Neues Schlafmittel mit Wirkung auf Orexin-System |
Sven Siebenand |
22.11.2022 09:00 Uhr |
Zu den vier neuen Arzneistoffen im November gehört Daridorexant, das einen neuartigen Wirkmechanismus hat. / Foto: Adobe Stock/Pormezz
Mit Daridorexant (Quviviq™, Idorsia) gibt es auf dem deutschen Markt ab sofort ein neues verschreibungspflichtiges Schlafmittel. Es ist zugelassen für Erwachsene mit Insomnie, deren Symptome seit mindestens drei Monaten anhalten und die eine beträchtliche Auswirkung auf die Tagesaktivität haben. Zum Hintergrund: Bei Insomnie handelt sich um ein weit verbreitetes Problem mit einer geschätzten Prävalenz von 6 bis 12 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Europa. Das Behandlungsziel bei Schlaflosigkeit ist es, Qualität und Quantität des Schlafs sowie die Tagesaktivität zu verbessern und gleichzeitig unerwünschte Ereignisse und Auswirkungen am Folgetag zu vermeiden.
Insomnie ist mit einem überaktiven Wachheitssignal im Gehirn verbunden. Studien haben gezeigt, dass Gehirnbereiche, die mit Wachheit assoziiert sind, bei Patienten mit Insomnie während des Schlafs aktiver bleiben. Die Wachheits- und Schlafsignale werden durch komplizierte neuronale Schaltkreise im Gehirn gesteuert. Eine Schlüsselkomponente ist das sogenannte Orexin-System, das die Wachheit fördert. Es besteht aus zwei Orexin-Neuropeptiden, Orexin A und B, sowie zwei Orexin-Rezeptoren OX1R und OX2R. Über diese Rezeptoren helfen die Orexine dabei, gezielt Neuronen im Wachsystem zu stimulieren und führen zudem zur Freisetzung verschiedener Stoffe, um die Wachheit zu fördern, zum Beispiel Serotonin, Histamin, Acetylcholin und Norepinephrin. Unter normalen Umständen steigt der Orexinspiegel im Laufe des Tages an, um die Wachheit zu fördern, und fällt dann zur Nacht wieder ab. Eine Überaktivität des Wachheitssystems gilt als wichtiger Antriebsfaktor von Insomnie.
Daridorexant ist ein dualer Orexin-Rezeptorantagonist (DORA), der verhindert, dass die Orexine an die Rezeptoren andocken. Das verringert die Wachheit und erleichtert das Ein- und Durchschlafen. Studien zeigen, dass es auch helfen kann, die Tagesschläfrigkeit reduzieren. Auf dem europäischen Markt ist Daridorexant der erste Vertreter dieser Wirkstoffklasse. Im Gegensatz zu anderen Behandlungsoptionen reduzieren DORA die überaktive Wachheit und bewirken keine allgemeine Sedierung im Gehirn.
Die empfohlene Dosis beträgt eine 50-mg-Filmtablette einmal pro Nacht. Sie soll abends in den 30 Minuten vor dem Zubettgehen eingenommen werden. Die Wirkung von Quviviq kann sich bei Einnahme mit oder kurz nach einer Mahlzeit verzögern. Grundsätzlich sollte die Behandlungsdauer so kurz wie möglich sein und die Weiterbehandlung in regelmäßigen Abständen vom Arzt geprüft werden. Bisher liegen laut Fachinformation Daten für eine kontinuierliche Behandlung von bis zu einem Jahr vor.
Kontraindiziert ist Daridorexant bei Narkolepsie-Patienten, da Orexine bei daran erkrankten Menschen ohnehin fehlen. Ebenfalls tabu ist der neue Wirkstoff bei gleichzeitiger Einnahme starker CYP3A4-Inhibitoren. Denn das kann dazu führen, dass die Daridorexant-Spiegel zu stark ansteigen. Die gleichzeitige Gabe mäßig starker CYP3A4-Hemmer ist möglich. Dann sollten abends aber nur 25 mg Daridorexant eingenommen werden. Der Verzehr von Grapefruits sollte am Abend wegen der CYP-Blockade vermieden werden. Nicht empfohlen, weil hier nicht untersucht, ist die Anwendung von Daridorexant bei schwerer Leberfunktionsstörung.
Bei gleichzeitiger Verordnung von Quviviq und Arzneimitteln mit dämpfender Wirkung auf das ZNS ist aufgrund von potenziell additiven Wirkungen Vorsicht geboten und es sollte eine Dosisanpassung von Daridorexant oder den gleichzeitig angewendeten Arzneimitteln vom Arzt in Betracht gezogen werden. Patienten sollte hinsichtlich des Konsums von Alkohol während der Behandlung mit dem neuen Schlafmittel zur Vorsicht geraten werden.
Ein besonderer Warnhinweis ist in der Fachinformation zu Schlafparalysen unter Daridorexant zu finden. Dabei kann sich der Patient bis zu mehrere Minuten während des Schlaf-Wach-Übergangs nicht bewegen oder sprechen. Hauptsächlich in den ersten Wochen der Behandlung sind ebenso Halluzinationen und Kataplexien möglich. Verordnende Ärzte und das Apothekenpersonal sollten Patienten über das mögliche Auftreten dieser Ereignisse aufklären. Je nach Art und Schweregrad der Ereignisse ist ein Abbruch der Behandlung in Betracht zu ziehen.
Positiv ist, dass es in Studien keine Anzeichen für einen Missbrauch oder Entzugserscheinungen gab, die auf eine körperliche Abhängigkeit nach dem Absetzen der Behandlung hinweisen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen und Somnolenz.
Während der Schwangerschaft sollte Daridorexant nur zum Einsatz kommen, wenn das aufgrund des klinischen Zustands der Frau erforderlich ist. In der Stillzeit ist zu entscheiden, ob das Stillen unterbrochen wird oder auf Quviviq verzichtet wird.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.