Möglichst lang ein scharfer Blick |
Die altersabhängige Makuladegeneration ist immer noch der häufigste Grund für Blindheit. Dagegen helfen nur häufige Besuche beim Augenarzt. / Foto: Getty Images/Geraci Luigi
Mit dem Alter lässt die Sehkraft langsam nach, das ist ganz normal. Ein Teil der älteren Menschen entwickelt allerdings Krankheiten, die das Sehvermögen zunehmend verschlechtern oder sogar das Augenlicht gefährden können. Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist in Deutschland mit fast 7,4 Millionen Betroffenen die häufigste Ursache fortschreitender Sehschwäche im Alter. Bei dieser chronisch verlaufenden Augenerkrankung werden zwei Verlaufsformen – die trockene und die feuchte Variante – unterschieden. Bei beiden kommt es zu einer Schädigung der zentralen Netzhaut an der Stelle des schärfsten Sehens: der Makula.
Die Makula, auch aufgrund ihrer Färbung gelber Fleck genannt, ist ein nur wenige Quadratmillimeter großes Areal in der Mitte der Netzhaut. Der gelbe Fleck ist mit seinen zahlreichen Fotorezeptoren, also den Sehsinneszellen für wesentliche Sehleistungen verantwortlich: Lesen, Erkennen von Gesichtern und feinen Einzelheiten sowie das Unterscheiden von Farben. Mit dem Alter kann es in der Makula zu Störungen des Stoffwechsels kommen. Die im Zuge des Sehprozesses entstehenden Stoffwechselprodukte werden nur noch unzureichend abgebaut und lagern sich als Lipofuscin in sogenannten Drusen unter der Netzhaut ab. Diese gelblich gefärbten Ausstülpungen bestehen zu einem Großteil aus Lipiden, außerdem aus verschiedenen Proteinen, die auch in Zusammenhang mit Entzündungen oder anderen immunologischen Prozessen stehen, sowie aus Kohlenhydraten, Mineralien wie Calcium und Pigmenten wie Melanin. Sie stellen gewissermaßen eine Ansammlung von Abfall dar, die die Zellen nicht mehr beseitigen können.
Da ist es nur verständlich, dass die Drusen die Versorgung der Retina mit Sauerstoff und Nährstoffen behindern. In der Frühform einer AMD sind sie klein und hart, im Verlauf der Erkrankung werden sie größer und weicher und ihre Anzahl wächst. Es kommt zu chronischen Entzündungsreaktionen, weiteren Ablagerungen, oxidativem Stress und einer Beeinträchtigung der extrazellulären Matrix. In der Folge sterben Netzhautzellen ab. Dieses auch als geografische Atrophie bezeichnete Stadium bildet die Spätform der trockenen AMD.
An der Makula, der Stelle des schärfsten Sehens, verändern sich Sehsinneszellen krankhaft. Aus der trockenen Form der Makuladegeneration entwickelt sich in einigen Fällen die aggressivere feuchte Variante, bei der es zu Gefäßeinblutungen in die Retina kommt. / Foto: PZ
Die trockene Variante der Makuladegeneration verläuft in der Regel nur sehr langsam und führt eher selten zu starken Sehbehinderungen, der Verlust der Sehzellen ist jedoch irreversibel. Bei etwa 15 Prozent der Betroffenen entwickelt sich aus einer trockenen die feuchte oder neovaskuläre AMD. Dabei sprießen als Reaktion auf die Drusen viele kleine Gefäße in der Aderhaut und wachsen in die Retina ein. Die neu gebildeten Gefäße sind porös, deshalb tritt ständig etwas Flüssigkeit in die Umgebung aus. Zudem können sie einreißen, sodass es zu Einblutungen in die Netzhaut kommt. In der Folge schwillt die Netzhaut an, es bilden sich Ödeme: Der Grund dafür, dass sich die Netzhaut ablöst, Fotorezeptoren absterben und an dieser Stelle Narben entstehen.
Im Gegensatz zur trockenen Spätform ist die feuchte Variante wesentlich aggressiver und rascher fortschreitend. Typischerweise betrifft die AMD anfangs nur ein Auge, mit einer Wahrscheinlichkeit von 45 Prozent erkrankt jedoch auch das zweite Auge innerhalb von 5 Jahren.
Die Erkrankung beginnt zunächst unbemerkt, denn sie verursacht keine Schmerzen. Da anfangs meist nur ein Auge betroffen ist, kann das gesunde Auge den Sehverlust zudem eine gewisse Zeit lang ausgleichen. Farben erscheinen etwas blasser, die Augen benötigen beim Wechsel von Hell nach Dunkel ein wenig länger als üblich, bis sie sich an die Dunkelheit gewöhnen. Tagsüber herrscht etwa beim Lesen ein erhöhter Lichtbedarf, in der Dunkelheit dagegen steigt die Blendempfindlichkeit, etwa nachts beim Autofahren. Mit der Zeit – manchmal dauert es mehrere Jahre – nehmen Sehschärfe (Visus), Farbensehen und Kontrastempfinden ab.
