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Kleinste Kunststoffpartikel

Mikroplastik schadet Mensch und Natur

Mittlerweile tummeln sich kleinste Plastikpartikel überall auf der Welt: im Meer, in den Böden und sogar in uns Menschen. Das ist nicht nur ein Umweltproblem, sondern kann auch die Gesundheit gefährden.
Anna Carolin Antropov
25.01.2022  12:00 Uhr
Mikroplastik schadet Mensch und Natur

»Mikroplastik sind feste, unlösliche, partikuläre und nicht biologisch abbaubare Polymere im Größenbereich von weniger als 5 mm bis 1000 nm«, erklärt Janine Korduan, Referentin für Kreislaufwirtschaft vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Experten klassifizieren es nach ihrer Partikelgröße und unterscheiden primäres und sekundäres Mikroplastik.

Stellt die Industrie die kleinen Kunststoffpartikel gezielt her, ist von primärem Mikroplastik Typ A die Rede. Die Partikel werden weiterverarbeitet oder beispielsweise beim Sandstrahlen oder in Kosmetikprodukten wie Peelings verwendet. Korduan erklärt gegenüber PTA-Forum: »Typ B entsteht während der Nutzungsphase.« Dabei ist die größte Eintragsquelle mit schätzungsweise 100 000 Tonnen jährlich hierzulande der Abrieb von Autoreifen. Der Trend zu immer schwereren und größeren Autos wie SUVs verschärft das Problem. Doch auch synthetische Textilien aus Fleece oder Polyester geben bei jedem Waschgang Fasern und damit Mikroplastik in das Abwasser ab. Kläranlagen können diese nur unzureichend herausfiltern.

»Sekundäres Mikroplastik entsteht durch den Zerfall größerer Kunststoffteile im Verwitterungsprozess«, so Korduan. Plastikflaschen im Meer werden beispielsweise durch Wind, Wellen und Sonne über Jahre hinweg immer weiter zerkleinert und schließlich zu Mikroplastik zersetzt. Nanoplastik mit einer Partikelgröße unter 1 nm nimmt eine Sonderstellung ein, ebenso gelöste oder flüssige Kunststoffe. Für BUND zählen diese ebenfalls zu dem Begriff Mikroplastik, obwohl sie chemikalienrechtlich in einen anderen Status und damit Zuständigkeitsbereich fallen.

Inert, aber nicht harmlos

»Mikroplastik kommt mittlerweile überall vor«, berichtet Korduan. »An allen entlegenen Orten der Welt sowie in uns, wie etwa im Blut.« Italienische Forscher fanden Mikroplastik sogar in der menschlichen Plazenta. Wir atmen Mikroplastik als Feinstaub ein oder essen es durch Meeresfisch mit. Nanoplastikpartikel können auch von Nahrungsmittelpflanzen aufgenommen werden, zeigte jüngst eine neue Studie. Auch in Getränken in Plastikflaschen schwimmen Mikroplastikpartikel, die wir mittrinken.

An sich sind die Polymere inert. Das bedeutet jedoch nicht, dass von ihnen kein Risiko ausgeht. Denn je nach Größe können sie verschiedene biologische Barrieren überwinden. Eine fächerübergreifende Forschungsgruppe aus Marburg zeigte an Zellkulturen, dass Polystyrolpartikel in der Blutbahn eine Gefäßentzündung auslösen können: Durch das Mikroplastik hefteten sich vermehrt Immunzellen an der Gefäßwand an und setzten Entzündungsproteine frei.

Andere Wissenschaftler untersuchten rote Blutzellen. In ihrem Versuch blieben die Partikel mit einer Größe zwischen 1 bis 10 µm direkt an der Lipidmembran haften und dehnten sie erheblich. Diese Spannung destabilisiert die Membran selbst bei einer niedrigen Partikelkonzentration und verringert ihre Lebensdauer stark. Mikroplastik schädigt Zellmembranen also bereits rein physikalisch.

»Mikroplastik kommt mittlerweile überall vor. An allen entlegenen Orten der Welt sowie in uns, wie etwa im Blut.«
Janine Korduan, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)

Neben Polymersorte und Partikelgröße entscheiden auch Partikelform, Oberflächenmorphologie sowie insbesondere die zugesetzten Additive über die toxikologischen Eigenschaften. »Je nach gewünschter Materialeigenschaft können über 10 000 Chemikalien zugesetzt werden«, erklärt Korduan. »Laut einer Studie, die im Jahr 2020 sehr aufwendig viele Plastik- und Bio-Plastikprodukte testete, enthielten drei Viertel davon Chemikalien, die auf Zellen toxisch wirken, sich in Organismen anreichern oder hormonähnliche Effekte hervorrufen.« Der häufig verwendete Weichmacher Bisphenol A wirkt beispielsweise estrogenartig. Obwohl er bereits 2018 von der EU als »besonders besorgniserregender Stoff« eingestuft wurde, wird er weiter eingesetzt oder durch ähnlich kritische Stoffe wie Bisphenol S/ F ersetzt. Über die beim Plastik verwendeten Additive gibt es keine Transparenz. Das ist auch im Hinblick auf das Recycling problematisch.

Zusätzlich adsorbiert Mikroplastik auf der Oberfläche Stoffe. Biologisch schwer abbaubare organische Schadstoffe wie Pestizide, das Insektizid Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) oder polychlorierte Biphenyle (PCB) können sich dabei um ein Vielfaches anreichern. Ihre starke Bindung an Mikroplastik scheint zwar gleichzeitig ihre Bioverfügbarkeit deutlich herabzusetzen. Dennoch müssen weitere Untersuchungen zeigen, welche genaue Gesundheitsgefährdung von Mikroplastik und den adsorbierten oder zugesetzten Umweltchemikalien ausgeht.

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