüfen?«, fragt Müller. »Nein, Sie können auch nach der Vorschrift des DAC arbeiten. Eine alternative Identifizierung ist in unserer blauen Bibel veröffentlicht.« Die makroskopische Überprüfung des Aussehens des Dronabinols wird mit den Worten »hellgelbe, ölige Flüssigkeit« oder »hellgelbe, harzige Masse« beschrieben.
Bei der zweiten Prüfung handelt es sich um eine Dünnschichtchromatographie nach der DAC Probe 11. »Das ist die DC mit kleinen Platten. Sie läuft so schnell, dass weder fehlende Zeit noch zu teure Ausgangsstoffe ein Argument sind, auf diese Eingangskontrolle zu verzichten«, weiß die Teamleiterin.
»Das Problem liegt aber in der Beschaffung der Vergleichssubstanzen!«, beschwert sich Sommer zu Recht. »Für 1 mg Dronabinol-Referenzsubstanz liegt der Apothekeneinkaufspreis netto bei etwas mehr als 100 Euro!«
»Das ist leider bei der ersten Prüfung das Problem. Es ist jedoch anschließend erlaubt, Dronabinol einer anderen Charge als Vergleich aufzutragen«, informiert Janning.
Antioxidantien nicht für Nachweis
»Wissen Sie, ob die beim Wirkstoffset mitgelieferten Ascorbylpalmitat-haltigen Mittelkettigen Triglyceride ebenfalls vor Verwendung in der Rezeptur auf Identität geprüft werden müssen?«, fragt die Teamleiterin. Verdutzt schauen sich die Stammtischmitglieder an. »Eigentlich schon«, antwortet Müller. Die Teamleiterin bestätigt diese Aussage. »Die Menge des Antioxidans ist jedoch so gering, dass sich weder der Brechungsindex noch die Dichte verändern. Auch der Nachweis durch Reduktion und anschließende Fällung mit Silbernitrat fällt wegen der geringen Konzentration negativ aus«, teilt sie den Anwesenden mit. Sie fährt fort: »Das Aussehen der Ascorbylpalmitat-haltigen Mittelkettigen Triglyceride sowie deren ermittelter Brechungsindex und selbst die Dichte der Lösung verändert sich trotz Anwesenheit des Antioxidans nicht. Laut Rücksprache mit dem Neuen Rezeptur Formularium (NRF) genügt dann der zusätzliche Hinweis auf dem Prüfprotokoll, dass das Antioxidans unterhalb der Nachweisgrenze enthalten ist«, informiert Janning.
Ölige Dronabinol-Tropfen werden »kopfüber« dosiert.
Foto: DAC/NRF
Zügig herstellen
Tetrahydrocannabinol wird wie bei der Eingangsprüfung zügig und problemlos mit Hilfe des Föns verflüssigt und auf der Analysenwaage in ein Becherglas mit passendem Glasstab eingewogen. »Wie würdet Ihr die Beschaffenheit des erwärmten Wirkstoffs umschreiben?«, fragt die Teamleiterin die Mitglieder des Rezepturstammtisches. Mit den Satzfetzen »flüssig und gut dosierbar« oder »tropffähig, und es darf keine Fäden ziehen« bis hin zu »gleicht flüssigem Paraffin« wird die Konsistenz charakterisiert.
Ein Waagenwechsel ist bei der Herstellung der Dronabinol-Tropfen nicht notwendig, da die Analysenwaage bis zu einer Gesamtbelastung von 50 Gramm die genauere ist. »Nach der Portionierung soll die Spritze auf dem Kolben stehend circa zwei Minuten auf Handwärme abkühlen«, weiß Janning. Sie erklärt, dass die restliche Luft vor Aufsetzen der Schutzkappe entfernt werden muss. »Sie kennen es bereits: Der Wirkstoff verfärbt sich sonst durch die Reaktion mit Sauerstoff violett bis bräunlich.«
Das NRF empfehle das Auftragen des Wirkstoffs auf den Glasstab. »Erfolgt dies zu hoch, taucht Dronabinol anschließend nicht in das Lösungsmittel Öl ein und Wirkstoffverluste drohen. Charmant ist es deshalb, wenn Sie den Wirkstoff direkt auf den Boden des Becherglases auftragen«, informiert Janning die Stammtischrunde. Sie erklärt weiter, dass es sich bewährt hat, zunächst lediglich zwei Drittel des Öls zuzugeben. Bei der Herstellung von zehn Milliliter Dronabinollösung werden zunächst von den erforderlichen 9,5 Gramm lediglich sechs bis sieben Gramm ascorbylpalmitathaltiges Öl eingesetzt. Unter Erwärmen bei circa 70 Grad Celsius rührt man so lange, bis eine klare und schlierenfreie Lösung entsteht. Einige bevorzugen das Übergießen des Dronabinols mit bereits erwärmtem Öl. »Egal, nach welcher Methode gearbeitet wird: Die Temperatur bei Schmelzvorgängen in der Apothekenrezeptur können Sie mit einem kontaktlos arbeitenden Infrarot-Thermometer verlustfrei überprüfen. Das können Sie im NRF/DAC unter der DAC Probe 20 und dort dem Stichwort Infrarot-Thermometer nachlesen«, sagt Janning. Abschließend fügt sie hinzu: »Leider lässt sich mit dessen Hilfe jedoch der Schmelzvorgang des Dronabinols in der Glasspritze nicht kontrollieren. Die Spritze ist schlichtweg zu klein, so dass der rote Messpunkt nicht korrekt angesetzt werden kann.«
Nachdem das so hergestellte Wirkstoffkonzentrat auf Raumtemperatur abgekühlt ist, wird die Zubereitung in eine tarierte 10-ml-Braunglasflasche gegeben. »Bitte nichts verschütten, sonst drohen beträchtliche Wirkstoffverluste«, weiß Müller aus leidvoller Erfahrung zu berichten. Das Becherglas sowie der Glasstab müssen aus demselben Grund sehr sorgfältig mit dem restlichen Öl nachgespült und die Spülflüssigkeit wieder in die Braunglasflasche gegeben werden. Ist das geforderte Endgewicht erreicht und die Zubereitung auf Raumtemperatur abgekühlt, wird die Flasche verschlossen und etikettiert.
Qual der Wahl
Die Gruppe erfährt anschließend, dass die Wirkstoffsets alle einen klassischen Senkrechttropfer enthalten. Je nach Lieferant wird zusätzlich eine 1-Milligramm-Kolbendosierpipette oder eine »über-Kopf-arbeitende Tropfvorrichtung« mitgeliefert. »Selbst die mit Zertifikat ausgestatteten und damit arzneibuchkonformen Senkrechttropfer haben Tropfungenauigkeiten von plus-minus zehn Prozent. Deshalb müssen Sie bei hoch wirksamen Dronabinoltropfen mit Hilfe der Waage und der Dichte der Lösung die tatsächliche Tropfenanzahl bestimmen!«
Rezeptur-Videos
Rezepturprobleme? PTA-Forum hilft in kurzen, aber sehr informativen Videos auf YouTube weiter – von der Herstellung von Kapseln oder Gels bis hin zum richtigen Wiegen oder wie man Inkompatibilitäten vermeidet.
→ zu den Rezeptur-Helfern auf Video