Gefährliche Verlockung |
26.09.2016 11:28 Uhr |
Von Manuela Kupfer / Besonders im Herbst leuchten Blätter und Früchte in großer Farbenpracht. Dies weckt oft die Neugierde kleiner Kinder und verleitet sie zum Pflücken und Kosten. So können giftige Pflanzen wie Kirschlorbeer, Eibe, Pfaffenhütchen oder Stechpalme Kindern gefährlich werden.
Etwa 10 Prozent der im Zeitraum von 2011 bis 2013 an das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) gemeldeten Vergiftungsfälle wurden durch giftige Pflanzen oder Pilze verursacht; Kinder waren am meisten betroffen.
Foto: iStock/Alexan2008
Drei Pflanzenarten standen an erster Stelle: Blauer Eisenhut (Aconitum napellus), Engelstrompete (Brugmansia spec.) und Wunderbaum (Ricinus communis). Der Blaue Eisenhut gilt als giftigste Pflanze Europas, er enthält Aconitin, das giftiger ist als Strychnin. Bereits der Kontakt mit der Haut kann Vergiftungserscheinungen hervorrufen. Auch bei der Engelstrompete sind alle Pflanzenteile giftig, die Symptome sind Verwirrtheit bis hin zum Bewusstseinsverlust. Zu den giftigsten Gartenpflanzen gehört darüber hinaus der Wunderbaum, seine Samen enthalten das hochgiftige Ricin. Bei Kindern reicht die Aufnahme von drei bis fünf gut zerkauten Samen für eine tödliche Vergiftung.
Giftstoffe können in der gesamten Pflanze oder nur in Teilen davon enthalten sein. Während Kinder vor allem von attraktiven Beeren verlockt werden, treten Vergiftungen bei Erwachsenen eher aufgrund von Verwechslungen mit ähnlichen Pflanzen auf, etwa von Hundspetersilie mit Petersilie oder von Maiglöckchen mit Bärlauch. Des Weiteren spielen Kontaktvergiftungen während der Garten- oder Feldarbeit eine Rolle.
Je nach ihrer Gefährlichkeit werden Giftpflanzen in drei Kategorien eingeteilt und mit Kreuzen gekennzeichnet: +++ (stark giftig), ++ (giftig) und + (leichtgiftig). Die Aufnahme geringer Mengen einer stark giftigen Pflanze kann schwere bis tödliche Vergiftungen auslösen. In den anderen Kategorien sind die Vergiftungszeichen dagegen mittelschwer beziehungsweise leicht. Wichtige giftige Pflanzenarten fassen die Tabellen zusammen.
Pflanze | giftige Teile | Hauptwirkstoff(e) |
---|---|---|
Blauer Eisenhut (Aconitum napellus) | v.a. Samen, Wurzel | Aconitin |
Echter Seidelbast (Daphne mezereum) | v.a. Rinde, Samen, Blatt, Blüte | Mezerein, Daphnetoxin, Daphnin |
Europäische Eibe (Taxus baccata) | alle Teile, bis auf roten Samenmantel | Taxane, v.a. Taxin B |
Engelstrompeten (Brugmansia spec.) | alle Teile | Scopolamin, Hyoscyamin, Atropin |
Gemeiner Stechapfel (Datura stramonium) | v.a. Wurzel, Samen | Hyoscyamin, Scopolamin, Atropin |
Gefleckter Schierling (Conium maculatum) | v.a. unreife Früchte | Coniin |
Herbstzeitlose (Colchicum autumnale) | v.a. Knolle und Samen | Colchicin |
Hundspetersilie (Aethusa cynapium) | v.a. Wurzel | Aethusin, Coniin |
Lebensbaum (Thuja spec.) | Zweigspitzen, Holz, Zapfen | Thujene, Campher |
Rittersporn (Delphinium spec.) | v.a. Samen | Methyllycaconitin, Elatin, Delphinin, Lycoctonin, Ajaconin (je nach Art) |
Sadebaum (Juniperus sabina) | v.a. Zweigspitzen, Beeren | Sabinen, Sabinol |
Schwarze Tollkirsche (Atropa belladonna) | v.a. Wurzel, Samen | Atropin, Scopolamin |
Schwarzes Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) | v.a. Wurzel, Samen | Hyoscyamin, Scopolamin |
Wasserschierling (Cicuta virosa) | v.a. Wurzel | Cicutoxin |
Wunderbaum (Ricinus communis) | Samen | Ricin |
Ihre toxischen Inhaltstoffe gehören unterschiedlichen Stoffgruppen an: Neben Alkaloiden spielen beispielsweise Saponine, cyanogene und herzwirksame Glykoside sowie Lektine eine Rolle. Etliche Giftpflanzen zählen aufgrund eben dieser Inhaltstoffe auch zu den Heilpflanzen.
Giftige Pflanzenteile wirken unterschiedlich auf den Organismus ein, zum Beispiel nach oraler oder inhalativer Aufnahme oder nach Kontakt mit den Augen oder der Haut. Abhängig davon betreffen die Beschwerden eher die inneren oder äußeren Organe.
