Nebenwirkungen für die Umwelt |
Kläranlagen können Medikamente nur eingeschränkt aus dem Wasser herausfiltern. Viele Wirkstoffe sind wasserlöslich oder werden durch die Verstoffwechselung in wasserlöslicher Form ausgeschieden. Sie entgehen der üblichen dreistufigen, nämlich mechanischen, biologischen und chemischen Reinigung. Die Anlagen sind bislang nicht darauf ausgelegt, komplexe Arzneistoffmoleküle zu zerlegen beziehungsweise zu entfernen. Entsprechend sind die Wirkstoffrückstände im Ablauf von Kläranlagen besonders hoch. Über Klärschlämme gelangen die Verunreinigungen auch direkt auf landwirtschaftliche Böden und damit potenziell auch in den Nahrungsmittelkreislauf.
Kläranlagen sind bislang noch nicht darauf ausgelegt, komplexe Arzneistoffmoleküle zu zerlegen beziehungsweise zu entfernen. / Foto: Adobe Stock/Kletr
Das Abwasser von allen Arzneimittelrückständen zu befreien, wäre zwar theoretisch möglich, würde aber bedeuten, dass die Kläranlagen mit zusätzlichen Reinigungsstufen wie Adsorptionsverfahren mit Aktivkohle, Ultra- oder Nanofiltrationen oder UV-Bestrahlung aufgerüstet werden müssen. Diese Methoden verursachen jedoch Kosten, erfordern einen zusätzlichen Einsatz an Ressourcen und Energie und werfen die Frage auf, wie die dabei entstehenden Abfälle entsorgt werden. »Die Kosten auf die pharmazeutische Industrie umzuwälzen, könnte dazu führen, dass Unternehmen im schlimmsten Fall wichtige, aber zwangsläufig auch umweltgefährdende Mittel wie Zytostatika gar nicht mehr auf den Markt bringen«, sagt Dr. Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft vom Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), im Gespräch mit PTA-Forum.
Eine flächendeckende Aufrüstung der Kläranlagen ist vermutlich auch nicht unbedingt erforderlich. Ein erster Schritt wäre schon, dort anzusetzen, wo größere Mengen Arzneistoffe ins Abwasser gelangen, etwa in der Nähe von Krankenhäusern oder Altenheimen.
Arzneimittelrückstände in der aquatischen Umwelt im Konzentrationsbereich Mikrogramm pro Liter (µg/l) zählen wie Spuren von Bioziden, Pflanzenschutzmitteln, Industriechemikalien oder Körperpflege- und Waschmitteln zur Gruppe der Spuren(schad-)stoffe oder Mikroverunreinigungen. Eine flächendecke Überwachung der Arzneimittelrückstände ist in Deutschland bislang nicht etabliert.
Es liegen allenfalls Ergebnisse aus Stichproben vor. Wissenschaftler konnten nach Informationen des UBA dabei in Deutschland mindestens 269 verschiedene Arzneistoffe, deren Metabolite oder Transformationsprodukte in der Umwelt nachweisen. Am häufigsten beziehungsweise in den höchsten Konzentrationen fanden sie Antiepileptika, Analgetika, Antibiotika, Diuretika, Antidiabetika sowie Betablocker und iodierte Röntgenkontrastmittel. Die Konzentrationen lagen meist im Bereich von 0,1 bis 1 µg/l.
Für den Menschen entstehen aus Arzneimittelrückständen in Umwelt und (Trink-)wasser bislang vermutlich keine ernsthaften Gesundheitsgefahren. Die Konzentrationen sind so niedrig, dass sie unterhalb der arzneilich wirksamen Schwelle liegen. Unklar ist aber, wie sich eine lebenslange Belastung mit diesen winzigen Rückstandsmengen auswirkt und welche Auswirkungen sie auf Risikogruppen wie Säuglinge, Kleinkinder oder ältere Menschen haben. Zudem ist der Effekt von möglichen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Wirkstoffen ungewiss.