Nicht alles, was untenherum juckt, ist ein Pilz |
Hauterkrankungen im Intimbereich sind häufig ein Tabuthema. Nicht immer steckt eine »harmlose« Pilzerkrankung dahinter. / Foto: Adobe Stock/doucefleur
Die Vulva, also der äußere Bereich der weiblichen primären Geschlechtsorgane, liegt »im dermatologisch-gynäkologischen Niemandsland«, kritisiert Professor Dr. Werner Mendling vom Deutschen Zentrum für Infektionen in Gynäkologie und Geburtshilfe an der Landesfrauenklinik des Helios Universitätsklinikums Wuppertal im Gespräch mit PTA-Forum. Der Grund: Frauenärzte befassen sich in ihrer Ausbildung kaum mit Hauterkrankungen. Dermatologen wiederum tun das zwar, werden aber nur selten konsultiert, wenn Frauen oder Mädchen an Entzündungen im Anogenitalbereich leiden.
Klagt eine Patientin beim Gynäkologen über dortiges Jucken oder schmerzhafte Entzündungen, würden viele Ärzte in aller Regel zunächst einmal von einer Pilzinfektion etwa mit der verbreiteten Variante Candida albicans ausgehen. Auch die Frauen selbst seien oft, noch vor dem Arztbesuch oder sogar ohne überhaupt ärztlichen Rat zu suchen, dieser Überzeugung, berichtet Professor Mendling. »90 Prozent der Frauen kaufen sich bei Jucken oder Brennen rezeptfreie Antimykotika wie Clotrimazol, was vermutlich in 50 bis 80 Prozent der Fälle falsch ist.« PTA und Apotheker sollten deshalb bei solch einem OTC-Verkauf immer darüber informieren, dass es neben Pilzerkrankungen noch allerhand andere Ursachen für die beschriebenen Beschwerden gibt, »so beispielsweise psychosozialen Stress, der Schmerzen ohne organische Ursachen im Bereich der Vulva, die so genannte Vulvodynie, hervorrufen kann. Aber auch Neurodermitis oder eben Lichen sclerosus und Lichen planus, zwei unterschiedliche Autoimmunerkrankungen mit Juckreiz, Brennen und Hautveränderungen, kommen als Ursache infrage«.
Der Gynäkologe schätzt, dass etwa 1 bis 3 Prozent aller Frauen an Lichen sclerosus leiden. Sie würden jedoch oft sehr spät oder gar nicht richtig diagnostiziert, weil die Krankheitszeichen besonders im Anfangsstadium jenseits der Dermatologie auch unter Medizinern nicht allzu bekannt seien. Lichen sclerosus kommt bei Frauen, Männern und Kindern vor – wenn bei Frauen, dann meist an der Vulva. Lichen ist griechisch für »Flechte«, »sclerosus« bedeutet »trocken« beziehungsweise »hart«.
Mediziner vermuten, dass die »trockene Flechte« eine Reihe von Auslösern haben kann, darunter hormoneller, genetischer, verletzungsbedingter oder auch autoimmuner Art. So trete Lichen sclerosus häufig zusammen mit anderen Autoimmunkrankheiten wie einer Hashimoto-Thyreoiditis oder auch Diabetes mellitus Typ 1 auf, informiert die Betroffenenorganisation Lichen sclerosus Deutschland. Für hormonelle Anteile der Erkrankung wiederum spreche, dass Lichen sclerosus bei Mädchen häufig mit dem Eintritt in die Pubertät vorübergehend zum Stillstand komme.
Erkennbar sei die Krankheit für den dermatologisch geschulten Arzt durch eine Blickdiagnose, erklärt Mendling. Typische Merkmale sind eine blasse, elfenbeinfarbige und dünne Haut (Atrophie), Einblutungen, weiße und verdickte Hautareale (Hyperkeratosen), Verhärtungen und Einrisse sowie wunde Stellen und Vernarbungen. Zu den gängigen Symptomen gehören vor allem ein hartnäckiger Juckreiz, verbunden mit Wundgefühl und Schmerzen – besonders beim Geschlechtsverkehr. Die Haut ist empfindlich, reißt schnell ein und kann auch beim Wasserlassen schmerzen. Typischerweise verlaufe Lichen sclerosus chronisch und in Schüben. »Die Differentialdiagnose ist allerdings manchmal schwierig, sodass eine Biopsie nötig wird«, berichtet der Gynäkologe. Diese könne auch wichtig sein, um festzustellen, ob die Patientin gleichzeitig weitere Erkrankungen an der Vulva habe.
Bei Männern und Jungen äußere sich Lichen sclerosus meist in einer Verengung und Verhärtung der Penis-Vorhaut, die sich dann nur noch sehr schwer bis gar nicht zurückschieben lasse, heißt es in den Informationsschriften von Lichen sclerosus Deutschland. Später können auch Eichelhaut und Harnröhrenausgang betroffen sein. Auch bei ihnen können Entzündungen, Schwierigkeiten beim Wasserlassen und Juckreiz auftreten. Die Haut kann weiß, rot, geschwollen und/oder vernarbt sein und schmerzen – auch hier vor allem beim Geschlechtsverkehr.