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Arzneimittel

Nebenwirkungen für die Umwelt

Ökologische Folgen unklar

Auch über die Konsequenzen für die Umwelt ist noch zu wenig bekannt. Wie wirkt es sich auf Pflanzen und Tiere aus, wenn sie über das Wasser dauerhaft Spuren von Medikamenten aufnehmen? Welche Folgen haben wirksame Metabolite und akkumulierte Wirkstoffe sowie deren Mischungen (Cocktaileffekt)? Auch eine mögliche Weitergabe in der Nahrungskette ist zu beachten.

In Laborversuchen können Umweltbedingungen und Exposition genau kontrolliert und eine Korrelation mit beobachteten Wirkungen erfasst werden. Wissenschaftler rechnen dann hoch, um die Gefährdung abzuschätzen, die von Stoffen für tierische Organismen in der realen Umwelt ausgehen könnte.

Im Einzelfall wurden Auswirkungen auch bereits direkt in der Natur beobachtet. Ein Beispiel betrifft das nicht steroidale Antirheumatikum Diclofenac, das in einigen Ländern großzügig in der Tiermedizin eingesetzt wird/wurde. Auf dem indischen Subkontinent verabreichten Bauern das Mittel Anfang des 21. Jahrhunderts in großen Mengen über das Futter ihren Rindern. Da Kühe bei den Hindus heilige Tiere sind, werden sie nicht verzehrt und ihre Kadaver einfach liegen gelassen. Aasfresser wie Geier, die das Fleisch gefressen haben, nahmen darüber auch Diclofenac auf, worauf viele an Nierenversagen verstarben. Die Geier-Populationen in Indien, Nepal und Pakistan wurden dadurch stark dezimiert. Nierenschäden sind auch bei anderen Lebewesen, etwa Fischen denkbar, die Diclofenac über das Wasser aufnehmen, das Kläranlagen nicht von dem Wirkstoff reinigen konnten.

Diclofenac gelangt aber nicht nur über Tierarzneimittel in die Umwelt. Der Mensch scheidet über die Hälfte des Wirkstoffes unverändert aus. Aus ökologischer Sicht besonders ungünstig sind die bei vielen Patienten beliebten Diclofenac-Gele. Nur ein geringer Prozentsatz wird über die Haut aufgenommen, der Rest wird abgewaschen und gelangt ins Abwasser.

Wirkstoff Organismus Auswirkungen Art der Studie
Diclofenac Regenbogenforelle Schädigung innerer Organe Laborstudie
Diclofenac Geier Populations-zusammenbruch Umwelteffekt
Ciprofloxacin Grünalgen, Wasserlinsen, Cyanobakterien Hemmung des Wachstums Laborstudie
Ethinylestradiol Dickkopfelritze Populations-zusammenbruch Freilandversuch
Ethinylestradiol Dickkopfelritze Hemmung der Reproduktion Laborstudie
Ethinylestradiol Karpfen Weibliche Merkmale bei Männchen Umwelteffekt
Ethinylestradiol Zebrabärbling Veränderung der männlichen Geschlechtsorgane Laborstudie
Fluoxetin Leopardfrosch Störung der Kaulquappen-entwicklung Laborstudie
Oxazepam Zackenbarsch Gesteigerte Aktivität und verändertes Fraßverhalten Laborstudie
Propanolol Japanischer Reisfisch Hemmung des Wachstums Laborstudie
Propanolol Mexikanischer Flohkrebs Störung der Vermehrung Laborstudie
Sulfamethoxazol Reispflanze Haferpflanze Hemmung der Keimung Laborstudie
Wirkungen von Arzneistoffen auf Organismen modifiziert nach: Ebert, I. et al. Arzneimittel in der Umwelt – vermeiden, reduzieren, überwachen. Hintergrundpapier des Umweltbundesamts, April 2014

Auch bei anderen Wirkstoffen gibt es Hinweise auf ökologische Folgen. Das synthetische Ethinylestradiol aus der Antibabypille kann in Gewässern männliche Fische verweiblichen lassen. Bei Antibiotika wird befürchtet, dass Bakterien schneller Resistenzen bilden, wenn sie in der Umwelt den Stoffen ausgesetzt sind. Die Wirkstoffe können zudem bei Pflanzen, Plankton, Grünalgen und Cyanobakterien das Wachstum hemmen. Psychopharmaka können in Versuchen Verhaltensänderungen bei Amphibien auslösen. Das orale Antidiabetikum Metformin zählt zu den weltweit am häufigsten verschriebenen Arzneimitteln und wird zunehmend in bedeutenden Konzentrationen in Gewässern nachgewiesen. Es greift bei Fischen und Säugetieren nicht nur in den Zuckerstoffwechsel ein. Auch Einflüsse auf die endokrine Regulation und den Steroidmetabolismus wurden beobachtet.

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