Neuer Wirkstoff bei Chronischer Anämie |
Sven Siebenand |
21.08.2020 09:00 Uhr |
Die rundlichen Erythrozyten transportieren Sauerstoff in jeden Winkel des Körpers und verleihen dem Blut seine rote Farbe. / Foto: Fotolia/psdesign1
Das neue Medikament ist zugelassen für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit transfusionsabhängiger Anämie. Diese muss dabei entweder mit der Krankheit Beta-Thalassämie oder mit sogenannten myelodysplastischen Syndromen (MDS) verbunden sein. Bei Beta-Thalassämie handelt es sich um eine vererbbare Blutkrankheit, die durch einen genetischen Defekt im Beta-Globin-Gen verursacht wird. Die Krankheit ist mit einer gestörten Hämoglobinbildung und ineffektiven Bildung roter Blutzellen verbunden, was häufig eine schwere Anämie zur Folge hat.
MDS sind eine Gruppe von Erkrankungen, bei denen das Knochenmark nicht genügend Blutzellen bildet. Luspatercept darf bei bestimmten MDS-Patienten, die auf eine Erythropoetin-Behandlung nicht ansprechen oder dafür nicht geeignet sind, zum Einsatz kommen.
Luspatercept reguliert die Reifung von roten Blutzellen. Der Wirkstoff bindet an bestimmte Proteine im Blut. Diese können dann den sogenannten Smad2/3-Signalweg im Körper nicht mehr in Gang setzen. Das ist gut, denn dieser Signalweg ist bei Patienten mit Beta-Thalassämie und MDS überaktiv und verzögert die Reifung von Erythrozyten. Die Hemmung des Signalwegs verstärkt die Bildung und ermöglicht die normale Entwicklung roter Blutzellen. In Zusammenhang mit Luspatercept fällt im Hinblick auf das Wirkprinzip häufig auch die Bezeichnung Liganden-Falle. Das ist ein guter Vergleich. Luspatercept fängt Zytokine sozusagen ab und hindert sie daran, den genannten Signalweg zu starten.
Reblozyl ist als 25-mg und 75-mg Pulver zur Herstellung von Injektionslösungen erhältlich und wird nach Rekonstruktion subkutan in den Oberarm, Oberschenkel oder Bauch injiziert. Die empfohlene Dosis ist vom Körpergewicht des Patienten abhängig und wird je nach Ansprechen des Patienten angepasst (empfohlene Anfangsdosis 1 mg/kg Körpergewicht alle drei Wochen). Die maximale Menge des Arzneimittels pro Injektionsstelle ist 1,2 ml. Wird mehr benötigt, sollte das Gesamtvolumen gleichmäßig auf mehrere Injektionen aufgeteilt und an verschiedenen Stellen verabreicht werden. Dabei muss für jede subkutane Injektion jeweils eine neue Spritze und Nadel verwendet werden und es sollte nicht mehr als eine Dosis aus einer Durchstechflasche verabreicht werden. Wurde die Reblozyl-Lösung nach Rekonstitution gekühlt, sollte sie 15 bis 30 Minuten vor der Injektion aus dem Kühlschrank genommen werden, damit sie Raumtemperatur annehmen kann. Dies ermöglicht eine angenehmere Injektion.
Vor jeder Luspatercept-Gabe muss der Hämoglobinspiegel bestimmt werden. Steigt dieser zu stark an, ist der Arzt gezwungen, die Dosis des neuen Medikaments zu reduzieren. Treten schwere Nebenwirkungen auf, sollte die Behandlung aufgeschoben werden, bis sich die Nebenwirkungen bessern.
Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen bei Patienten mit MDS waren Müdigkeit, Durchfall, Schwächegefühl, Schwindelgefühl, Rückenschmerzen und Kopfschmerzen. Bei Patienten mit Beta-Thalassämie traten Kopf-, Knochen- und Gelenkschmerzen sehr häufig auf.
Luspatercept ist in der Schwangerschaft kontraindiziert. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während und für mindestens drei Monate nach der Behandlung mit dem neuen Präparat eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Vor Beginn der Behandlung muss bei ihnen ein Schwangerschaftstest durchgeführt werden. Aufgrund der unbekannten Nebenwirkungen von Luspatercept bei Säuglingen ist eine Entscheidung zu treffen, ob das Stillen während der Therapie und für drei Monate nach der letzten Dosis zu unterbrechen ist.
Das neue Medikament ist im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C zu lagern. Reblozyl muss vor der Verabreichung vorsichtig rekonstituiert werden. Starkes Schütteln ist dabei jedoch zu vermeiden. Bei Aufbewahrung in der Originalverpackung wurde die chemische und physikalische Stabilität des rekonstituierten Arzneimittels für bis zu acht Stunden bei Raumtemperatur (≤ 25 °C) oder für bis zu 24 Stunden bei 2 bis 8 °C belegt.