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Mehr als ein Figurproblem

Lipödem und Lymphödem

Lip- und Lymphödem-Betroffene sind meist heftigen Vorurteilen ausgesetzt: Sie ernährten sich ungesund, würden zu wenig Sport treiben und sich überhaupt gehen lassen. Dabei ist alles ganz anders. Dass selbst Ärzte dem unproportionierten Äußeren ihrer Patienten zu selten auf den Grund gehen, verstärkt den Teufelskreis aus Scham, Schmerz und Schneckenhaus. Betroffene hoffen jetzt auf Hilfe vom Bundesgesundheitsminister.
Elke Wolf
14.06.2019  16:00 Uhr

Anfang des Jahres sorgte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für Aufsehen, weil er die Fettabsaugung für Patienten mit Lipödem am Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) vorbei als Kassenleistung erreichen wollte. Zwar ist sein Antrag gescheitert, doch durch sein Vorpreschen ist Bewegung in die Therapie einer Erkrankung gekommen, die – so scheint es – seit Jahren konservativ ineffektiv angegangen wird, obwohl effektivere operative Verfahren zur Verfügung stehen.

Das Lipödem, das ausnahmslos Frauen trifft, ist eine chronische Fettverteilungsstörung, bei der sich die Adipozyten besonders in den unteren Extremitäten stark vermehren und vergrößern. Diese Erkrankung der Fettzellen zeigt sich, indem bei einem zumeist schlanken Oberkörper die Beine unproportioniert voluminös sind. Hände und Füße bleiben dagegen ausgespart. Charakteristischer Weise treten die krankhaften Fettansammlungen immer symmetrisch auf, also an beiden Beinen gleich ausgeprägt, und deformieren die Beine zu sogenannten Säulenbeinen. Die Patientinnen belasten, bedingt durch das Ödem, Druckschmerz, Schwere- und Spannungsgefühl sowie Blutergüsse.

Warum sich bei schätzungsweise rund vier Millionen Frauen in Deutschland die Adipozyten außer der Norm verhalten, ist unklar. Vermutet wird eine genetische Komponente, sind doch Häufungen innerhalb einer Familie keine Seltenheit. Und auch eine Beteiligung der Sexualhormone wird diskutiert, da die Erkrankung oft in Phasen hormoneller Veränderung wie Pubertät, Schwangerschaft oder auch Wechseljahren erstmals auftritt beziehungsweise sich verschlechtert.

Verwechslungsgefahr mit Adipositas

Das Lipödem ist eine Erkrankung, um die sich viele falsche Vorstellungen ranken. Das dokumentieren etwa Dr. Donald Buch und Dr. Karen Herbst in ihrer aktuellen Übersichtsarbeit im Fachjournal »PRS Global Open«. Selbst viele Ärzte kennen das Krankheitsbild der Lipohypertrophia dolorosa nur unzureichend und fehlinterpretieren es nicht selten als eine lebensstilbedingte Adipositas. Spezialist für das Lipödem ist der Lymphologe beziehungsweise Phlebologe.

Zwar ist das Lipödem in etwa der Hälfte der Fälle mit Übergewicht oder Adipositas vergesellschaftet, doch handelt es sich beim Lipödem um eine eigene Diagnose, betonen die beiden Chirurgen. Anders als bei zu viel Gewicht reagierte die Fettzellen-Erkrankung weder auf eine Kalorieneinschränkung noch auf Lebensstiländerungen oder bariatrische Chirurgie. Es sei gar die fehlende Volumenabnahme der Beine trotz Reduktion des Gesamtgewichts ein entscheidendes Krankheitszeichen und Diagnosekriterium für das Lipödem. Auch das deutliche Missverhältnis zwischen der Menge des Fettgewebes in den unteren Extremitäten und im Rest des Körpers spreche eigentlich gegen eine Adipositas, die in der Regel generalisiert ist, so die Autoren. In der Tat kann die Kleidergröße zwischen Ober- und Unterkörper extrem variieren.

Auch Verwechslungen mit einem primären Lymphödem sind möglich, also einer Flüssigkeitsansammlung, die auf einer Störung des Lymphgefäßsystems beruht. Zwar können auch dabei die Beine geschwollen sein, doch erfasst diese Flüssigkeitsansammlung im Gegensatz zum Lipödem meist auch den Fußrücken. Außerdem schmerzt das Gewebe nicht, wenn Druck ausgeübt wird.

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