PTA-Forum online
Prophylaxe an erster Stelle

Malaria kennt kein Halten

Der Kampf gegen Malaria gleicht dem des Don Quichotte gegen die Windmühlenflügel. Mal ist die Forschung einen Schritt voraus, mal überholt die Krankheit wieder. In den letzten Jahren stiegen die Erkrankungszahlen weltweit wieder an, nachdem sie seit 2010 kontinuierlich gesunken waren. So ist die Malaria tropica immer noch die häufigste Infektionskrankheit und betrifft jährlich rund 228 Millionen Menschen, von denen mehr als 400.000 sterben.
Edith Schettler
03.07.2020  16:00 Uhr

Etwa die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Malaria-Risikogebieten. Die Region umspannt den gesamten Globus wie ein Gürtel zwischen dem 40. nördlichen und dem 30. südlichen Breitengrad. Das Erkrankungsgeschehen ist komplex, denn es gibt nicht den einen Erreger der Malaria, sondern gleich fünf. Es handelt sich um einzellige Parasiten aus der Gattung Plasmodium: Plasmodium (P.) falciparum, P. vivax, P. ovale, P. malariae und P. knowlesi. Die Forscher waren lange der Meinung, dass letztere Art nur für Affen pathogen ist, sie kann aber auch den Menschen infizieren. Allen diesen Plasmodien gemeinsam ist es, dass sie Anopheles-Mücken als Vektoren nutzen, um in die Blutbahn ihres Wirtes zu gelangen. Dabei stellt der Mensch den Zwischenwirt dar, Hauptwirt ist die Mücke.

Damit sich Malaria verbreitet, müssen mehrere Faktoren stimmen: die Bedingungen, unter denen sich sowohl Plasmodien als auch Mücken vermehren können und die räumliche Konzentration der beiden Wirte. Die Plasmodien benötigen eine Temperatur von ständig mindestens 15 Grad Celsius für ihre geschlechtliche Vermehrung. Anopheles-Mücken legen ihre Eier im Wasser ab und sind auf stehende Gewässer angewiesen. Um ihre Nachkommen ernähren zu können, müssen die Weibchen mindestens eine Blutmahlzeit zu sich nehmen.

Über das Jahr gleichmäßig warme Gebiete mit periodischen Niederschlägen, in denen viele Menschen leben, bereiten der Krankheit idealen Nährboden. In den Malaria-Risikogebieten sind viele Mücken von Plasmodien befallen. Dort herrscht meist Armut, Malaria-Medikamente sind unerschwinglich oder nicht beschaffbar. Deshalb ist auch die Durchseuchung des zweiten Wirtes, des Menschen, hoch. Der Wirtswechsel gelingt den Plasmodien demzufolge leicht. Die Regenzeiten bieten ideale Voraussetzungen für die Eiablage, also ist während und nach der Regenzeit das Malariarisiko am höchsten. Mit dem Bau von Staudämmen und Bewässerungsanlagen schafft der Mensch zusätzliche Brutplätze.

Komplexe Reifung

Im Darm der Mücken findet die geschlechtliche Vermehrung der Plasmodien statt. Zwei Keimzellen, Mikro- und Makrogameten, verschmelzen zu einer Zygote. Sie nistet sich in der Darmwand ein und wächst zu einer Oozyste heran. In dieser bilden sich mehrere Hundert einkernige Sporozoiten, die nach ihrer Freisetzung in den Speichel der Mücke wandern. Sticht nun eine weibliche Mücke einen Menschen, gelangen die Sporozoiten mit dem Blut zur Leber. Dort reifen sie zu mehrkernigen Schizonten heran, die nach und nach Tochterzellen, die einkernigen Merozoiten, ins Blut abgeben. Ein Teil der Merozoiten bleibt bei P. vivax und P. ovale in der Leber im Ruhezustand zurück und verbirgt sich dort vor dem Immunsystem. Die Merozoiten im Blut dringen in die Erythrozyten ein und entwickeln sich dort zu Schizonten, die wieder Tochterzellen abspalten. Diese ernähren sich vom Inhalt der roten Blutzellen und bringen sie zum Platzen. Die nun freiwerdenden Merozoiten suchen wieder die nächsten Erythrozyten heim, in denen der Zyklus von neuem beginnt. Nach kurzer Zeit laufen diese Zyklen in allen befallenen Erythrozyten synchron ab. Ihr gleichzeitiger Untergang und die damit verbundene Freisetzung von Zytokinen führt zu den für die Malaria typischen Fieberschüben. Im Blut indessen verwandeln sich einzelne Merozoiten erneut. Sie bilden die männlichen und die weiblichen Gametozyten, die darauf warten, beim Stich einer Mücke in deren Darm zu gelangen, wo sie zu den Gameten heranreifen.

Viele Gesichter

Entsprechend der Art des Erregers tritt die Malaria in verschiedenen Formen auf. Die am weitesten verbreitete und auch die gefährlichste ist die Malaria tropica. Sie wird von P. falciparum verursacht und macht weltweit etwa 80 Prozent aller Malariafälle aus. In rund 100 tropischen und subtropischen Ländern aller Kontinente, mit Ausnahme von Australien, ist sie endemisch. Die meisten nach Deutschland importierten Fälle stammen aus Westafrika und Kenia. Indien und Pakistan sind die wichtigsten Endemiegebiete außerhalb Afrikas.

