Lernen von Spitzensportlern |
Hoch hinaus: Wer Erfolg haben will, muss Einsatz zeigen. / Foto: Adobe Stock/germanskydive110
Es gibt Menschen, die scheinen das Glück gepachtet zu haben: Als Babys sind sie unkompliziert, als Kinder Bestimmer, als Jugendliche Sportskanonen und als Erwachsene erfolg-reich im Job – glückliches Privatleben inklusive. Sind das einfach nur Naturtalente? Nein, denn ohne Einsatz schafft es keiner so weit nach oben – Talent hin oder her. Spitzensportler etwa sind extrem fokussiert. Sie konzentrieren sich jeden Tag nur auf die Dinge, die sie ihren Zielen näher bringen. Das gilt auch für Erfolgreiche in anderen Bereichen. Der US-Psychologe Anders Ericsson hat in einer Studie festgestellt, dass Spitzengeiger im Schnitt bis zu ihrem 20. Lebensjahr 10.000 Stunden geübt haben, ihre Geigenlehrer hingegen »nur« rund 4000 Stunden.
Tennisspielerin Steffi Graf trainierte zu ihrer Profizeit zwischen sechs und zehn Stunden täglich. Die ehemalige US-First-Lady Michelle Obama steht um 4:30 Uhr auf, um im Fitnessstudio zu trainieren und die künftige Präsidentin der Europäischen Zentralbank Christine Lagarde lernte schon in ihrer Jugend beim Leistungssport (Synchronschwimmen) schwierige Zeiten durchzustehen, Zähne zusammenzubeißen und weiterzumachen.
Aber keine Sorge, das bedeutet nun nicht, dass jeder es den Überfliegerinnen nun nachmachen muss. Es ist nicht nötig, ab sofort 10.000 Überstunden zu machen, um die Gehaltserhöhung zu bekommen – oder die tolle Wohnung oder die schlanke Figur. Aber ein Scheibchen abschneiden, das kann man sich schon von den »Heldinnen«. Da reicht es vielleicht schon, eine Stunde wöchentlich mehr für die Ziele zu tun: in das Fitnessstudio gehen, Vokabeln lernen oder endlich den »Kreativ-Schreiben-Kurs« belegen.
Wer diese Konsequenz noch mit folgenden Eigenschaften kombiniert, die Psychologen für Erfolg im Leben verantwortlich machen, wird unschlagbar. Dazu zählen Selbstvertrauen, ein starkes Auftreten, Vorstellungskraft, die richtige Sprache und Mut. Wie sich diese und andere Fähigkeiten fördern lassen, verraten einige Experten hier.
Gesundes Selbstvertrauen ist ein Schlüssel für den Erfolg, weiß Expertin Antje Heimsoeth. / Foto: Narimaan Nikbakht
Zu einem starken Auftritt gehört auch ein gesundes Vertrauen in sich selbst. Nichts wirkt so destabilisierend auf das Selbstbild wie der weit verbreitete Glaube, die anderen seien sowieso besser, schneller oder stärker. Ersetzen Sie die negativen Selbstgespräche lieber durch positive Selbst-Suggestionen. »Wie genau die innere Stimme zum Unterstützer wird, lässt sich bei Profi-Sportlern immer wieder beobachten: Sie führen vor oder während eines Wettkampfs häufig Selbstgespräche, erteilen sich Befehle, klopfen sich auf die Oberschenkel, machen sich Mut«, sagt Antje Heimsoeth. Sie gilt als Expertin für mentale Stärke, Motivation und Selbstführung und hat schon mehrere Bücher zu dem Thema geschrieben.
