PTA-Forum online
Bedarf gestiegen

Noch mehr Beratung bei Asthma

Binnen sieben Jahren ist die Asthmaprävalenz um mindestens 30 Prozent gestiegen, ergab jüngst die Auswertung administrativer GKV-Daten. Für PTA bedeutet das mehr Patienten und mehr Beratungsbedarf. Denn um ohne Atemnot zu leben, müssen die Betroffenen einiges über Erkrankung und Therapie wissen.
Isabel Weinert
11.03.2019  11:56 Uhr

Wissenschaftler machen veränderte Lebensumstände als wichtigste Ursache für steigende Asthmazahlen verantwortlich. So erkrankten in den westlichen Industrienationen in den vergangenen 30 bis 40 Jahren besonders viele Menschen an Asthma. Weltweit zählt die Erkrankung zu den häufigsten Krankheiten überhaupt; die Weltgesundheitsorganisation WHO geht von 230 bis 300 Millionen Betroffenen aus.

Von den 10 bis 15 Prozent Kindern und Jugendlichen mit Asthma in Deutschland leidet die Mehrheit unter einer allergischen Form. Bei Erwachsenen sieht das anders aus: 5 bis 7 Prozent der Erwachsenen sind erkrankt, davon 30 bis 50 Prozent an nicht-allergischem, dem sogenannten intrinsischen Asthma. Häufig liegen Mischformen vor.

Asthma äußert sich in Attacken von Atemnot, vor allem durch erschwertes Ausatmen. Die Beschwerden treten häufig nachts auf. Husten klingt trocken, und abgehusteter Schleim ist oft glasig und zieht lange Fäden. Ein Gefühl von Brustenge und pfeifende Atemgeräusche zählen häufig zu den Symptomen. Ganz unterschiedliche Reize können einen Asthmaanfall auslösen. Menschen mit allergischem Asthma reagieren etwa auf Pollen, Hausstaub, Tierhaare, Nahrungsmittel und Gewürze. Der Klimawandel lässt einen weiteren Anstieg allergischen Asthmas befürchten. Denn laut Klimaexperten haben sich durch die steigenden Temperaturen die Bedingungen für das Wachstum von Pflanzen verbessert, die Pollensaison dauert dadurch länger, die Pollen wirken aggressiver. 

Kälte, Staub, Haar- oder Deospray, körperliche Belastung, Infekte, Lachen oder Witterungswechsel begünstigen Anfälle bei intrinsischem Asthma. Betroffene lernen mit der Zeit, welche Faktoren speziell bei ihnen eine Rolle spielen.

Vorbeugen nur teilweise möglich

Ob man an Asthma erkrankt, hängt auch von Erbfaktoren ab. Leidet bereits ein Elternteil an Asthma, Allergien oder Neurodermitis, liegt die Gefahr, selbst allergisches Asthma zu entwickeln, bei 40 bis 60 Prozent. Sind beide Eltern erkrankt, steigt sie auf 60 bis 80 Prozent. Nicht-allergisches Asthma beginnt oft im Gefolge von Virusinfekten oder entwickelt sich auf dem Boden einer chronischen Sinusitis.

Das Asthma-­Risiko liegt zudem höher bei Frühgeborenen für Kinder rauchender Eltern, bei Kindern, die früh abgestillt wurden und wenn Menschen übertriebener Hygiene ausgesetzt sind oder sie selbst praktizieren. Die Idealprophylaxe gegen Asthma für ein Ungeborenes: Die Mutter lebt auf einem Bauernhof und ernährt sich mediterran. Unzweifelhaft schadet es, wenn die Mutter raucht. Lesen Sie hierzu auch den Beitrag »Vorbeugen von Anfang an«.

Wie die asthmatische Entzündung entsteht, weiß man heute recht genau. Das Bronchialepithel setzt entzündungsfördernde Mediatoren frei, es wird mehr zähflüssiger Schleim gebildet, die unter dem Epithel liegende Bindegewebsmatrix nimmt zu und fördert die Verengung. Die antigenspezifischen, entzündungsfördernden Helferzellen Th2, Th9 und Th11 aktivieren über Interleukine eosinophile Granulozyten und Plasmazellen. Letztere produzieren allergenspezifische IgE-Antikörper, die die Mastzellen stimulieren. Das Bronchialepithel kann darüber hinaus angeborene lymphoide Zellen des Immunsystems aktivieren. Sie setzen auf nicht-allergischem Weg Interleukine frei und stimulieren die eosinophilen Granulozyten und glatte Muskelzellen. Die Eosinophilen sorgen für den chronischen Verlauf der Entzündung. Daneben existieren etliche neuromuskuläre Veränderungen. Die Folge der pathologischen Prozesse: Die Bronchien werden hyperreagibel, reagieren also schon auf Reize, die gesunden Bronchien nichts anhaben können. Die Schleimhaut schwillt an, mehr Schleim entsteht, und der Innendurchmesser der Bronchien verengt sich. 

