Nebenwirkungen für die Umwelt |
Auch über die Konsequenzen für die Umwelt ist noch zu wenig bekannt. Wie wirkt es sich auf Pflanzen und Tiere aus, wenn sie über das Wasser dauerhaft Spuren von Medikamenten aufnehmen? Welche Folgen haben wirksame Metabolite und akkumulierte Wirkstoffe sowie deren Mischungen (Cocktaileffekt)? Auch eine mögliche Weitergabe in der Nahrungskette ist zu beachten.
Einmal im Wasserkreislauf, kommen Arzneimittelrückstände über Nahrungsmittel oder direkt über das Trinkwasser zurück zum Menschen. / Foto: Adobe Stock/Africa Studio
In Laborversuchen können Umweltbedingungen und Exposition genau kontrolliert und eine Korrelation mit beobachteten Wirkungen erfasst werden. Wissenschaftler rechnen dann hoch, um die Gefährdung abzuschätzen, die von Stoffen für tierische Organismen in der realen Umwelt ausgehen könnte.
Im Einzelfall wurden Auswirkungen auch bereits direkt in der Natur beobachtet. Ein Beispiel betrifft das nicht steroidale Antirheumatikum Diclofenac, das in einigen Ländern großzügig in der Tiermedizin eingesetzt wird/wurde. Auf dem indischen Subkontinent verabreichten Bauern das Mittel Anfang des 21. Jahrhunderts in großen Mengen über das Futter ihren Rindern. Da Kühe bei den Hindus heilige Tiere sind, werden sie nicht verzehrt und ihre Kadaver einfach liegen gelassen. Aasfresser wie Geier, die das Fleisch gefressen haben, nahmen darüber auch Diclofenac auf, worauf viele an Nierenversagen verstarben. Die Geier-Populationen in Indien, Nepal und Pakistan wurden dadurch stark dezimiert. Nierenschäden sind auch bei anderen Lebewesen, etwa Fischen denkbar, die Diclofenac über das Wasser aufnehmen, das Kläranlagen nicht von dem Wirkstoff reinigen konnten.
Diclofenac gelangt aber nicht nur über Tierarzneimittel in die Umwelt. Der Mensch scheidet über die Hälfte des Wirkstoffes unverändert aus. Aus ökologischer Sicht besonders ungünstig sind die bei vielen Patienten beliebten Diclofenac-Gele. Nur ein geringer Prozentsatz wird über die Haut aufgenommen, der Rest wird abgewaschen und gelangt ins Abwasser.
Wirkstoff | Organismus | Auswirkungen | Art der Studie |
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Diclofenac | Regenbogenforelle | Schädigung innerer Organe | Laborstudie |
Diclofenac | Geier | Populations-zusammenbruch | Umwelteffekt |
Ciprofloxacin | Grünalgen, Wasserlinsen, Cyanobakterien | Hemmung des Wachstums | Laborstudie |
Ethinylestradiol | Dickkopfelritze | Populations-zusammenbruch | Freilandversuch |
Ethinylestradiol | Dickkopfelritze | Hemmung der Reproduktion | Laborstudie |
Ethinylestradiol | Karpfen | Weibliche Merkmale bei Männchen | Umwelteffekt |
Ethinylestradiol | Zebrabärbling | Veränderung der männlichen Geschlechtsorgane | Laborstudie |
Fluoxetin | Leopardfrosch | Störung der Kaulquappen-entwicklung | Laborstudie |
Oxazepam | Zackenbarsch | Gesteigerte Aktivität und verändertes Fraßverhalten | Laborstudie |
Propanolol | Japanischer Reisfisch | Hemmung des Wachstums | Laborstudie |
Propanolol | Mexikanischer Flohkrebs | Störung der Vermehrung | Laborstudie |
Sulfamethoxazol | Reispflanze Haferpflanze | Hemmung der Keimung | Laborstudie |
Auch bei anderen Wirkstoffen gibt es Hinweise auf ökologische Folgen. Das synthetische Ethinylestradiol aus der Antibabypille kann in Gewässern männliche Fische verweiblichen lassen. Bei Antibiotika wird befürchtet, dass Bakterien schneller Resistenzen bilden, wenn sie in der Umwelt den Stoffen ausgesetzt sind. Die Wirkstoffe können zudem bei Pflanzen, Plankton, Grünalgen und Cyanobakterien das Wachstum hemmen. Psychopharmaka können in Versuchen Verhaltensänderungen bei Amphibien auslösen. Das orale Antidiabetikum Metformin zählt zu den weltweit am häufigsten verschriebenen Arzneimitteln und wird zunehmend in bedeutenden Konzentrationen in Gewässern nachgewiesen. Es greift bei Fischen und Säugetieren nicht nur in den Zuckerstoffwechsel ein. Auch Einflüsse auf die endokrine Regulation und den Steroidmetabolismus wurden beobachtet.