Heimsoeth kennt Tricks, mit denen aus Zweifel Zuversicht wird und aktives Handeln Versagensängste ausschaltet. Ihr Rat: »Sie können im Alltag ein Notizbuch bei sich tragen und die Sätze, die genau das Gegenteil besagen, sofort hineinschreiben. Ein Beispiel: Sie denken: ›Ich bin immer so passiv‹. Sobald Sie sich beim negativen Denken ertappt haben, zücken Sie Ihr Notizbuch und schreiben ein Beispiel für das Gegenteil hinein: Wenn ich will, kann ich sehr aktiv sein. Ich war in meiner Jugend Hamburger Meisterin im Basketball, habe letzten Sommer 5 Kilo abgenommen, und so weiter. Fertigen Sie zudem folgende Liste an: Was Sie an sich mögen und was Sie können. Und lesen Sie sich diese Liste mindestens zweimal am Tag durch. Das macht Sie stärker und stärker.«
Treten trotzdem immer wieder negative Gedanken auf, etwa ›Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll!‹, können Sie diesen mit einem mehrmals hintereinander – laut oder, je nach Situation, leise – ausgesprochenem »Stopp« entgegentreten. Stellen Sie sich dabei ein Stoppschild vor, das verstärkt die Wirkung. Natürlich lassen sich mit solchen Übungen negative Gedanken nicht von heute auf morgen dauerhaft abschalten. Gerade in stressigen Situationen fällt man leicht in alte Denk- und Verhaltensmuster zurück. »Die Hirnforschung hat festgestellt, dass neues Denken etwa 90 Tage benötigt, um installiert zu sein«, so Heimsoeth weiter.
In der Hypnose ist die Fähigkeit, sich Dinge vorzustellen, ein wichtiges Instrument, um innere Bilder abspielen zu lassen. So stehen viele Spitzensportler vor einem Wettkampf mit geschlossenen Augen da und gehen noch einmal bestimmte Bewegungsabläufe durch. Vom ehemaligen Tennis-Profi André Agassi ist der Ausspruch bekannt: »Ich habe schon tausend Mal Wimbledon in meiner Vorstellung gewonnen, bevor ich es wirklich gewonnen habe.«
»Der Geist hat bekanntlich einen großen Einfluss auf den Körper«, bestätigt auch Nils Reineking, ein klinischer Hypnotiseur (www.nils-reineking.de), der bereits mit einigen Fussball-Nationalspielern und -Weltmeistern zusammengearbeitet hat. »Wenn wir an etwas Positives oder Negatives denken, schüttet unser Gehirn Hormone aus, die unsere Leistungsfähigkeit über Minuten und Stunden beeinflussen können. Wer sich beispielsweise vor einem Wettkampf vorstellt, wie er einen gelungenen Wurf oder Lauf hinlegt, geht mit einer größeren Sicherheit an den Start als jemand, der sich selbst mit Seitenstechen oder dem Abbruch eines Rennens vor Augen hat. Das Gleiche gilt für wichtige Verhandlungsgespräche, das Überwinden von Leistungsblockaden oder dem nächsten Karriereschritt.«
»Ein gedrucktes oder digitales Bild kann hier sehr hilfreich sein«, ergänzt Reineking. Dieses Bild sollte ausschließlich mit positiven und kraftvollen Assoziationen verkoppelt werden, zum Beispiel dem Zieleinlauf bei einem Marathon. Durch das zusätzliche Visualisieren mit den Augen kann dann der gewünschte Effekt noch weiter verstärkt werden.«
Erfolgsfaktor Körpersprache: Monika Matschnig erklärt, wie man Mimik und Gestik gezielt einsetzt. / Foto: www.bigshot.at/Christian Jungwirth
Verlierer oder Gewinner erkennt man auch an der Körpersprache – das fanden Wissenschaftler der Deutschen Sporthochschule Köln und der Uni Heidelberg heraus. So lassen hängende Schultern auf Niederlagen schließen, die breite Brust signalisiert ein dominantes Verhalten. In einer Situation des Wettbewerbs etwa ist es nicht immer vorteilhaft, sein seelisches Befinden nach außen zu tragen. Der Grund: Wer durch seine Körpersprache zeigt, dass er ängstlich ist, wird seinen Gegner eher stärken, als ihm Respekt einzuflößen. Das gilt sowohl im sportlichen Wettbewerb – als auch in zwischenmenschlichen Situationen.
Das weiß auch die frühere österreichische Volleyball-Nationalspielerin und Körpersprache-Expertin Monika Matschnig: »Mehr als 400.000 Signale senden wir während eines 30-minütigen Gesprächs aus – allein über unsere Mimik, Gestik und Körpersprache. Das Gute: Wir können deren Effekte gezielt einsetzen. Wirken wir positiv, ist auch unser Gegenüber entspannt, locker und unverkrampft.
