Low Carb – wie sinnvoll ist der Verzicht? |
Reich an Eiweiß und Fett, arm an Kohlenhydraten – diese Ernährungsweise eignet sich nach Meinung von Ernährungswissenschaftlern nicht auf Dauer. / Foto: Getty Images / Aamulya
Der Begriff »Low Carb« steht für eine Ernährungsweise, die relativ wenig Kohlenhydrate enthält. Kohlenhydrate werden im Englischen als »carbohydrates« bezeichnet – daher der Name. Anstelle der Kohlenhydrate dienen Fett und Protein zur Energiegewinnung und zum Sattwerden. Konkret bedeutet dies, dass Kartoffeln, Nudeln, Brot und Reis tagtäglich vor allem durch Fleisch, Eier, Käse oder Fisch ersetzt werden. Allein mit einem Verschieben der Nährstoffanteile nimmt allerdings noch niemand ab. Dies wird erst möglich, wenn zusätzlich die tägliche Gesamtkalorienmenge reduziert wird. Die bekannteste Low-Carb-Diät ist vermutlich die Atkins-Diät, die in den 1970er Jahren veröffentlicht wurde.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt allgemein für die Ernährung eine Mischkost mit einem Anteil an einfachen und komplexen Kohlenhydraten, der mehr als 50 Prozent des täglichen Energiebedarfs deckt. Alles was darunter liegt, kann im Prinzip bereits als Low-Carb-Ernährung bezeichnet werden. Bei der Betrachtung von Diäten gilt eine Kost, bei der Kohlenhydrate 26 bis 33 Prozent der Energiezufuhr ausmachen, als moderates Low Carb. Dem stehen drastische Low-Carb-Varianten gegenüber, die den Kohlenhydratanteil auf unter 20 Prozent (zum Beispiel Atkins-Diät) oder sogar unter 10 Prozent der Gesamtenergiezufuhr beschränken. Derzeit werden rund 20 unterschiedliche Low-Carb-Diäten in Büchern und im Internet angepriesen. Das Spektrum ist recht vielseitig und unübersichtlich. Zum Teil sind die Diäten nicht nur kohlenhydratarm, sondern sparen zusätzlich am Fett. Andere machen weitere Vorschriften, die über die Zusammenstellung der Ernährung hinausgehen. Eine vergleichende Bewertung der Diäten ist nicht möglich, weil es kaum aussagekräftige wissenschaftliche Daten gibt.
Was passiert im Stoffwechsel, wenn Kohlenhydrate zur Energiegewinnung fehlen? Zunächst produziert der Körper selbst Glucose aus Aminosäuren. Dies geschieht biochemisch über den Weg der Gluconeogenese. Nach wenigen Tagen stellt der Körper den Stoffwechsel dann noch einmal um und nutzt Fette zur Energiegewinnung. Zum einen sind dies die Fette in der Nahrung, zum anderen greift der Organismus auf seine eigenen Fettreserven zurück, er beginnt, das Fett ab- und umzubauen. Die daraus entstehenden Ketonkörper ersetzen die Glucose als Brennstoff zur Energiegewinnung.
Mit einer Low-Carb-Diät abzunehmen, funktioniert meist gut. Menschen mit einer eingeschränkten Nierenfunktion oder einem erhöhten kardiovaskulären Risiko sollten jedoch ihren Arzt fragen, ob sich diese Methode für sie zur Gewichtsreduktion eignet. Wichtig ist bei einer Low-Carb-Diät in jedem Fall, viel zu trinken. Eine kohlenhydratarme Diät erhöht, wie Studien nachgewiesen haben, zu Beginn den Energieumsatz im Körper. Erste sichtbare Erfolge stellen sich daher bald ein. Allerdings ist es zweitrangig, wie schnell der Gewichtsverlust startet. Entscheidend ist vielmehr das Endergebnis. Studien haben gezeigt, dass Probanden unter Low Carb zwar schneller und mehr abnehmen als mit einer fettreduzierten Kost. Doch nach einem Jahr findet sich oft kein Unterschied mehr.
Dann aber kommt – unabhängig von der Art der durchgeführten Diät – die größte Herausforderung: Nicht wieder in alte Ernährungsgewohnheiten zurückzufallen, sondern dauerhaft bei weniger Kalorien zu bleiben. Vielen, die erfolgreich Gewicht verloren haben, gelingt dies nicht – sie essen irgendwann wieder wie vorher und nehmen zu.
Ob Low-Carb zum Abnehmen geeignet ist, ist letztlich eine ganz individuelle Frage. Untersuchungen deuten darauf hin, dass das Ansprechen und vielleicht auch die Geschmackvorlieben genetisch bedingt sind. Die Kost sättigt gut und wird meist als schmackhaft empfunden. Dennoch können sich manche Menschen ein Leben fast ohne Brot, Nudeln und Kartoffeln kaum vorstellen. Für sie gehören solche Lebensmittel selbstverständlich zu einer kompletten Mahlzeit dazu. Anderen ist der hohe Verzehr von Fleisch und Eiern einfach zuwider. Sie empfinden diese Art von Diät als Qual und brechen sie wahrscheinlich früher oder später frustriert ab. Für sie ist es empfehlenswert, stattdessen Kalorien bei der Fettzufuhr und beim Zucker zu sparen, wenn sie abnehmen wollen.
Bleibt noch die Frage, ob eine Low-Carb-Ernährungsweise an sich gesund ist. So erfolgreich Low Carb beim Abnehmen sein kann, als dauerhafte Ernährungsweise schätzen sie viele Ernährungswissenschaftler nicht. Denn dauerhaft auf komplexe Kohlenhydrate zu verzichten und damit wertvolle nährstoffreiche Lebensmittel wie Vollkornbrot, Kartoffeln, stärkereiche Gemüse oder Obst aus dem Speiseplan zu streichen, halten sie nicht für sinnvoll. Weil damit auch Ballaststoffe, Vitamine, Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe fehlen. Mediziner warnen davor, dass die höhere Fettzufuhr unter Low Carb das Arteriosklerose-Risiko erhöhen und der hohe Eiweißanteil die Nieren belasten kann. All diese Bedenken passen zum Ergebnis der sogenannten ARIC-Studie, die Langzeitdaten von mehr als 15.000 Probanden über einen Zeitraum von durchschnittlich 25 Jahren auswertete. Es zeigte sich, dass eine Ernährung mit einem Kohlenhydratanteil von unter 40 Prozent der Gesamtkalorien die Lebenserwartung verringert. Aber auch das andere Extrem – ein sehr hoher Kohlenhydratanteil von mehr als 70 Energieprozent – war langfristig mit einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko verbunden. Wie so oft liegt der richtige Weg wohl auch hier in der Mitte.