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Keine Chance für Karies

Eine weit verbreitete Krankheit, gegen die es keine Medikamente gibt – das ist Karies. Doch anders als bei vielen anderen Erkrankungen gibt es hier eine wirksame Prophylaxe.
Annette Immel-Sehr
07.09.2020  08:20 Uhr

Zähne können durch gezielte Vorsorge bis ins hohe Alter erhalten bleiben. Im Jahr 2016 veröffentlichten die zuständigen Fachgesellschaften erstmalig eine Leitlinie zur Kariesprophylaxe bei den bleibenden Zähnen. Aus ihr lassen sich sieben Empfehlungen ableiten, um Karies zu verhindern. Drei davon muss jeder täglich umsetzen, die weiteren sind mit dem Zahnarzt abzustimmen beziehungsweise er führt sie durch.

Sobald der Mensch Zähne besitzt, kann sich darauf Karies entwickeln. Vor allem wenn die bleibenden Zähne betroffen sind, ist der Schaden groß. Denn neben erheblichen Schmerzen führt Karies schließlich auch zum Zahnverlust. Die deutsche Bezeichnung der Erkrankung »Zahnfäule« ist sehr bildlich: Im Endstadium sieht ein kariöser Zahn aus, als ob er fault. Die Erkrankung beginnt schleichend, ohne dass der Betroffene die Zerstörung der Zahnsubstanz zunächst spürt, und schreitet langsam voran.

Eine beginnende Entkalkung (Initialkaries) des Zahnschmelzes ist zwar nicht spür-, aber sichtbar. Sie zeigt sich in kleinen weißen Flecken, sogenannten Kreideflecken, auf dem Zahnschmelz. Durch Einlagerungen von Farbpigmenten aus der Nahrung werden diese Flecken mit der Zeit oft dunkel. Dringt die Karies weiter bis in das Dentin vor, entsteht das, was umgangssprachlich als »Loch im Zahn« bezeichnet wird. Nun können auch Zahnschmerzen auftreten. Durch die geschädigte poröse Stelle im Zahn dringen Bakterien bis in das Zahninnere vor und können den Zahn von innen völlig zerstören. Das geht relativ leicht, wenn die Karies erst einmal in das Dentin vorgedrungen ist. Denn Dentin ist wesentlich weicher als Zahnschmelz, und die Schäden dehnen sich dort schnell in die Breite aus. Der so untergrabene Zahnschmelz kann dann beim Kauen plötzlich einbrechen. Spätestens jetzt sollten Betroffene einen Zahnarzt aufsuchen.

Nahrung entziehen

Zwei Aspekte spielen im Kariesgeschehen eine entscheidende Rolle: die Ernährung des Menschen und die Bakterien, die sich daran bedienen. Bakterien in der Mundhöhle, vor allem Streptokokken, ernähren sich von Zuckern. Dazu zählt Haushaltszucker genauso wie zum Beispiel Traubenzucker und Fruchtzucker. Auch Stärke können sie verstoffwechseln und diese großen Moleküle in Ein- und Zweifachzucker zerlegen. Aus diesem Grund sind nicht allein zuckerhaltige Lebensmittel kariesfördernd, sondern auch stärkehaltige. Als Abfallprodukt des Bakterienstoffwechsels entstehen Säuren, die die Zahnoberfläche angreifen und ihr wichtige Mineralstoffe entziehen. Dieser Effekt verstärkt sich durch säurehaltige Getränke.

Karies entsteht in der Regel an den Furchen der Kauflächen der Zähne, am Zahnfleischansatz sowie an den Kontaktflächen benachbarter Zähne. Hier sind die Lebensbedingungen für Streptokokken und weitere Bakterien ideal und hier machen sie sich fest. Mit der Zeit entsteht ein immer dicker werdender Bakterienrasen: die Plaque. Sie setzt sich aus den Bakterien, deren Stoffwechselprodukten und Speichelkomponenten zusammen. Wenn die Plaque im Laufe der Zeit verkalkt, entsteht Zahnstein.

Im Frühstadium lässt sich die Karies noch stoppen. Die oberflächlichen Kreideflecken auf dem Zahnschmelz können mit Fluorid wieder »repariert«, das heißt remineralisiert werden. Dringt die Karies aber in das Dentin vor, ist die Zahnsubstanz nicht mehr zu retten. Der Zahnarzt muss die befallenen und geschädigten Teile zum Beispiel mit einem Bohrer abschleifen. Weil die entfernte Zahnsubstanz nicht mehr nachwächst, füllt der Zahnarzt den entstandenen Defekt mit Füllungsmaterial auf oder setzt eine Krone darauf.

Zeit nehmen

Angesichts dieses Krankheitsverlaufs wird deutlich: Kariesprophylaxe muss bei den Bakterien ansetzen. Sie lassen sich zwar nicht dauerhaft aus der Mundhöhle entfernen, doch wenn der Mensch weniger Zucker zu sich nimmt und weniger säurehaltige Getränke konsumiert, verschlechtern sich ihre Lebensbedingungen erheblich. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Zucker dem Lebensmittel zugesetzt wurde oder natürlicherweise dort vorkommt, wie in Früchten, Säften oder Honig.

