Mögliche Ursache der mysteriösen Hepatitis-Fälle entdeckt |
Wahrscheinlich haben die Hepatitis-Fälle einen Zusammenhang mit dem Adeno-assoziierten Virus 2. / Foto: Getty Images/Jose Luis Pelaez Inc
Hinter einer Häufung unerklärlicher Hepatitis-Fälle bei kleinen Kindern weltweit könnte ein bislang unbeachtetes Virus und andere Faktoren stecken. Das legen unabhängig voneinander drei Studien im Fachblatt »Nature« nahe. Auch die Rückkehr der Kinder in Kitas und Schulen nach den Corona-Lockdowns könnte eine Rolle spielen.
Anfang April 2022 traten erstmals rätselhafte und teils schwere Fälle von Hepatitis – einer Leberentzündung – bei vorher gesunden Kindern auf, bei denen keine Hepatitisviren nachgewiesen werden konnten. Im Juli vermeldete die Weltgesundheitsbehörde WHO gut 1000 erkrankte Kinder in 35 Ländern, aus Deutschland wurde in der entsprechenden Liste kein Fall aufgeführt. Rund 50 der teils sehr jungen Patienten benötigten eine Lebertransplantation, mindestens 22 verstarben.
Die nun veröffentlichten Studien aus Großbritannien und den USA legen einen Zusammenhang mit dem Adeno-assoziierten Virus 2 (AAV2) nahe: Die Forschungsgruppen unter Leitung der Universität von Glasgow, des University College London und der University of California fanden in Blut- und Lebergewebeproben entsprechender Kinder teils hohe Konzentrationen des Virus.
Bislang wurde von AAV2 angenommen, dass es keine Krankheiten auslösen kann. Zudem ist AAV2 selbst nicht in der Lage, Zellen zu infizieren: Es braucht andere Viren, um sich zu vermehren. Tatsächlich fand das Team vom University College London neben AAV2 geringe Spuren eines humanen Adenovirus sowie eines Herpesvirus, welche als »Helferviren« fungieren könnten. Die Wissenschaftler vermuten, dass diese die Vermehrung von AAV2 ermöglichen und zum Schweregrad der Leberschäden beitragen könnten.
Auch die Forschenden der University of California beobachteten bei allen erkrankten Kindern sogenannte Co-Infektionen, hier dem Epstein-Barr-Virus oder einem Herpesvirus. »Wir waren überrascht von der Tatsache, dass die Infektionen, die wir bei diesen Kindern feststellten, nicht durch ein ungewöhnliches, neu auftretendes Virus verursacht wurden, sondern durch häufige virale Kinderkrankheitserreger«, merkt Charles Chiu, Hauptautor der US-Studie, in einer Mitteilung an.
»Alle drei Studien machen die gleiche Beobachtung von AAV2 bei Kindern mit ungeklärter akuter Hepatitis«, fasst Frank Tacke von der Berliner Charité in einem begleitenden Kommentar zusammen. Die Tatsache, dass die Untersuchungen auf zwei Kontinenten durchgeführt worden seien, mache sie angesichts des globalen Charakters des Ausbruchs noch wertvoller. Allerdings seien alle Untersuchungen retrospektiv durchgeführt worden und hätten nur relativ geringe Fallzahlen sowie eine noch kleinere Zahl verfügbarer Lebergewebeproben umfasst. Um mögliche Faktoren oder Co-Faktoren für die Krankheitsentwicklung aufzudecken, seien außerdem mehr klinische Informationen über die erkrankten Kinder nötig.
Die Autoren der Studien betonen selbst, dass ihre Arbeiten AAV2 zwar mit dem jüngsten Anstieg der ungeklärten Hepatitis-Fälle in Verbindung bringen würden. Es bleibe aber unklar, welche Rolle das Virus bei der Entstehung der Leberentzündung spiele. Hier wären gezielte und kontrollierte Folgeuntersuchungen nötig, so Tacke. Er schreibt: »Direkte Beweise dafür, wie AAV2 Hepatitis verursachen könnte, gibt es nur begrenzt.«