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ARZNEIPFLANZEN

Fingerhut

Der Rote Fingerhut ist wohl eine der bekanntesten Giftpflanzen Europas. Seine positiv inotrope Wirkung ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt. Aufgrund der geringen therapeutischen Breite und der schlechten Studienlage bei Herzinsuffizienz werden Digitoxin, wie auch das Digoxin aus dem Wolligen Fingerhut, heutzutage nur noch selten angewendet. Als Indikation bleibt das chronische tachykarde Vorhofflimmern.
Thomas Zech
05.01.2021  15:43 Uhr
Foto: Getty Images/Ashraful Arefin photography
Foto: imago stock&people
Foto: Fotolia/clombumbus

Im Überblick

NAME
Roter Fingerhut; Wolliger Fingerhut
BOTANISCHER NAME
Digitalis purpurea L.; Digitalis lanata Ehrh.
FAMILIE
Wegerichgewächse
BOTANISCHE FAMILIE
Plantaginaceae
WEITERE NAMEN
Fuchskraut

Merkmale

  • zwei-, selten auch mehrjährige, krautige bis 2 m hohe Pflanze 
  • unverzweigte bis schwach verzweigte Stängel 
  • wechsel- oder grundständige einfache ganzrandige Laubblätter 
  • zygomorphe 5-zählige glockenförmige Blüten in typischen endständigen traubigen Blütenständen; beim Roten Fingerhut rosa-rot, beim Wolligen Fingerhut weißlich und wollig behaart 
  • eiförmige Kapselfrucht 

Heimat

  • Westeuropa, Mitteleuropa und Nordafrika (Roter Fingerhut) 
  • Ost und Südosteuropa (Wolliger Fingerhut) 

Arzneilich verwendete Pflanzenteile

  • getrocknete Blätter (Digitalis purpureae folium; Digitalis lanatae folium) ausschließlich zur Gewinnung der herzwirksamen Steroide  

Inhaltsstoffe

  • herzwirksame Steroidglykoside: Cardenolide, zum Beispiel Digitoxin im Roten Fingerhut, Digoxin im Wolligen Fingerhut 
  • Digitanolglykoside 
  • Steroidsaponine 
  • Anthrachinonderivate 
  • Flavonoide 

Anwendung

  • keine phytotherapeutische Verwendung  
  • keine Bearbeitung durch das HMPC 
  • reine Inhaltsstoffe als Arzneimittel zugelassen bei Herzinsuffizienz und chronischem tachykarden Vorhofflimmern 

Empfohlene Dosierung

  • Dosierung sollte aufgrund der geringen therapeutischen Breite und starken Unterschieden in der interindividuellen Empfindlichkeit vom Arzt eingestellt werden. Üblicherweise erfolgt eine Aufdosierung, gefolgt von einer niedrigeren Erhaltungsdosis. 

Nebenwirkungen

  • Arrhythmien (häufig Doppel- oder Dreifachschläge) 
  • Appetitlosigkeit, Übelkeit 
  • Kopfschmerzen, Müdigkeit, psychische Veränderungen bis hin zu Psychosen 
  • verändertes Farbsehen 
  • Gynäkomastie 
  • allergische Reaktionen 
  • Thrombozytopenie 
  • Lupus erythematodes 

Wechselwirkungen

  • intravenöse Calciumgaben: verstärkte Toxizität 
  • Arzneistoffe die Elektrolythaushalt beeinflussen, wie Diuretika und Blutdrucksenker im Renin-Angiotensin-Aldosteron System: Verstärkung der Toxizität über Beeinflussung v. a. der Kalium- und Magnesiumspiegel 
  • Calciumkanalblocker, Antiarrhythmika, Captopril, Azol-Antimykotika, Spironolacton und einige Antibiotika können die Plasmakonzentration stark erhöhen 
  • gehäufte Herzrhythmusstörungen bei gleichzeitiger Gabe von Betablockern, Suxamethoniumchlorid, tricyclischen Antidepressiva, Sympathomimetika und PDE-Inhibitoren wie Theophyllin oder Sildenafil 
  • Johanniskrautextrakt, Neomycin, Rifampicin, einige Zytostatika, Sulfasalazin, MCP, Adrenalin, Salbutamol und Phenytoin senken die Serumkonzentration (Vorsicht auch beim Absetzen dieser Medikamente, da dann die Spiegel wieder stark ansteigen können!) 

Kontraindikationen

  • Überempfindlichkeit 
  • Verdacht auf Digitalisvergiftung 
  • einige Herzerkrankungen, wie Kammertachykardie, AV Block II. oder III. Grad, thorakales Aortenaneurysma, hypertrophe Kardiomyopathie 
  • Elektrolytstörungen wie Hypokaliämie, Hyperkalziämie, Hypomagnesiämie 
  • Sauerstoffmangel 

Abgabehinweise

  • genaues Einhalten der Dosierungsanweisung des Arztes, inklusive Einnahmezeitpunkte 
  • Herstellerfirma nie ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt wechseln 

Beispiele für Monopräparate

  • Digimerck® (Digitoxin) 
  • Digitoxin AWD (Digitoxin) 
  • Digitoxin Philo (Digitoxin) 
  • Lanicor® (Digoxin) 
  • Lenoxin® (Digoxin) 
  • Digacin® (Digoxin) 

Weitere Informationen

  • Der Rote Fingerhut wurde weder in der Antike noch im Mittelalter als Arzneipflanze eingesetzt, vermutlich aufgrund der hohen Giftigkeit. Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts erlangte er vor allem in England und Irland zunehmend Bedeutung, zunächst in abergläubischen Bräuchen, später aber auch bei Krankheiten wie Bronchitis. William Withering entdeckte die Wirkung des Fingerhuts bei durch Herzinsuffizienz verursachten Ödemen; Drebeyne erkannte etwa 75 Jahre später, dass diese Reaktion nicht auf einem diuretischen Effekt, sondern auf einer Wirkung am Herzen basiert. 
  • Der Name „Fingerhut“ ist eine sehr alte Bezeichnung, die auf der Ähnlichkeit der Blüten mit einem bei Näharbeiten verwendeten Fingerhut beruht. Im Englischen kommt der Name „Foxglove“ von dem Mythos, dass Füchse sich die Blüten über die Pfoten ziehen, um ihre Schritte zu dämpfen. 
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