Nach einem infektiösen Stich dauert es ein bis zwei Wochen, bis der Patient die ersten Symptome verspürt. Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen und allgemeines Krankheitsgefühl treten zunächst als unspezifische Symptome auf. Häufig Leidet der Betroffene auch unter Magenbeschwerden und Durchfällen. Das Fieber muss nicht periodisch wechseln und kann sogar ganz fehlen. Wegen der Vielzahl der möglichen Symptome sprechen Mediziner vom Clown unter den Tropenkrankheiten. Innerhalb der ersten sieben bis acht Tage muss die Therapie beginnen, sonst ist der Ausgang oft tödlich. Vor allem bei Reiserückkehrern aus Malariagebieten wird die Diagnose mitunter zu spät gestellt, wenn der Arzt nicht über den Aufenthalt informiert ist.

P. vivax und P. ovale verursachen die Malaria tertiana, das Dreitagefieber. Ihre Entwicklungszeit im Menschen beträgt 48 Stunden, der Patient leidet demzufolge alle 48 Stunden an einem Fieberschub. Die in der Leber überdauernden Merozoiten können noch nach Jahren aktiv werden und die Krankheit immer wieder aufflammen lassen.

Erreger des Viertagefiebers, der Malaria quartana, ist P. malariae. Typisch für diese Form sind die lange Inkubationszeit von bis zu 41 Tagen, der Viertagerhythmus des Fiebers und späte Rezidive, die noch nach 50 Jahren auftreten können. Die Plasmodium-knowlesi-Malaria ist nur in Südostasien verbreitet und durch tägliche Fieberschübe gekennzeichnet. Die Patienten erleiden wegen der hohen Verluste an Erythrozyten eine Anämie und Sauerstoffmangel an allen Organen bis hin zum Organversagen. Sehr häufig sind das Nervensystem und die Nieren betroffen.

Vorbeugen unerlässlich

Reisende in Endemiegebiete sollten sich unbedingt rechtzeitig über das Malariarisiko und geeignete Mittel zur Prophylaxe und Standby-Therapie beraten lassen. Auch Apothekenteams können eine reise- und tropenmedizinische Qualifikation erwerben und diese Leistungen anbieten.

Die wichtigste prophylaktische Maßnahme ist der Schutz vor den Stichen der nachtaktiven Anopheles-Mücken. Klimaanlagen und Fliegengitter machen Räume mückensicher, ein möglichst mit Insektiziden imprägniertes Moskitonetz schafft zusätzliche Sicherheit. Reisende sollten beim Aufenthalt im Freien helle Kleidung wählen, die so viel wie möglich Haut bedeckt. Auch diese können sie mit Insektiziden imprägnieren (beispielsweise Nobite® Kleidung). Repellents schützen die unbedeckte Haut und müssen in entsprechenden Abständen erneut aufgetragen werden. Geeignet sind DEET (N,N-Diethyl-m-toluamid) in einer Konzentration zwischen 20 und 50 Prozent (wie Anti Brumm® forte) und Icaridin (in Autan® tropcial). Mit dem Wirkstoff Permethrin (zum Beispiel Nobite® Verdünner) können Moskitonetze imprägniert werden.

Auch die Chemoprophylaxe bietet keinen absoluten Schutz, kann aber in Hochrisikogebieten das Infektionsrisiko erheblich senken. Für die afrikanischen Länder südlich der Sahara und einige wenige Gebiete Ozeaniens, Asiens und Lateinamerikas empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und Globale Gesundheit (DTG) grundsätzlich eine regelmäßige Chemoprophylaxe. Für die anderen Endemiegebiete hängt die Notwendigkeit von der Dauer des Aufenthaltes, der Reisezeit und dem Reisestil ab. Arzneistoffe sind Atovaquon/Proguanil (beispielsweise Malarone®), Doxycyclin (in Deutschland off label) und Mefloquin (wie Lariam®, in Deutschland nur als Import verfügbar). Ihr Einsatz erfolgt unter Beachtung der lokalen Resistenzsituation und der individuellen Gegebenheiten. So eignet sich zum Beispiel Mefloquin für Taucher nicht, da es die Orientierung beeinträchtigen kann, ist aber das einzige für Schwangere zugelassene Arzneimittel.

In Gebieten mit geringerem Risiko kann der Reisende Medikamente zur Standby-Therapie mitführen, wenn die medizinische Versorgung vor Ort nicht ausreicht. Für diesen Fall sind die Arzneistoffe Atovaquon/Proguanil, Mefloquin, und Artemether/Lumefantrin (Riamet®) zugelassen. Artenimol/Piperaquin (Eurartesim®) steht zusätzlich zur Therapie der Malaria zur Verfügung.

Die DTG warnt ausdrücklich vor Malaria-Schnelltests. Ein negatives Ergebnis schließt eine Malaria nicht aus, es kann durch Anwendungsfehler oder genetische Besonderheiten der Plasmodien in bestimmten Regionen entstehen. Der Reisende wähnt sich so in falscher Sicherheit und versäumt es, sich rechtzeitig in medizinische Behandlung zu begeben.

Zur Immunisierung der einheimischen Bevölkerung ist seit kurzem der Impfstoff Mosquirix® zugelassen. Er enthält ein Oberflächenprotein aus P. falciparum und erfordert die viermalige Gabe für einen Impfschutz, der jedoch nur zu 40 Prozent wirksam ist. Bis zum Jahr 2022 soll ein Pilotversuch in Malawi, Ghana und Kenia das Impfschema optimieren und die Langzeitwirkung klären. Für die Impfung von Touristen ist Mosquirix® nicht zugelassen.

An einem Impfstoff mit vollständig lebensfähigen, nicht abgeschwächten Erregern forscht derzeit die Eberhard-Karls-Universität Tübingen.

TEILEN
Datenschutz

Mehr von Avoxa