›Kopf hoch‹ ist zum Beispiel nicht nur ein Spruch, sondern ein wichtiges Signal an die Umwelt. Wer seinen Kopf einzieht, zeigt Unsicherheit und verbreitet dadurch schlechte Stimmung. Das ist sogar wissenschaftlich erwiesen. Für positive Reaktionen sorgt hingegen eine Haltung, bei der das Brustbein angehoben ist und man sich vorstellt, man würde ein Buch auf dem Kopf balancieren. Gehen Sie zielstrebig, lassen Sie die Arme mitschwingen, suchen Sie Blickkontakt. Und: Vergessen Sie nicht zu lächeln.«
»Gewinner drücken sich anders aus als Verlierer«, weiß Joachim Schaffer-Suchomol, Persönlichkeitscoach und Autor. Legendär ist der Ausspruch von Boxer Muhammad Ali: »Um ein großer Champion zu sein, musst du daran glauben, dass du der Beste bist. Selbst wenn du es nicht bist, tu’ so als wärst du es«. Keine Spur von Selbstzweifel liegt in seinen Worten.
Schaffer-Suchomol nennt hier ein paar Gewohnheiten zum täglichen Üben: Weg mit den negativen Floskeln. Sagen Sie statt: »Ich weiß nicht, ob ich das schaffe«, lieber: »Ich setze mich gleich ran.« Loben Sie andere – natürlich nur, wenn Sie es so meinen! Anerkennung kommt wie ein Bumerang zurück. Beispiele: »Das ist eine gute Idee!« oder »Ich mag deine Spontanität!« Sagen Sie klar und deutlich was Sie wollen, dann bekommen Sie es auch. Meiden Sie Wörter, die Sie und andere verunsichern. Sagen Sie etwa statt: »Mir geht es eigentlich gut« besser »Mir geht es gut«. Oder: »Mit dieser Sache fühle ich mich nicht wohl!« Beziehen Sie also klar Stellung. Fragen Sie auch statt: »Wollen wir uns vielleicht treffen?«, besser konkret: »Wollen wir uns morgen Abend um 20 Uhr treffen?« Und sagen Sie anstelle von: »Wir müssen mal wieder reden«, lieber: »Ich möchte mit dir über Folgendes reden! Hast du jetzt Zeit?« Formulieren Sie ein »Sei mir nicht böse, aber ich kann nicht kommen«, besser um in ein knappes, prägnantes: »Ich kann nicht kommen.«
Manchmal muss man sich einfach überwinden, damit es läuft. Der Triathlon in der nächsten Saison, der erste Fallschirmsprung, die Kündigung des alten Jobs, um den Traumjob anzutreten – (fast) alles ist möglich und nur eines dafür nötig: Mut zur Überwindung der Angst. Das hat selbst eine Stuntfrau wie Tanja de Wendt auf ihrem Weg erfahren und dabei gelernt: »Übergroße Angst lähmt. Auch im Alltag. Sei es vor Misserfolg, den Partner zu verlieren, Fehler zu machen oder sich auf finanzielles Glatteis zu begeben. Dieser Angst geben wir dann Namen, die uns nicht so peinlich sind. Bequemlichkeit, Faulheit, Unlust.«
Mut lässt sich aber trainieren. Beispiel: Sie wollten schon immer Inlineskates fahren. Dann kaufen Sie sich noch heute welche. Die kleinen Schritte entscheiden, denn jede gestandene kleine Herausforderung, lässt das Selbstvertrauen steigen. Wichtig dabei: »Risiken eingehen heißt nicht, sich unbesonnen in Gefahr zu begeben. Bei einem Stunt ist die Vorbereitung und der Schutz das A und O. Dieselben Rettungsanker brauchen Sie auch bei Ihren Projekten: Überlegen Sie sich, bevor Sie Ihren Job aufgeben, welche Sicherheiten Sie haben und was Sie machen wollen, wenn es mit dem freien Leben doch nicht klappt. Der Sprung ins kalte Wasser darf sein – aber nur, wenn Sie schwimmen können!«, so de Wendt.
Antje Heimsoeth:
Mentale Stärke: Was wir von Spitzensportlern lernen können.
128 Seiten, C.H. Beck 2017, ISBN: 978-3406708343, EUR 6,90
Monika Matschnig:
Körpersprache. Macht. Erfolg: Wie Sie andere im Beruf überzeugen und begeistern.
224 Seiten, Gabal, 2. Auflage 2019, ISBN: 978-3869369068, EUR 25
Joachim Schaffer-Suchomol:
Entdecke die Macht der Sprache: Was wir wirklich sagen, wenn wir sprechen.
384 Seiten, Mvg-Verlag 2012, ISBN: 978-3868822847, EUR 16,99