Nieren im Fokus |
Ärzte finden im Urin früh Hinweise auf einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung. / Foto: Shutterstock/Guschenkova
Als SARS-CoV-2 Ende 2019 die ersten Infektionen verursachte, gingen Mediziner noch davon aus, dass es sich um ein reines Atemwegsvirus handelt. Je mehr Patienten jedoch dazu kamen, umso mehr Symptome wurden beschrieben. Schnell war klar: Sars-CoV-2 scheint viel mehr Angriffspunkte im menschlichen Organismus zu finden, als ursprünglich angenommen. Wie bei den anderen beiden zoonotischen Coronaviren – MERS und SARS – scheinen die Nieren besonders empfindlich für SARS-CoV-2 zu sein. Viele Covid-19-Erkrankte zeigen bereits frühzeitig auffällige Urinwerte, die sich bei schweren Verläufen zu einem akuten Nierenversagen steigern können. Dass dies nicht selten vorkommt, zeigte eine Umfrage des Verbands der leitenden Krankenhausärztinnen und -ärzte in der Nephrologie (VLKN) im April. Ausgewertet wurden die Daten von 504 intensivmedizinisch behandelten Covid-19-Patienten aus 52 Kliniken in ganz Deutschland. Das Ergebnis: 32 Prozent dieser Patienten waren von einem akuten Nierenversagen betroffen und benötigten eine Dialyse.
Eine virologische Erklärung für das klinisch beobachtete breite Symptomspektrum und die Beteiligung der Nieren konnte eine Obduktionsstudie um den Nephrologen Professor Dr. Tobias Huber vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf liefern, die Ende Mai im Fachmagazin »New England Journal of Medicine« veröffentlicht wurde. Die Forscher analysierten die Viruslast in Proben aus verschiedenen Organgeweben von 27 an Covid-19 verstorbenen Patienten. Die höchste Konzentration des Virus pro Zelle fanden sie in den Atemwegen, gefolgt von Niere, Herz, Leber, Gehirn und Blut. Bei sieben Patienten bestimmten die Wissenschaftler zudem die Viruslast in einzelnen Nierenkompartimenten. Dabei zeigte sich, dass vor allem die Zellen der Nierenkanälchen und Nierenkörperchen eine hohe Viruslast aufwiesen. Den Forschern zufolge könne dies eine Erklärung für die hohe Zahl an Patienten mit Nierenbeteiligung sein. Nachvollziehbar wird diese Vermutung, wenn man sich die Aufgabe von Nierenkanälchen und Nierenkörperchen ansieht. Beide zusammen bilden in der Niere eine Funktionseinheit, das sogenannte Nephron. Innerhalb eines Nephrons filtern die Nierenkörperchen Substanzen, die Nierenkanälchen führen diese Substanzen zurück ins Blut. Leidet hier die Funktion, zeigt sich das unter anderem durch eine verstärkte Albuminausscheidung mit dem Urin. Diese kann bei vielen Covid-19-Patienten beobachtet werden, auch bei solchen mit mildem Verlauf.
Wenn Mediziner von einem »Nephrotischen Syndrom« sprechen, beschreiben sie damit das gemeinsame Auftreten von Symptomen, die durch eine eingeschränkte Nierenfunktion verursacht werden. Dazu gehören unter anderem ein starker Proteinverlust über den Urin, Wassereinlagerungen im Gewebe, Anstieg von Blutfettwerten und Blutdruck sowie Thrombosen. Auslöser des nephrotischen Syndroms ist die Schädigung der Nierenkörperchen.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.