Wenn dann auch noch Speisereste an den Zähnen und die Plaque regelmäßig entfernt werden, so haben es Streptokokken und Co. zunehmend schwerer, auf den Zähnen zu überleben. Die Basis der Kariesprophylaxe ist somit die zweimal tägliche gründliche Reinigung der Zähne mit einer Zahnbürste und einer fluoridhaltigen Zahnpasta. Wichtiger als die Frage, ob eine Hand- oder eine elektrische Zahnbürste verwendet wird, ist die sorgfältige Durchführung. Das Putzen sollte mindestens zwei Minuten dauern. In dieser Zeit lassen sich immerhin ungefähr 40 Prozent der Plaque entfernen – von daher darf auch gern ein wenig länger geputzt werden. Je nach Zahnstellung können Speisereste und Biofilm nicht allein mit der Zahnbürste entfernt werden. Um an schlecht zugängliche Bereiche zu gelangen, sind Zahnseide oder Interdentalbürsten geeignete Hilfsmittel. Mundspülungen und der Einsatz einer Munddusche bieten keine Alternative zur mechanischen Plaque-Entfernung, sie können das Zähneputzen nur ergänzen.

Neben der Plaqueentfernung ist die Fluoridanwendung die wichtigste kariesprophylaktische Maßnahme. Fluoride stehen in unterschiedlichen Darreichungsformen für die Anwendung zu Hause sowie für die Zahnarztpraxis zur Verfügung, und zwar in Form von Zahnpasta, hochkonzentrierten Gelees und als Lack. Fluorid fördert die Remineralisation des Zahnschmelzes mit Calcium und Phosphat und hemmt die Plaque-Bakterien darin, Zucker in Säuren umzuwandeln.

Fluorid unverzichtbar

In Drogeriemärkten und Apotheken findet der Verbraucher ein riesiges Angebot an Zahnpasten. Worauf sollte er achten? Das wichtigste Kriterium ist der Fluoridgehalt. Er sollte möglichst hoch sein. Die Kosmetik-Verordnung nennt für Zahnpasten eine zulässige Höchstkonzentration von 1500 ppm. Die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde empfiehlt, ab dem Schulalter eine Zahnpasta mit mindestens 1000 ppm Fluorid zu benutzen. Kinder im Vorschulalter sollten Zahnpasta mit 500 ppm Fluorid verwenden.

Obwohl dieser Punkt unter Zahnärzten unstrittig ist, gibt es auf dem Markt zahlreiche Produkte, die zu wenig oder gar kein Fluorid enthalten. In Zahnpasten kommen Natriumfluorid, Aluminiumfluorid, Zinnfluorid oder organische Aminfluoride zum Einsatz. Meist enthalten die Pasten ein oder zwei Fluoridverbindungen sowie remineralisierende Stoffe wie Calcium- oder Alkaliphosphate. Weitere typische Inhaltsstoffe sind feine Putzkörper, Tenside, Feuchthalte- und Bindemittel sowie Geschmacks- und Farbstoffe. Die Wirkung fluoridhaltiger Zahnpasten kann durch eine zusätzliche, einmal wöchentliche Anwendung höher konzentrierter Fluorid-Gelees deutlich gesteigert werden. Auch die Verwendung von fluoridhaltigem Speisesalz kann der Kariesprophylaxe dienen.

Noch vor einigen Jahren empfahlen Zahnärzte, nach jedem Essen die Zähne zu putzen. Dies gilt mittlerweile allerdings als überholt, zumindest was das Putzen mit Zahnpasta anbelangt. Denn wie heute bekannt ist, sinkt der pH-Wert im Mund nach einer Mahlzeit. Das saure Milieu wiederum erweicht den Zahnschmelz. Schmirgelnde Inhaltstoffe der Zahncreme und die mechanischen Kräfte können den Schmelz dann beschädigen. Daher sollte nach dem Essen mindestens eine halbe bis ganze Stunde keine Zahnpasta angewendet werden.

Wer sein Gebiss säubern möchte, sollte entweder ohne Zahnpasta putzen oder Speisereste mit der Munddusche wegspülen. Vor dem Frühstück und vor dem Schlafengehen gehört Fluorid-Zahnpasta auf die (elektrische) Zahnbürste. Für ein gutes Gefühl nach dem Essen kann das Kauen von zuckerfreiem Kaugummi sorgen. Mit seinen Geschmacksstoffen regt es den Speichelfluss an. Der Speichel wiederum neutralisiert zahnschädliche Säuren, spült Nahrungsreste aus der Mundhöhle, versorgt die Zahnsubstanz mit Mineralstoffen und unterdrückt die Plaquebildung. Es wird empfohlen, nach den Mahlzeiten für 10 bis 20 Minuten ein Zahnpflegekaugummi zu kauen.

Vorsorge nutzen

Bei durchbrechenden bleibenden Zähnen oder im freiliegenden Wurzelbereich der Zähne, kann die Anwendung von Chlorhexidin-Lack dazu beitragen, Karies vorzubeugen. Für wen diese Maßnahme in Frage kommt, entscheidet der Zahnarzt, der dann gegebenenfalls auch den Lack aufträgt.

Schließlich kann auch die Versiegelung kariesgefährdeter Kauflächen zur Kariesprophylaxe gehören. Dabei werden für die Zahnbürste schwer zugängliche kleine Ritzen und Grübchen im Zahn mit einem Lack verschlossen, sodass sich dort keine Karies bilden kann. Letzter Punkt des Vorsorgeprogramms ist die jährliche oder halbjährliche professionelle Zahnreinigung, die das persönliche Zähneputzen ergänzen, aber nicht ersetzen soll. Dabei entfernt der Zahnarzt hartnäckige Ablagerungen auf den Zähnen, in den Zahnzwischenräumen und auch unterhalb des Zahnfleischsaums. Es folgt eine Politur der Zähne, die das erneute Anhaften von Bakterien erschwert, und schließlich eine Fluoridierung mit einem Lack oder einem Gel. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten dieser Vorsorgeleistung allerdings nicht. Für gesetzlich versicherte Erwachsene ist nur die Kontrolluntersuchung zweimal pro Jahr und einmal pro Jahr die Zahnsteinentfernung kostenfrei. 

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