Krach macht krank |
Vor allem Fluglärm belastet Menschen. / Foto: Getty Images/georgeclerk
Besonders im städtischen Umfeld ist der Alltag geprägt von vielen Klängen, die nicht immer angenehm sind. »Lärm definiert sich durch ein Geräusch, das nicht mal unbedingt laut sein muss, jedoch unerwünscht ist. Man empfindet es als unangenehm, man will sich dem entziehen«, erklärte Lärmforscherin Brigitte Schulte-Fortkamp der Nachrichtenagentur dpa anlässlich des heutigen »Tages gegen Lärm«.
Grundsätzlich sei das Empfinden von Lärm zwar subjektiv, so die Akustik-Spezialistin. Im Allgemeinen könne man aber sagen, dass sehr laute Geräusche, die bei über 85 Dezibel lägen und Kommunikation verhinderten, relativ einheitlich als Lärm empfunden würden, wenn es sich um Umgebungsgeräusche handele. Vergleichbar sei dies mit einem dicht vorbeifahrenden Lkw.
Die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) weist zudem darauf hin, dass Verkehrslärm und Feinstaub das Risiko für Depressionen und Angststörungen erhöhen können. Die Evolution unseres Organismus sorge dafür, dass wir Geräusche als Hinweis auf mögliche Gefahrenquellen wahrnehmen – sogar im Schlaf, erklärt Professor Manfred Beutel, Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Universitätsmedizin Mainz. Das autonome Nervensystem aktiviere in der Folge Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol und reagiere mit Herzraten- und Blutdruckanstieg sowie anderen physiologischen Prozessen, so der DGPM-Experte.
Neben diesen kardiovaskulären Auswirkungen habe Lärmbelästigung auch negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit. »Lärmbelästigung stört tägliche Aktivitäten, stört Gefühle und Gedanken, den Schlaf und die Erholung«, erklärt Beutel. Die Unterbrechungen lösten negative emotionale Reaktionen aus wie Ärger, Distress, Erschöpfung, Fluchtimpulse oder Stresssymptome. »Solche Zustände fördern auf Dauer die Entstehung von Depressionen.«
Bestätigt habe das eine groß angelegte Gutenberg-Gesundheitsstudie am Beispiel vieler Mainzer Bürger, die zu einem großen Teil unter der Lärmbelästigung durch den Frankfurter Flughafen leiden. »Mit zunehmender Lärmbelästigung stiegen die Raten von Depressionen und Angststörungen kontinuierlich an, bis sich die Risiken bei extremer Belästigung schließlich verdoppelten«, berichtet Beutel. Das hätten auch andere Untersuchung bestätigt: Einer Metaanalyse zufolge steigert sich das Depressionsrisiko um 12 Prozent pro 10 Dezibel Lärmzunahme. Eine weitere Studie stellte einen Zusammenhang zwischen nächtlicher Lärmbelästigung und der Einnahme von Antidepressiva fest.
Der Gutenberg-Studie zufolge fühlen sich Menschen am stärksten von Fluglärm belästigt, gefolgt von Straßen-, Nachbarschafts- Industrie- und Bahnlärm. Lärm trete zudem am häufigsten in Ballungsgebieten auf, in denen auch die Luftverschmutzung, zum Beispiel durch Feinstaub, höher sei. Beutel: »Feinstaub steht ebenfalls unter Verdacht, Ängste und Depressionen zu fördern.« Die kleinen Partikel könnten in die Blutbahn gelangen und dort Entzündungsprozesse auslösen, die mit Depressionen in enger Wechselwirkung stehen.
Die Zusammenhänge zwischen Lärm, Luftverschmutzung und psychischen Störungen müssen aus Sicht des Experten weiter erforscht werden. »Die Beschaffenheit des Wohnumfelds beeinflusst das Auftreten von Depressionen – und dazu gehört auch Lärm, dessen Auswirkungen lange vernachlässigt wurden.«
Den »Tag gegen Lärm« gibt es in Deutschland seit 1998. Er ist eine Aktion der Deutschen Gesellschaft für Akustik (DEGA). Der Tag ist jedes Jahr zeitlich mit dem »International Noise Awareness Day« (USA) abgestimmt. Die Zielrichtung ist im Allgemeinen die Aufmerksamkeit und Sensibilisierung bezogen auf Lärm und seine Wirkungen. Laut DEGA soll auch in diesem Jahr die Forderung, notwendige Schritte zur Verbesserung der akustischen Umwelt anzustoßen, erneuert werden. Unter dem Motto »Hört sich gut an« stehe die Partizipation von Bürgerinnen und Bürgern im Fokus.