Kontrolliertes Asthma bei Kindern Kontrolliertes Asthma bei Erwachsenen Teilweise ­kontrolliertes Asthma, 1 – 2 Kriterien erfüllt Unkontrolliertes Asthma, mindestens 3 Kriterien erfüllt
Symptome tagsüber Keine ≤ 2 x /Woche > 2 x /Woche > 2 x /Woche
Symptome nachts Keine Keine Jedes Symptom Jedes Symptom
Bedarfsmedikation Keine ≤ 2 x /Woche > 2 x /Woche > 2 x /Woche
Aktivitäts­einschränkung Keine Keine Jede Einschränkung Jede Einschränkung
FEV1 Normal Normal Vermindert Vermindert
Exazerbation Keine Keine Mindestens 1 x /Jahr In der aktuellen Woche
Tabelle (aus S2k-Leitlinie Asthma der AWMF): Grad der Asthma-Kontrolle. Die oberen 4 Kriterien entsprechen dem vereinfachten Schema zur Messung der Asthmakontrolle gemäß GINA-Leitlinien. Die unteren beiden Kriterien (FEV1, Exazerbation) sind Zu

Diagnose vom Facharzt

In Europa leben rund 30 Millionen Asthmatiker. Etwa 70 Prozent von ihnen kommen mit Hilfe einer geeigneten Therapie gut zurecht. Allerdings gibt es auch circa 1,5 Millionen Menschen, deren Asthma derart massiv ist, dass sie mindestens einen schweren Anfall pro Woche erleiden müssen. Nach wie vor versterben in Westeuropa Menschen an einem Asthmaanfall, in Deutschland jährlich vier bis acht pro 100 000 Einwohner. Ein Großteil dieser Fälle ließe sich mit einer adäquaten Aufklärung und Therapie verhindern. Eine leitliniengerecht angewandte Asthmatherapie trägt maßgeblich dazu bei, dass die Lebenserwartung eines Asthmatikers heute ebenso hoch liegt wie die eines gesunden Menschen.

Die Behandlung soll Betroffenen ein weitestgehend normales Leben ermöglichen und die chronische Entzündung eindämmen. Um die Diagnose zu stellen, nimmt der Lungenfacharzt eine Lungenfunktionsprüfung vor. Die Parameter Vitalkapazität (VC), Ein­sekunden­kapazität (FEV1) und maxi­maler exspiratorischer Fluss bei 50 Prozent der Vitalkapazität eignen sich, die Diagnose »Asthma« zu stellen. Die Messung der Lungenfunktion 15 Minuten vor und nach Gabe eines schnellwirks­amen Beta-2-Sympathomimetikums zeigt an, ob die Atemwegs­obstruk­­­tion reversibel ist – ein Merkmal von Asthma. Das FEV1 soll sich in dieser Zeit um wenigstens 12 Prozent gebessert haben. Längere Zeiten bis zu einer messbaren Wirkung des Medikaments sprechen eher für eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD).

Eine unauffällige Lungenfunktionsmessung schließt Asthma nicht aus, sondern der Betroffene befindet sich womöglich in einem anfallsfreien Intervall. Dann kann der Arzt milde Bronchospasmen hervorrufen, indem er den Patienten Metacholin-Verdünnungen inhalieren lässt. Sinkt das FEV1 um 20 Prozent, zeigt der Test eine bronchiale Hyperreagibilität an, die zur asthmatischen Entzündung gehört.

Nicht immer schweres Asthma

Bei der Therapie folgen Ärzte nach der S2k-Leitlinie nicht mehr der klassischen Einteilung nach Schwere­graden, ­sondern der Kontrolle der Symptome. Drei Kon­trollgrade sind etabliert (siehe Tabelle).

