Nutzen von Heilpilzen unklar |
Mit Pilzen und deren Inhaltsstoffen sollte man sich auskennen. Das gilt nicht nur für heimische Arten, sondern auch für Pilzprodukte, die als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben werden. Gerade bei Letzteren herrscht bezüglich ihrer Wirkungen und Nebenwirkungen Unklarheit. / Foto: Getty Images/Westend61/Larissa Veronesi
»Nahrung sei deine Medizin und Medizin sei deine Nahrung«, war ein Leitsatz des Hippokrates. So sind Pilze nicht nur ein Nahrungsmittel, sondern werden seit Jahrtausenden sowohl in der traditionellen Medizin Europas als auch Asiens (traditionelle chinesische Medizin, TCM, und Ayurveda) als Heilmittel verwendet. Sie enthalten biologisch aktive Inhaltsstoffe, die ihnen als Abwehrstoffe helfen, ihren Fruchtkörper zu schützen. Einige dieser Verbindungen sind als Arzneimittel etabliert, wie Penicilline aus Penicillium-Arten, Cephalosporine aus Acremonium-Arten, das Immunsuppressivum Ciclosporin aus den norwegischen Schlauchpilzen Tolypocladium inflatum und Cylindrocarpon lucidum oder der HMG-CoA-Reduktasehemmer Lovastatin, der zum Beispiel vom Schimmelpilz Aspergillus terreus produziert wird.
Vor allem im Internet werden auch Nahrungsergänzungsmitteln (NEM), die Zubereitungen aus Pilzen enthalten, Heilwirkungen zugeschrieben. Hersteller setzen in ihren Produkten hauptsächlich exotische, in der TCM oder im Ayurveda genutzte Pilze ein. Beispiele sind Shiitake (Lentinula edodes), Glänzender Lackporling (Ganoderma lucidum), Löwenmähne (Hericium erinaceus), Schmetterlingstramete (Coriolus versicolor), der chinesische Raupenpilz (Cordyceps sinensis) oder der Schiefe Schillerporling (Inonotus obliquus), Letzterer aus der nordischen Volksmedizin. Unternehmer vermarkten Extrakte oder die Pilze getrocknet und pulverisiert als »Vital-« oder »Heilpilze«. Diese Marketingbezeichnungen sind jedoch weder rechtlich noch inhaltlich definiert.
Ein weiteres Problem ist, dass der Einsatz in Nahrungsergänzungsmitteln voraussetzt, dass die Substanzen bereits vor dem 15. Mai 1997 in nennenswertem Umfang in der Europäischen Union für den menschlichen Verzehr genutzt wurden. Das ist nicht für alle Exoten der Fall. Für die Schmetterlingstramete lässt sich beispielsweise keine Verzehrhistorie vor 1997 nachweisen. Das macht sie zu einem neuartigen Lebensmittel. Sie bräuchte gemäß der Novel-Food-Verordnung eine Zulassung, um verkehrsfähig zu sein.