PTA-Forum online
Trio im Juli

Neue Option bei Neurodermitis

Mitte Juli kamen drei neue Wirkstoffe auf den deutschen Markt. Für die Arbeit in der öffentlichen Apotheke am interessantesten ist der neue Neurodermitis-Antikörper Tralokinumab. Ebenfalls neu sind Satralizumab und Angiotensin II.
Sven Siebenand
30.07.2021  13:00 Uhr

Die Neurodermitis wird auch als atopische Dermatitis bezeichnet und ist eine nicht ansteckende, immunvermittelte, chronische, beziehungsweise chronisch-rezidivierende entzündliche Hauterkrankung. Die Lebensqualität der Betroffenen ist durch den Juckreiz und die Sichtbarkeit der betroffenen Stellen oft eingeschränkt. Bei der Erkrankung spielen verschiedene Zytokine, darunter Interleukin-13 (IL-13), eine wichtige Rolle. In der Haut finden sich erhöhte Konzentrationen dieses Zytokins. Studien belegen, dass IL-13 an der Entstehung der typischen Charakteristika wie Störung der Hautbarriere, Entzündung der Haut, Jucken und erhöhtem Risiko von Hautinfektionen beteiligt ist. Die daraus resultierende chronische Entzündung führt ihrerseits wiederum zur Störung der Hautbarriere.

Im Jahr 2017 kam der Antikörper Dupilumab (Dupixent®) in den Handel. Er blockiert die Alpha-Untereinheit des Interleukin-(IL)-4-Rezeptors, die sowohl Teil des IL-4- als auch des IL-13-Rezeptors ist. Deshalb werden durch Dupilumab sowohl der IL-4- als auch der IL-13-Signalweg gehemmt. Der neue Antikörper Tralokinumab (Adtralza® 150 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze, Leo Pharma) bindet spezifisch und mit hoher Affinität an IL-13 und neutralisiert so die IL-13-Signalgebung.

Nicht für leichte Formen

Das neue Biologikum ist indiziert für die Therapie der mittelschweren bis schweren atopischen Dermatitis bei Erwachsenen, die für eine systemische Therapie infrage kommen. Der Antikörper ist subkutan zu verabreichen. Die Anfangsdosis beträgt vier Injektionen zu je 150 mg, jede an einer anderen Stelle. Daran schließen sich zwei Injektionen zu je 150 mg alle zwei Wochen an. Bei Betroffenen, die eine erscheinungsfreie oder fast erscheinungsfreie Haut unter einer Behandlung erreichen, kann erwogen werden, die Gabe ab der 16. Woche auf ein Dosierungsintervall von alle zwei Wochen auf alle vier Wochen zu verlängern.

Tralokinumab kann mit oder ohne topische Corticoide angewendet werden. Die Fertigspritze darf nicht geschüttelt werden. Nachdem sie aus dem Kühlschrank genommen wurde, sollte sie vor der Injektion über 30 Minuten Zimmertemperatur annehmen. Tralokinumab wird danach subkutan in den Oberschenkel oder den Bauch injiziert, außerhalb eines 5 cm großen Bereiches um den Bauchnabel. Tralokinumab darf nicht an Stellen, an denen die Haut empfindlich oder verletzt ist, oder in Narbengewebe beziehungsweise Hämatome injiziert werden. Sehr häufige Nebenwirkungen von Adtralza sind Infektionen der oberen Atemwege. Häufig sind Reaktionen an der Einstichstelle sowie Rötung und Reizung im Auge.

Lebendimpfstoffe und attenuierte Lebendimpfstoffe dürfen nicht gleichzeitig mit Tralokinumab angewendet werden. Als Vorsichtsmaßnahme ist es vorzuziehen, eine Anwendung des neuen Medikaments während der Schwangerschaft zu vermeiden. In der Stillzeit ist zu entscheiden, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder ob auf die Behandlung mit dem Antikörper verzichtet werden soll.

Neuer Interleukin-6-Antikörper

Unter dem Begriff »Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen« (NMOSD) werden seltene Autoimmunerkrankungen des zentralen Nervensystems zusammengefasst. NMOSD können zu Entzündungen des Sehnervs, plötzlich einsetzender Sehverschlechterung bis hin zur Blindheit führen. NMOSD werden oft mit schädlichen sogenannten AQP4-IgG-Antikörpern in Verbindung gebracht, die gegen Astrozyten gerichtet sind und diesen schädigen.

Satralizumab (Enspryng® 120 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze, Roche) ist der zweite zugelassene Antikörper zur NMOSD-Therapie. Im vergangenen Jahr hatte bereits Eculizumab (Soliris®) eine Zulassungserweiterung von der europäischen Arzneimittelbehörde EMA erhalten. Satralizumab darf ab zwölf Jahren als Monotherapie oder in Kombination mit einer immunsuppressiven Therapie zur Behandlung von NMOSD eingesetzt werden, wenn Antikörper gegen AQP4-IgG vorhanden sind.

Das Zytokin Interleukin-6 (IL-6) gilt als ein Schlüsselfaktor bei NMOSD, der die Entzündungskaskade auslöst. Satralizumab ist wie Tocilizumab (Roactemra®), Sarilumab (Kevzara®) und Siltuximab (Sylvant®) ein Antikörper, der gegen den IL-6-Rezeptor gerichtet ist. Die Behandlung mit dem neuen Antikörper beginnt mit einer 120-mg-Injektion alle zwei Wochen in den Wochen null, zwei und vier. Danach werden alle vier Wochen 120 mg verabreicht. Anders als Eculizumab wird Satralizumab nicht infundiert, sondern subkutan appliziert. Sehr häufige Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen, Hyperlipidämie, verminderte Anzahl weißer Blutkörperchen und injektionsbedingte Reaktionen.

Für Schockpatienten

Angiotensin II (AT II) ist als sehr starker Vasokonstriktor im Körper bekannt und erhöht dadurch den Blutdruck. ACE-Hemmer verhindern seine Bildung und wirken blutdrucksenkend. In dem neuen Präparat Giapreza® 2,5 mg/ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung von Paion Deutschland ist AT II enthalten. Es kommt bei der Behandlung der refraktären Hypotonie bei Erwachsenen mit einem septischen oder anderen distributiven Schock zum Einsatz, die trotz einer angemessenen Wiederherstellung des Volumens und der Anwendung von Katecholaminen oder anderen verfügbaren gefäßverengenden Therapien hypotensiv bleiben.

Das Medikament ist für die Anwendung im Krankenhaus bestimmt und wird intravenös infundiert. Die Dosis hängt vom Körpergewicht ab und sollte entsprechend dem Blutdruck angepasst werden. Sehr häufige Nebenwirkungen sind thromboembolische Ereignisse und vorübergehende Hypertonie.

Mehr von Avoxa