Amsler-Gitter (Test zur Früherkennung von Netzhauterkrankungen): Beim Blick auf das Gitter wird ein Auge abgedeckt, mit dem anderen wird der Punkt in der Mitte fixiert. Anschließend wird auf diese Weise das andere Auge geprüft. Falls der Punkt in der Mitte nicht zu sehen ist oder »Löcher« beziehungsweise graue Schleier, dunkle oder verschwommene Stellen, unterschiedlich große Kästchen oder verbogene, verzerrte Linien erscheinen, sei die augenärztliche Konsultation unumgänglich. Betont wird, dass der Selbsttest mit dem Amsler-Gitter regelmäßige augenärztliche Kontrollen ergänzt, sie aber nicht ersetzt. / Foto: Superbild
Geht die AMD in die feuchte Verlaufsform über, wirken die Farben zunehmend verschwommen, erscheinen gerade Linien verbogen oder unterbrochen, verschwimmen beim Lesen die Buchstaben oder fehlen ganz. Später taucht in der Mitte des Gesichtsfelds ein heller oder dunkler Fleck, ein sogenanntes Skotom, auf, der sich mit der Zeit vergrößert. Schließlich können die Betroffenen Dinge nur noch am Rand des Sehfelds schemenhaft erkennen, beispielsweise bei einer Uhr zwar das Ziffernblatt, nicht aber die Zeiger, oder zwar die Haare, aber nicht mehr das Gesicht eines anderen Menschen. Der fortschreitende Verlust des Sehvermögens führt normalerweise nicht zu einer vollständigen Erblindung, die Sehbehinderung kann jedoch so stark sein, dass die betroffene Person sozialrechtlich als blind eingestuft wird.
Die Retina, wie die Netzhaut auch genannt wird, bildet die innerste Zellschicht des Augapfels. Sie besteht aus einem mehrschichtigen Nervengewebe und liegt nach außen der dünnen Aderhaut an, die ihrer Blutversorgung dient. In einer der Schicht befinden sich die Fotorezeptoren: Stäbchen und Zapfen. Die Stäbchen sind lichtempfindlicher als die Zapfen, können aber keine Farben unterscheiden. Sie sind für das Sehen bei Dämmerung und in der Nacht zuständig. Die Zapfen, von denen der Mensch drei verschiedene Typen besitzt, ermöglichen das scharfe Sehen in Farbe, benötigen aber eine höhere Lichtintensität. Jeder Fotorezeptortyp enthält ein spezifisches Sehpigment, bei allen ist aber Retinal der lichtaufnehmende Bestandteil.
Die etwa 120 Millionen Stäbchen und 6 Millionen Zapfen sind ungleich in der Netzhaut verteilt. In der Makula, einem ovalen, etwa 5 Millimeter großen Areal im Zentrum der Retina sind die Zapfen besonders dicht gepackt, dort ist die Stelle des schärfsten Sehens. Ihre Farbe erhält die Makula durch die eingelagerten Farbstoffe Lutein und Zeaxanthin, die sie vor zu starker Lichteinwirkung schützen.
Die äußerste Schicht der Netzhaut wird von einer Lage dunkel pigmentierter und gefäßreicher Zellen gebildet, dem retinalen Pigmentepithel (RPE). Dieses steht mit der Aderhaut in Kontakt und ist für die Verarbeitung und Entsorgung der Stoffwechselprodukte aus dem Sehzyklus zuständig. Sein hoher Gehalt an Melanin sorgt zudem für die Absorption von kurzwelligem (Blau-)Licht und schützt das Auge vor oxidativen Schäden.
Die Sehzellen wandeln das in das Auge fallende Licht in Nervenimpulse um, die der Sehnerv ins Gehirn weiterleitet. Die bei diesem Vorgang entstehenden Stoffwechselprodukte werden von den Zellen des RPE weiterverarbeitet. Verbrauchte Stoffe wie das Retinal müssen regeneriert und erneut für die Fotorezeptoren bereitgestellt werden. Außerdem transportiert das RPE die entstandenen Abfallprodukte ab. Durch den permanenten Umbau kommt es mit dem Alter zu Ablagerungen von Zellschutt im RPE, was längerfristig die Entstehung von Drusen begünstigt.
So muss die Netzhaut aussehen: gut durchblutet und ohne Drusen, um als Leinwand unseres Sehapparates fungieren zu können. / Foto: Bundesverband der Augenrzte Deutschlands e.V.
