Niemand ist vor Geschlechtskrankheiten gefeit |
Vor lauter Begeisterung zu Anfang einer Beziehung sollte man darüber doch den Schutz vor Geschlechtskrankheiten nicht vergessen. / Foto: Adobe Stock/LuckyBusiness
Wenn es um sexuell übertragbare Infektionen (sexually transmitted infections, STI) geht, denken die meisten Menschen an Sexarbeiter, Männer mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten (MSM), Menschen mit häufig wechselnden Sexualpartnern oder Drogenkonsumenten. Kaum im Fokus stehen jedoch Senioren. Da kein Empfängnisschutz mehr benötigt wird, denken sie oft weniger an Verhütung. Eine schlechtere Fingerfertigkeit kann ebenfalls dazu verleiten, auf ein Kondom zu verzichten. Frauen nach der Menopause gefährdet zusätzlich, dass eine hormonell bedingte genitale Atrophie die Infektionsgefahr erhöht. Präventionskampagnen zielen jedoch in der Regel auf junge Menschen ab, etwa jüngst in Frankreich. Im Nachbarland bekommen seit dem 1. Januar 2023 alle zwischen 18 und 25 Jahren Kondome umsonst.
Aufklärung ist weiterhin in allen Bevölkerungsgruppen wichtig, wie die hohen Infektionszahlen in der Datenbank Surveillance Atlas of Infectious Diseases des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zeigen. Dass einige Prävalenzen zuletzt sanken, wird auf die Coronapandemie zurückgeführt. Damals gingen sowohl zwischenmenschliche Kontakte als auch Gesundheitskontrollen zurück. Außer durch Geschlechtsverkehr können einige Erreger auch per Schmierinfektion oder durch direkten Blutkontakt etwa bei der gemeinsamen Nutzung von Spritzbesteck übertragen werden. Schwangere können im Mutterleib oder bei der Geburt ihr Kind anstecken.
Tückisch ist, dass viele Betroffene nichts von ihrer Infektion wissen. STI können asymptomatisch verlaufen, auftretende Beschwerden sind wie Brennen beim Wasserlassen, Ausfluss oder Hautveränderungen im Genitalbereich oft unspezifisch. Infizierte können aber auch symptomlos andere Menschen mit den Erregern anstecken.
Die gefürchtetste STI ist sicherlich nach wie vor AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome). Die Krankheit manifestiert sich, wenn eine Infektion mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HIV) unbehandelt bleibt. HIV stört die Funktion der T-Lymphozyten und beeinträchtigt die Immunabwehr. Im Verlauf steigt das Risiko für opportunistische Infektionen. Ein weiteres Problem sind bösartige Erkrankungen wie das Kaposi-Sarkom. Wer befürchtet, sich angesteckt zu haben, den Gang zum Arzt aber scheut, kann zu einem HIV-Schnelltest zur Eigenanwendung greifen. Die in Deutschland über Apotheken vertriebenen Tests verfügen über ein CE-Zeichen. Sie sind für die Anwendung durch Laien geprüft. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat Informationen zu den erhältlichen Selbsttests veröffentlicht.
Liegt eine vermutete Ansteckung nicht länger als 72 Stunden zurück, kann eine HIV-Postexpositionsprophylaxe (PEP) durchgeführt werden. Dafür werden in der Regel drei antiretroviral wirksame Substanzen über einen Zeitraum von vier Wochen eingenommen. Die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) kann eingesetzt werden, wenn Menschen sich vor HIV schützen, aber auf ein Kondom verzichten möchten. Das kann der Fall sein, wenn ein Paar auf natürliche Weise schwanger werden will. Für die HIV-PrEP ist die Kombination von Tenofovir und Emtricitabin (Truvada) zugelassen.
Zur Therapie einer HIV-Infektion kommen aktuell fünf Substanzgruppen zum Einsatz. Die antivirale Therapie soll das Fortschreiten aufhalten und die Symptome unterdrücken. Die Viruslast sinkt unter Behandlung, sodass die Patienten nicht mehr infektiös sind. Da die Krankheit nicht heilbar ist, müssen die Arzneimittel lebenslang eingenommen werden.
Weitere virale Erreger von STI sind das Hepatitis-B-Virus und die Humanen Papillomviren (HPV). Die Hepatitis B kann chronisch werden und zu einer Leberzirrhose oder gar Krebs führen. Die Behandlung ist schwierig. Es stehen als Dauertherapie Nukleotid-Analoga wie Tenofovir oder Nukleosid-Analoga wie Entecavir zur Verfügung. Eine Alternative ist eine Interferon-α-Therapie, die mehrere Monate andauert.
HPV-Viren werden ebenfalls beim Geschlechtsverkehr übertragen. Sie sind so verbreitet, dass sich die meisten Menschen im Laufe ihres Lebens damit anstecken. Eine Folge können Feigwarzen im Genitalbereich sein. Einige Virustypen erhöhen das Risiko für Krebsarten wie Gebärmutterhalskrebs. Kondome bieten keinen zuverlässigen Schutz, da sie nicht alle befallenen Hautbereiche im Intimbereich abdecken. Eine gegen die HP-Viren gerichtete Therapie gibt es bislang nicht. Für Mädchen und Jungen steht eine Impfung gegen bestimmte HP-Viren zur Verfügung.