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Behandlung von Off-Phasen

Inhalatives L-Dopa richtig anwenden

L-Dopa ist ein bewährter Wirkstoff zur Behandlung von Morbus Parkinson. Mit andauernder Behandlung kann es jedoch vermehrt zu Off-Phasen (Phasen ohne Wirksamkeit) kommen. Hier setzt das neue Präparat Inbrija® von Esteve Pharmaceuticals an, das L-Dopa inhalativ verfügbar macht.
Sven Siebenand
28.06.2022  15:30 Uhr

Etwa 400.000 Menschen in Deutschland sind vom idiopathischen Parkinson-Syndrom betroffen. Es handelt sich damit hierzulande um die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Ursache der Erkrankung ist der fortschreitende Verlust dopaminerger Neuronen in den Basalganglien des Gehirns, insbesondere der Substantia nigra. Charakteristische Symptome sind verlangsamte Bewegung, Muskelsteifigkeit und ein Zittern in Ruhe.

Für die Behandlung gibt es bisher keine kausal wirksamen Therapeutika. Die Therapie zielt gegenwärtig vor allem darauf ab, die motorischen und nicht motorischen Symptome möglichst gut zu lindern. Goldstandard ist nach wie vor der Einsatz von Levodopa (L-Dopa), einer Dopamin-Vorstufe. Um den peripheren Abbau von L-Dopa durch die Decarboxylase zu verhindern, wird es mit einem peripheren Decarboxylase-Inhibitor wie Benserazid oder Carbidopa kombiniert.

Während die L-Dopa-Therapie im frühen Krankheitsstadium meist gut anspricht, kommt es im Verlauf – bedingt durch Verlust dopaminerger Zellen und Störungen im Gastrointestinaltrakt – zunehmend zu Schwankungen des Dopaminspiegels im Gehirn. Phasen guter Wirksamkeit (On-Phasen), Phasen mit vorzeitigem Verlust der Wirksamkeit (Wearing-Off), Phasen ohne Wirksamkeit (Off-Phasen) und Phasen mit überschießender Wirksamkeit treten auf.

Insbesondere die Off-Phasen mit plötzlich eintretenden Einschränkungen der Motorik sind für die Betroffenen eine erhebliche Belastung und verschlechtern ihre Lebensqualität. Etwa 40 Prozent aller Patienten unter L-Dopa entwickeln nach vier bis sechs Jahren Off-Phasen, nach neun Jahren steigt der Anteil auf 70 Prozent. »Irgendwann sind alle betroffen, die über längere Zeit L-Dopa einnehmen«, sagte Professor Dr. Alexander Storch von der Universitätsmedizin Rostock bei einer Presseveranstaltung von Esteve Pharmaceuticals in Berlin. Der Mediziner informierte, dass die Off-Phasen sich individuell sehr unterschiedlich ankündigen. Bei einigen Patienten träten motorische Einschränkungen auf, etwa der Verlust der Händigkeit. Bei anderen Patienten seien nicht motorische Symptome, etwa Fatigue oder Stimmungsschwankungen, Vorboten einer Off-Phase.

Schnelle Hilfe in der Off-Phase

Zur Überwindung der Off-Phase stehen bereits schnell wirksame Medikamente zur Verfügung, etwa lösliches L-Dopa oder subkutan injiziertes Apomorphin. Mit Inbrija® gibt es nun ein weitere Alternative im Handel. Es handelt sich um das erste inhalative L-Dopa-Medikament und Deutschland ist das erste europäische Land, in dem es verfügbar ist. Zugelassen ist das Präparat zur intermittierenden Behandlung von episodenhaft auftretenden motorischen Fluktuationen (Off-Phasen) bei Erwachsenen, die mit L-Dopa und einem Decarboxylase-Hemmer behandelt werden. Zudem sollten die Patienten eine sogenannte Off-Awareness besitzen, das heißt in der Lage sein, das Einsetzen der Off-Symptome zu erkennen.

Die pulmonale Verabreichung von L-Dopa besitzt Vorteile. Die Magen-Darm-Passage, die bei vielen Betroffenen durch die Erkrankung bereits eingeschränkt ist, wird damit umgangen. Auch ein First-pass-Effekt wird vermieden. Durch die Inhalation des L-Dopa-Trockenpulvers, das über die Lunge schnell in den Blutkreislauf gelangt, kann ein schneller Wirkeintritt erzielt werden, worauf es bei Einsetzen einer Off-Phase ankommt. In der für die EU-Zulassung relevanten Studie zeigte sich bereits nach zehn Minuten eine verbesserte Motorik im Vergleich zu Placebo mit einem statistisch signifikanten Wirkungsmaximum nach 30 Minuten. Die Wirkung von Inbrija hielt bis zu einer Stunde an.

Jede Hartkapsel enthält 42 mg L-Dopa, wovon 33 mg bei der Inhalation abgegeben werden. Die empfohlene Dosis sind zwei Kapseln direkt nacheinander pro Off-Phase. Es wird nicht empfohlen, während einer Off-Phase mehr als zwei Kapseln anzuwenden. Was allerdings möglich ist, ist die Anwendung von Inbriija während weiterer Off-Phasen am gleichen Tag. Die maximale Tagesdosis sollte aber zehn Kapseln nicht übersteigen. Damit ist also der Einsatz bei bis zu fünf Off-Phasen am Tag erlaubt. »Steckt der Patient nicht in der allerschwersten Off-Symptomatik, sollte er die Inhalation immer noch gut hinbekommen«, sagte Professor Dr. Georg Ebersbach, Chefarzt des Neurologischen Fachkrankenhauses für Bewegungsstörungen/Parkinson in Beelitz-Heilstätten.

Tipps zur richtigen Inhalation

Wichtig ist aber, dass die Patienten die Einatemtechnik erlernen müssen, damit die Inhalation bei ihnen keinen Hustenreflex auslöst, hieß es bei der Presseveranstaltung. Erfahrungsgemäß brauche ein Patient zwischen drei und fünf Inhalationsversuche, bis er die Kapsel entleert, die Dosis in der Lunge bleibt und nicht wieder ausgehustet wird.

Bei der Abgabe des Medikaments in der Apotheke kann das pharmazeutische Personal dazu raten, nicht zu tief und nicht zu schnell zu inhalieren. Der Patient hält danach fünf Sekunden die Luft an und er sollte hören, wie die Kapsel im Inhalator rotiert. Ferner darf er nicht in den Inhalator ausatmen und die eingelegte Kapsel sollte durch Zusammendrücken des Devices immer nur einmal »gestanzt« werden. Das Apothekenteam kann die Patienten zudem informieren, dass die Kapseln nicht aus dem Blister herausgedrückt werden dürfen, sondern die Blisterfolie zur Entnahme einfach abgezogen wird. Und: Die Betroffenen sollten Inbrija bei ersten Anzeichen einer einsetzenden Off-Phase sofort zum Einsatz bringen.

Nicht empfohlen wird das Medikament wegen des Risikos für Bronchospasmen bei Patienten, die auch an Asthma, chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) oder anderen chronischen Lungenerkrankungen leiden. Neben Husten und Infektionen der oberen Atemwege zählt auch eine schwärzliche Verfärbung des Sputums zu den häufigen Nebenwirkungen. Ursache ist die Oxidation von L-Dopa. Dies sei harmlos, teilte Esteve der PZ mit. Die Patienten sollten aber darauf hingewiesen werden, dass bei der Anwendung von Inbrija eine dunkle Verfärbung der Körperflüssigkeiten, etwa Speichel, Sputum, Urin oder Schweiß, auftreten könne.

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