Rückschlüsse von der Häufigkeit der Anfälle auf die Schwere des Asthmas lassen sich nicht automatisch ziehen, denn die Ursachen anhaltender Beschwerden können auch in einer nicht ausreichenden Basistherapie oder in mangelnder Therapietreue liegen. Medizinern lässt die Leitlinie Spielraum, jeden Patienten individuell zu behandeln. Sowohl für Erwachsene als auch für Kinder sieht die Empfehlung fünf Therapiestufen vor. Dabei unterscheiden Ärzte eine Step-up- von einer Step-down-Therapie. Bei Step down gehen sie davon aus, das Asthma sei schwerer als vermutet, begin­nen mit einer hohen Dosis, um die Symptome schnell kontrollieren zu können, und senken dann Schritt für Schritt die Dosie­rung. Step up bedeutet, dass der Behandler die Medikation zunächst niedrig dosiert und dann die Dosis bis zur Symptomkontrolle steigert.

Zum Einsatz kommen sogenannte Control­ler (Basismedikamente), die ­gegen die dem Asthma zugrunde­liegende Entzündung wirken, und Relie­ver (Bedarfs­medikamente) bei akuter Atemnot. Controller spielen eine entscheidende Rolle, denn es zeigte sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten, dass sich das Asthma verschlechtert, beziehungsweise schlechter kontrollieren lässt, wenn die asthma­tische Entzündung nicht an­gegangen wird. Dass heute weniger Menschen an Asthma sterben, hängt vor allem mit dem kontinuierlichen Einsatz von inhalativen Corticosteroiden (ICS) zusammen. Der Arzt kann sie deshalb schon auf der ersten Stufe des Stufenplans verordnen. Immer zum Einsatz kommt in diesem Stadium ein Reliever, ein kurz­wirk­sames Beta-2-Sympathomimetikum (SABA, short acting beta agonists). Ab Stufe 2 ist neben dem SABA der Controller obligat. 

Ergänzung mit Antikörpern

Reicht die Medikation von Stufe 2 nicht aus, sollen Erwachsene auf Stufe 3 die Dosis des Controllers erhöhen. Oder die Dosierung bleibt wie auf Stufe 2, aber es kommt noch ein lang wirksames Beta-2-Sympathomimetikum (LABA, long acting beta agonists) hinzu. Ab Stufe 4 entfällt diese Wahlfreiheit, und die mögliche Dreierkombi aus Stufe 3 wird zur Pflicht. Bei schwersten Asthma­formen klettert die Therapie auf Stufe 5. Hier werden die Medikamente von Stufe 4 mit Tiotropium und/oder Biologika ergänzt. Zu letzteren zählen der Anti-IgE-Antikörper Omalizumab und der Anti-IL-5-Antikörper Mepolizumab. Systemische Glucocorticoide sieht der Stufenplan ab Stufe 5 vor. Sie sollten intermittierend oder wenn dauerhaft, dann in der geringstmöglichen Dosis zum Einsatz kommen. Für Kinder gelten teilweise andere Regeln. Brauchen sie etwa speziell vor dem Sport regelmäßig ein SABA, muss bei ihnen auch die antientzündliche Therapie angepasst werden. Bei Kindern und Erwachsenen kann bei Anstrengungs­asthma neben einem SABA auch ein Leukotrienantagonist (LTAG) zum Einsatz kommen.

In der Beratung liegt ein Schwerpunkt darauf, das verordnete Inhalationssystem zu erklären und sich vom Patienten zeigen zu lassen, ob er die Handhabung verstanden hat. Kann er die Erklärungen partout nicht umsetzen, lassen sich in Bezug auf Rabattverträge pharma­zeutische Bedenken geltend machen. Ein weiterer wichtiger Aspekt: Pa­tien­ten mit Asthma sollten Augen­tropfen, die Betablocker enthalten, mit Vorsicht einsetzen, weil bereits eine leichte Betablockade an den Beta-2-Rezep­toren der Bronchialschleimhaut zu einer Verkrampfung der Bronchien führen kann, so Dr. Nina Griese Mammen, Leiterin des Geschäftsbereichs Arznei­mittel der ABDA auf dem Fort­bildungs­­kongress Pharmacon in Schlad­ming. Das gelte für nicht kardioselektive Substanzen. Erwachsene Asthmatiker, vor allem solche mit unkontrolliertem Asthma, erkranken zudem häufiger an Vorhofflimmern. Menschen mit unkontrolliertem Asthma kann deshalb der Rat helfen, das Herz auf Vorhofflimmern ­untersuchen zu lassen. 

Mehr von Avoxa