Eine AMD wird durch ein komplexes Zusammenspiel von Alterungsprozessen, genetischen und umweltbedingten Risikofaktoren verursacht, was zu einer Störung des Stoffwechsels sowie zu entzündlichen Prozessen in der Retina führt. In der Folge werden die zentralen Sehzellen nicht mehr ausreichend versorgt und gehen zugrunde. Verschiedene Risikofaktoren spielen dabei eine Rolle:
Für die trockene Form der AMD steht bislang noch keine wirksame Behandlung zur Verfügung. Einen gewissen präventiven Effekt erhofft man sich von der Einnahme von Vitalstoffen. So hat eine Studie aus den USA gezeigt, dass die Einnahme von antioxidativen Vitaminen in hohen Dosierungen - allerdings nur bei ganz bestimmten AMD-Formen - sinnvoll sein kann, weil damit das Auftreten der Spätform etwas verzögert wird. Dies wurde aber nur für die Kombination folgender Substanzen in sehr hohen Tagesdosierungen bewiesen: Vitamin C (500 mg), Betacaroten (15 mg), Vitamin E (400 I.E.), Zink (80 mg), Kupferoxid (2 mg), Lutein (10 mg) und Zeaxanthin (2 mg). Für geringere Dosierungen ist eine Wirkung bisher nicht nachgewiesen.
Die feuchte AMD lässt sich mit verschiedenen Ansätzen aufhalten oder verlangsamen. Seit 15 Jahren ist hierbei die Hemmung der Gefäßneubildung, die sogenannte Anti-VEGF-Therapie, die Methode der Wahl. Vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktoren (englisch: vascular endothelial growth factor, VEGF) sind eine Gruppe von Botenstoffen, die die Bildung neuer Blut- und Lymphgefäße stimulieren. Bei Patienten mit AMD sind mitunter erhöhte VEGF-Werte festzustellen. Sie lassen unerwünschte Blutgefäße in der Netzhaut sprießen und fördern die Ödembildung. VEGF-Hemmer blockieren diese Wachstumsfaktoren und können so das Gefäßwachstum unterbinden. In der Folge trocknen die Schwellungen aus und die feuchte AMD kann wieder in die trockene Verlaufsform übergehen. Bei einigen Patienten stellt sich nach einer solchen Therapie sogar eine Verbesserung des Visus ein.
Zur Behandlung der feuchten AMD sind folgende VEGF-Hemmer zugelassen: Aflibercept (Eylea®), Ranibizumab (Lucentis®) und – seit 2020 – Brolucizumab (Beovu®). Daneben kommt Bevacizumab (Avastin®) zur Anwendung. Avastin ist allerdings nicht zur Behandlung der AMD, sondern von Krebserkrankungen zugelassen. Da es aber ähnlich wirksam wie Ranibizumab und dabei deutlich günstiger ist, wird es mitunter im Rahmen eines Off-Label-Use zur AMD-Behandlung verschrieben.
Die Applikationsweise der VEGF-Hemmer mutet zunächst etwas gewöhnungsbedürftig an. So wird nämlich unter lokaler Betäubung eine hauchdünne Kanüle in den Glaskörper eingebracht und der Arzneistoff in die Nähe seines Wirkorts injiziert. Um die erzielte Verbesserung des Sehvermögens aufrechtzuerhalten, brauchen die Patienten in regelmäßigen Abständen diese Spritzentherapie ins Auge, die auch als intravitreale Injektion bezeichnet wird. In den ersten drei Monaten ist monatlich eine Injektion erforderlich. Wie oft und in welchen Zeitabständen weiterbehandelt wird, ist abhängig vom Arzneistoff und vom Krankheitsverlauf. Im Extremfall können mehr als 100 Injektionen erforderlich sein. Aufgrund der Pandemie und Angst vor Ansteckung lassen viel Patienten ihre Spritzen-Sitzungen ausfallen, monieren Augenärzte.
Es gibt zahlreiche neuere Therapieansätze, etwa Wirkstoffe, die auf andere Weise das Einwachsen von Gefäßen in die Netzhaut oder Komponenten des Komplementsystems hemmen, Wirkstoffe, die angereichertes Lipofuscin aus den Drusen entfernen sollen, Implantate mit speziellen Medikamenten oder die Transplantation von aus Stammzellen gewonnenen Pigmentepithel- beziehungsweise Netzhautzellen. Bislang hat allerdings noch keiner dieser Ansätze einen therapeutischen Durchbruch erzielt.
Selbst wenn eine genetische Prädisposition vorliegen sollte, stellt diese kein unausweichliches Schicksal für eine AMD dar. Jeder Mensch kann über sein Verhalten das Erkrankungsrisiko beeinflussen: