Pflege als Therapie |
15.08.2016 10:28 Uhr |
Von Elke Wolf / Eine konsequente Hautpflege ist die Basis jeder Neurodermitis-Therapie. Sie kann Juckreiz lindern, akute Schübe hinauszögern und womöglich primärpräventiv wirken. Während in der chronischen Phase eine rückfettende Pflege Pflicht ist, sind wasserhaltige, entzündungshemmende Präparate die Antwort auf akute Schübe.
Die Haut von Neurodermitikern ist trocken, spröde, schuppig und rau. Die Talgdrüsen produzieren nur wenig Talg, sodass sich kein flächendeckender Fettfilm über die Haut ziehen kann. Außerdem fehlt ihr ein effektives Wasserspeichersystem, von Geburt an mangelt es an natürlichen Feuchthaltefaktoren. So ist etwa der Gehalt an Harnstoff in Neurodermitikerhaut auf weniger als ein Sechstel reduziert. Und auch der Zellkitt, der den Raum zwischen den Hornzellen abdichtet, hat eine veränderte Zusammensetzung.
Foto: istockphoto/laflor
Einen wichtigen Part im Hornzellkitt übernehmen die Ceramide. Sie wirken antimikrobiell. Doch auch sie sind bei Neurodermitikern stark dezimiert. Und so besiedeln vermehrt Keime die Hautoberfläche, die bei Gesunden in der Häufigkeit nicht anzutreffen sind. So lässt sich etwa das Bakterium Staphylococcus aureus bei 90 Prozent der Menschen mit Neurodermitis auf der Haut nachweisen, bei Haut-Gesunden jedoch nur bei höchstens 5 Prozent.
Alles in allem kann Neurodermitikerhaut ihre Barriereschutzfunktion nicht mehr richtig erfüllen, und so können Stoffwechselprodukte von Pilzen und Bakterien die Haut leicht durchdringen und als Allergene zu einer Sensibilisierung führen. Staphylococcus bildet zum Beispiel Toxine, die T-Lymphozyten auf den Plan rufen und eine Vielzahl von Immunprozessen in Gang setzen.
Kribbeln und Knistern
Diese Immunreaktionen und die strukturellen Hautveränderungen zeichnen gemeinsam dafür verantwortlich, dass die Haut entzündungsanfällig ist. Die kleinste Irritation reicht aus, und schon flammt das atopische Ekzem wieder auf. Die Haut kribbelt und knistert, den schier unerträglichen Juckreiz können die Patienten oft nur mit Kratzattacken beantworten. Auf der Haut zeigen sich zunächst nässende Ekzeme, die im Laufe der Zeit verkrusten. Ist die akute Phase vorüber, bleiben extrem trockene, schuppende Hautareale zurück.
Die aktuelle AWMF-Leitlinie Neurodermitis unter Federführung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft sieht in der der konsequenten, dauerhaften Basispflege eine wesentliche Säule der Therapie, und das unabhängig von der Schwere und dem Ausmaß der Hautveränderungen. Experten sind sich einig, dass eine gute Basispflege Juckreiz lindern und die Zeit bis zum nächsten Rezidiv hinauszögern kann.
Dazu tragen Neurodermitiker am besten mindestens zweimal täglich wirkstofffreie Basiscremes auf. Nach folgendem Grundsatz ist das Pflegepräparat auszuwählen: Während akut entzündete Haut mit nässenden Ekzemen nach wasserhaltiger Pflege verlangt, braucht trockene, nicht entzündete Haut lipophile Grundlagen. Je akuter das Ekzem, desto höher sollte der Wassergehalt der Grundlage sein, je trockener die Haut, desto lipophiler sollte die Formulierung gewählt werden.
Rückfettende Basiscremes sollten neben Lipiden, oft in Form von Nachtkerzensamen- oder Borretschöl, auch Ceramide enthalten. Damit wird die Wasserbindungsfähigkeit der Haut verbessert und die gestörte Barrierefunktion der Haut wieder hergestellt. Sie wird damit widerstandsfähiger.
Manchen Präparaten sind Feuchthaltefaktoren zugesetzt, allen voran Glycerol 10 Prozent, Harnstoff oder Milchsäure. Achtung bei Harnstoff: Auf bereits angegriffener Haut kann er kurz brennen. In diesem Stadium ist er weniger geeignet. Dann lieber auf eine Milchsäure- beziehungsweise Glycerol-haltige Zubereitung zurückgreifen. Urea-Präparate sind auch nichts für Kinder unter fünf Jahren, da bei ihnen Nebenwirkungen wie Hautirritationen, Rötungen und Brennen besonders häufig auftreten. Und: Harnstoffhaltige Cremes haben nichts im Kühlschrank zu suchen. In der Kälte kristallisiert dieser aus, was die Haut reizen würde.
Rückfettende Ölbäder und regelmäßiges Eincremen mit der richtigen Basispflege erhöhen die Widerstandsfähigkeit der Haut.
Foto: Your Photo Today
Betroffene werden erst einige Präparate ausprobieren müssen, um ein für sie geeignetes zu finden. Denn welches Präparat sich für wen eignet, ist individuell unterschiedlich. Präparate wie Physiogel® A. I. Lotion, Excipial® U10 Lipolotio, Dermasence® Polaneth Lotion, Imlan® Creme, Avène® Xeracalm, Roche Posay Lipikar® Baume AP+, Belixos® Creme oder Eucerin® AtopiControl werden ob ihrer pflegenden Eigenschaften in aller Regel gut toleriert.
Beginnt die Haut zu knistern und zu jucken, gilt es, rechtzeitig zu intervenieren. Der Teufelskreis aus Juckreiz und Kratzattacken befördert schnell einen akuten Schub. Antihistaminika etwa wirken effektiver, wenn sie nicht erst auf dem Höhepunkt des Juckanfalls eingenommen werden. Ein Beispiel: Besser bereits vor dem Zubettgehen das Antihistaminikum nehmen, und nicht erst mitten in der Nacht.
Stopp dem Juckreiz
Juckreiz lässt sich mit Kühlsalbe, Zinkoxidschüttelmixtur sowie Umschlägen beikommen. Dazu tränkt man Baumwoll- oder Leinentücher mit kaltem oder höchstens lauwarmem Wasser, eventuell mit schwarzem Tee, einer erkalteten Ackerschachtelhalm-Abkochung oder Badezusätzen aus synthetischen Gerbstoffen (wie Tannolact® 40 Badezusatz, Tannosynt® flüssig) versehen. Die Umschläge für etwa eine halbe Stunde auflegen. Anschließend die Haut mit einer fettarmen Emulsion eincremen, sonst trocknet sie zu stark aus.
Grundsätzliches
Äußerlich
Innerlich
Quelle: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Gegen den Juckreiz werden auch Formulierungen mit lokalanästhesierendem Polidocanol (wie Anaesthesulf® Lotio), die Kombination aus Polidocanol mit Harnstoff (wie in Optiderm® Lotio) oder 0,5-prozentigem Hydrocortisonacetat (Soventol HydroCort 0,5 %, Ebenol 0,5 % Spray, Fenihydrocort® Creme 0,5 % Spray) empfohlen. Cremogele kühlen und pflegen zugleich. Auf homöopathischem Wege hilft Cardiospermum Urtinktur (Halicar® Creme) der juckenden Haut. Entscheidend ist, dass der Patient die Grundlage als angenehm empfindet. /