Foto: Shutterstock/unpict
Typische Vergiftungszeichen sind Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall. In manchen Fällen schwillt die Mundschleimhaut an und schmerzt, zudem kann der Speichelfluss erhöht sein. Sind die Augen betroffen, röten sie sich, die Lider schwellen an und die Tränen fließen. Die Haut reagiert ähnlich: Sie rötet sich, juckt, schmerzt und schwillt an. Im Bereich des Nervensystems sind Schläfrigkeit, Schwindel, Taubheitsgefühle, Krämpfe, Unruhe, Bewusstlosigkeit und Halluzinationen möglich.
Bestimmte Wirkstoffe, zum Beispiel im Bärenklau, führen zur sogenannten Wiesendermatitis. Gelangen sie unter Sonnenlicht beziehungsweise UV-Strahlung auf die Haut, kann es zu Verbrennungssymptomen kommen, die in schweren Fällen eine Einweisung ins Krankenhaus erfordern und dort behandelt werden müssen.
Selbst Spezialisten können nur schwer vorhersagen, wie stark die Beschwerden bei einer Vergiftung sein werden. Das liegt zum einen an den unterschiedlichen Zuchtformen der giftigen Pflanzen, deren Giftstoffgehalt daher stark differieren kann. Zum anderen kann der Wirkstoffgehalt der Pflanzen je nach Standort, Vegetationsphase und Jahreszeit stark schwanken. So ist die Eibe im Januar besonders giftig. Außerdem reagieren nicht alle Menschen gleich empfindlich. In vielen Fällen ist der genaue Wirkmechanismus der Toxine auch noch nicht ausreichend bekannt.
Foto: Shutterstock/Jiang Hongyan
Gut organisierte Hilfe
Wie die Dokumentation der deutschen Giftinformationszentren zeigt, ist das Gesundheitsrisiko durch Pflanzen verhältnismäßig niedrig. Selbst kleine Kinder nehmen oft nur geringe Mengen auf, da ein Großteil der Früchte oder Pflanzenteile bitter schmeckt. Dennoch sollte bei jedem Vergiftungsfall so schnell wie möglich ärztlicher Rat eingeholt werden. Deutschlandweit bieten acht Giftinformationszentren rund um die Uhr eine medizinische Beratung am Telefon an. Bei lebensbedrohlichen Symptomen wie Bewusstlosigkeit ist allerdings sofort der Notarzt zu rufen.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bietet eine kostenlose Handy-App »Vergiftungsunfälle bei Kindern«. Sie informiert unter anderem über Pflanzen, die Vergiftungen verursachen können. Im Notfall kann direkt aus der App das zuständige Giftinformationszentrum angerufen werden. /
Pflanze | giftige Teile | Hauptwirkstoff(e) |
---|---|---|
Bittersüßer Nachtschatten (Solanum dulcamara) | v.a. Blätter, Stängel, unreife Beeren | Tomatidenol-, Soladulcidin-, Solasodin-Glykoside |
Dieffenbachie (Dieffenbachia spec.) | alle Teile | Oxalsäure, Calciumoxalat, Dumbcain |
Echter Faulbaum (Frangula alnus) | unreife Beeren, Blätter, frische Rinde | Emodinglucosid B, Glucofrangulin |
Europäisches Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus) | v.a. Samen | Evonin, Evonosid |
Gartenbohne (Phaseolus vulgaris) | Blätter, v.a. Samen | Phasin, Phaseolunatin |
Gefleckter Aronstab (Arum maculatum) | Blätter, Beeren, v.a. Wurzel | Oxalatkristalle, Scharfstoffe |
Gemeiner Efeu (Hedera helix) | v.a. Blätter, Früchte | alpha-Hederin, Hederasaponin C |
Gemeiner Goldregen (Laburnum anagyroides) | v.a. Samen | Cytisin, Laburnin |
Gifthahnenfuß (Ranunculus sceleratus) | v.a. Wurzel | Protoanemonin, Ranunculin |
Lorbeerkirsche (Prunus laurocerasus) | v.a. Samen, Blätter | Prunasin, Amygdalin |
Maiglöckchen (Convallaria majalis) | Beeren, Blätter, v.a. Blüten | Convallatoxin, Convallosid |
Oleander (Nerium oleander) | alle Teile | Oleandrin |
Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum) | v.a. Pflanzensaft | Xanthotoxin, Psoralen, Bergapten |
Roter Fingerhut (Digitalis purpurea) | v.a. Blätter, Blüten, Samen | Digitoxin, Gitoxin, Digoxigenin |
Rotfrüchtige Zaunrübe (Bryonia dioica) | v.a. Wurzeln, Beeren, Samen | Bryonin, Bryonidin, Saponine |
Weißer Germer (Veratrum album) | v.a. Wurzel | Protoveratrin A und B, Germerin |
Zypressenwolfsmilch (Euphorbia cyparissias) | v.a. Milchsaft | Ingenole, Phorbolester |