Jugend gegen HPV impfen |
Würden Mädchen und Jungen vor dem ersten Sexualverkehr gegen humane Papillomaviren geimpft, könnte man verschiedene Krebsarten und seine Vorstufen vermeiden. Bislang ist die Impfquote viel zu gering. / Foto: Getty Images/Westend61 / Uwe Umstätter
»Die prophylaktische Impfung hat das Potenzial, Genitalwarzen und HPV-bedingte Dysplasien und Karzinome deutlich zu reduzieren beziehungsweise annähernd zu eliminieren«, sagte Wieland vom Institut für Virologie des Universitätsklinikums Köln bei der zentralen Fortbildung der Landesapothekerkammer Hessen. Bleibt eine HPV-Infektion nämlich bestehen, kann sich im Laufe der Zeit Krebs entwickeln, vor allem am Gebärmutterhals, aber auch an After oder Penis und in Mund und Rachen. Epidemiologische Daten aus Ländern wie Australien und Großbritannien mit hohen Impfraten bei Personen, die noch keinen Kontakt mit HPV hatten (HPV-naiv), zeigen einen signifikanten Rückgang von anogenitaler und oraler HPV-Verbreitung, von Vorstufen und Karzinomen des Gebärmutterhalses sowie Feigwarzen.
Allerdings wird diese Impfung hierzulande noch immer viel zu selten in Anspruch genommen, bemängelte die Leiterin des Nationalen Referenzzentrums für Papillom- und Polyomaviren, das am Uniklinikum in Köln angesiedelt ist. Nur rund 50 Prozent sowohl der 15- als auch der 18-Jährigen in Deutschland seien derzeit vollständig geimpft. »Dabei gehört die Impfung für Mädchen seit rund 15 Jahren zum Standardimpfprogramm«, sagte Wieland. Bei jungen Männern, für die erst seit 2018 die Impfung empfohlen wird, sehe es noch dürftiger aus. Lediglich 5,1 Prozent der 15-Jährigen weisen eine vollständige Impfserie auf. Die Ständige Impfkommission (STIKO) rät Mädchen und Jungen im Alter zwischen 9 und 14 Jahren zur zweimaligen Impfung in einem Abstand von einem halben Jahr. Bis zum 18. Lebensjahr werden Nachholimpfungen empfohlen, dann stehen allerdings drei Impftermine auf dem Programm.
Wieland sieht nur eine realistische Chance, hierzulande die HPV-Impfquote hochzutreiben. »Wir Ärzte müssen alles daransetzen, die U11- und die J1-Untersuchungen dazu zu nutzen, Mütter, Väter und ihre Kinder auf die Chance der Impfung aufmerksam zu machen. Die Möglichkeit der Schulimpfung wie etwa in Großbritannien ist hierzulande kaum umsetzbar.« Neben einer zielgruppenorientierten Aufklärungs- und Informationskampagne inklusive eines Einladungs- und Erinnerungssystems, wäre es laut Wieland auch hilfreich, die HPV-Impfung genauso wie die Masernimpfung als »dringend« einzustufen.
»Wichtig ist die Impfung zu einem Zeitpunkt vor der Aufnahme sexueller Kontakte. Das ist essenziell. Der beste Schutz vor Gebärmutterhalskrebs lässt sich erzielen, wenn Mädchen bereits mit 12 oder 13 Jahren geimpft werden. Denn das Risiko einer sexuell aktiven Frau, im Laufe ihres Lebens eine genitale HPV-Infektion zu erwerben, liegt bei mehr als 80 Prozent. Die Durchseuchung ist enorm hoch«, informierte die Virologin.
Infektionen mit HPV gehören zu den häufigsten Virusinfektionen des Menschen. Eine Ansteckung mit HPV erfolgt hauptsächlich durch sexuelle Kontakte. Dabei gelangen die Erreger über kleinste Verletzungen der Haut oder über Schleimhäute in den Körper. Außerdem ist eine Übertragung von der Mutter auf das Neugeborene während der Geburt möglich. Fast alle Frauen und Männer stecken sich im Laufe ihres Lebens mindestens einmal mit HPV an. Am häufigsten tritt eine Infektion bis zum Alter von 25 Jahren auf. Die meisten HPV-Infektionen verlaufen ohne Krankheitszeichen und daher unbemerkt.
»Die meisten Infektionen sind transienter Natur. Man hat die Viren also nach ein paar Monaten meist wieder los. Die Infektion heilt nach einiger Zeit ohne Folgen wieder aus«, erklärt auch Wieland. Aber nicht immer: »10 bis 15 Prozent der infizierten Frauen bilden keine erfolgreiche zelluläre Immunität aus.« Bleibt die Infektion bestehen, können manche der mehr als 200 verschiedenen HPV-Typen Genitalwarzen oder auch Veränderungen an Zellen verursachen, aus denen sich Krebs entwickeln kann. In Deutschland gibt es pro Jahr rund 4100 Zervixkarzinome, aber mehr als 100 000 operative Eingriffe (sogenannte Konisationen) zur Diagnose und Therapie verdächtiger Befunde, sogenannte zervikale intraepitheliale Neoplasien (CIN), nannte Wieland konkrete Zahlen. Die meisten Erkrankungen werden durch zwei Hochrisiko-Typen verursacht: HPV 16 und 18. Zudem gibt es noch mindestens 13 weitere HPV-Typen, die Krebs hervorrufen können.
Neben Gebärmutterhalskrebs und Karzinomen von Vagina, Vulva, Anus und Penis sind HPV auch Verursacher von Tumoren der Kopf-Hals-Region. Auch dabei sind HPV 16 und HPV 18 die Haupt-Onkogene. Wieland stellte Daten vor, nach denen HPV-bedingte Oropharyngeal-Karzinome in den USA mittlerweile häufiger auftreten als Zervixkarzinome. Auch in Deutschland stiegen sowohl der Anteil HPV-bedingter oropharyngealer Karzinome als auch die Inzidenz in den vergangenen Jahren an.
Mit Beginn der sexuellen Aktivität kommt es schnell zu einer Ansteckung mit HPV. Deshalb sollen die HPV-Impfungen vor dem ersten Geschlechtsverkehr appliziert werden. Impfen schützt zu nahezu 100 Prozent vor einer Infektion mit den HPV-Typen, die in den Impfstoffen enthaltenen sind, wenn man sich zuvor noch nicht angesteckt hat. Kondome können das Ansteckungsrisiko zwar verringern, aber nicht zuverlässig verhindern.
In Deutschland gibt es zwei Impfstoffe gegen HPV: Cervarix® und Gardasil® 9. Mit beiden kann ein Impfschutz gegen die Hochrisiko-Typen HPV 16 und 18 aufgebaut werden. Gardasil ist ein nonavalenter Impfstoff, da er zusätzlich gegen sieben weitere HPV-Typen (HPV 6, 11, 31, 33, 45, 52 und 58) wirksam ist.